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100. Geburtstag des Architekten Hermann Henselmann

Er gehörte zur Architektengeneration der Egon Eiermann, Albert Speer, Helmut Hentrich und Julius Posener. Am 3. Februar 1905 geboren in Rossla am Fuß des Kyffhäusers, ausgebildet als Tischler und Raumgestalter, arbeitete Hermann Henselmann als selbstständiger Architekt, bis er 1941 als Halbjude die Arbeitserlaubnis verlor. Unmittelbar nach Kriegsende übernahm er die Leitung der Hochschule für Bauwesen in Weimar. Mit gesundem Selbstbewusstsein ausgestattet, glaubte er jedoch, seine Vorstellungen von einer neuen Architektur für die sozialistische Gesellschaft eher in Berlin, im Zentrum des Geschehens durchsetzen zu können. Dort wurde er 1947 Mitglied des Instituts für Bauwesen, dorthin übersiedelte er 1951 als Mitglied der Bauakademie. Schon zwei Jahre später sah man ihn als Chefarchitekt von Ost-Berlin in einflussreicher Position.

Von Falk Jäger |
    Geschmeidigkeit bewies der von der Moderne überzeugte Architekt in der stalinistischen Ära, als auf Geheiß Moskaus in traditionellen Formen zu bauen war:

    Diese Oppositionshaltung, solche schlichten Proletarierwohnungen zu bauen wie Bruno Taut, wie Ernst May, wie das Bauhaus, das war unsere Haltung, unsere Grundhaltung. Jetzt verlangten aber unsere Genossen von uns, diesen revolutionären Architekten, dass wir auch unsere Häuser schmücken, mit Ornamenten oder sonst was - das war Verrat, nach meiner Meinung! Und da haben wir natürlich aufgebrüllt wie verwundete Stiere, ich besonders (lacht).

    Doch Erich Weinert und Bert Brecht brachten ihn in langen Gesprächen auch emotional auf Parteilinie:

    Gerade durch diese Konflikte, die mir sehr natürlich zu Herzen gingen und tief in mein geistiges und emotionales Zentrum gingen, gerade diese Konflikte haben mich sehr eng an die revolutionären Energien meiner Genossen angeschlossen.

    So entwarf er also das Hochhaus an der Weberwiese in klassizistischem Stil, quasi als Fingerübung für die Stalinallee, an der er ebenfalls entscheidenden Anteil hatte. Als 1955 wieder andere Signale aus Moskau kamen, kehrten Henselmann und seine Mitstreiter Edmund Collein, Richard Paulick postwendend zu den modernen Bauformen zurück. Henselmann erweiterte seinen Einfluss in den Berliner Gremien und republikweit. Als Chefarchitekt des Instituts für Sonderbauten der Bauakademie hatte er seinen zum Plattenbau verpflichteten Kollegen ein Privileg voraus: Er konnte als Baukünstler frei entwerfen, nämlich Kultur- und Gesellschaftsbauten, für die es keine Bausysteme gab.

    Mit dem Haus des Lehrers am Alexanderplatz und der Kongresshalle schuf er ein noch heute hochgelobtes und inzwischen mustergültig saniertes Ensemble, das als prototypisch für die Moderne der Jahrhundertmitte gilt. Der Berliner Fernsehturm geht ebenso auf ihn zurück wie das Hochhaus der Leipziger Universität. Er setzte die Akzente, er war der Stararchitekt der DDR. Brigitte Reimann hat ihm in ihrem Roman Franziska Linkerhand ein literarisches Denkmal gesetzt.

    Als Lehrer und Chef hat er ohne Ansehen der Parteilinie immer die besten Architekten gefördert. Seine politischen Manifestationen blieben eher Lippenbekenntnisse. Mit ungewöhnlicher Eloquenz und taktischem Geschick und enormem Durchsetzungsvermögen versuchte er, dem starren System so viel wie möglich Baukunst abzuringen.

    Wissen sie, diese stürmischen Kämpfe zwischen zwee Bullen, ja, die habe ich gerne. Und in der Architektur ist der Kampf um den Kranz, der ist ungeheuer reizvoll. Ich finde das herrlich, und da haben wir manche Nacht hindurch gearbeitet. Sie glauben gar nicht, was für einen Spaß Anstrengungen machen, und eines verspreche ich Ihnen: Wer mit mir arbeitet, erlebt Abenteuer, des Rausschmisses, oder des Sieges, oder des Kampfes, und das macht mir Freude.

    Mit Lust gekämpft und gestritten hat er bis zu seiner Emeritierung 1972 und danach weiterhin als Entwerfer und graue Eminenz des DDR-Bauwesens. 1995 starb der Architekt Hermann Henselmann im Alter von 90 Jahren in Berlin.