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100 Jahre altes Segelschiff "Peking"
"Hamborger Veermaster": Eine stählernde Legende kehrt heim

Die 1911 in Hamburg gebaute "Peking" fuhr einst als Frachtsegler nach Chile und war ein Symbol für Globalisierung. Der historische Viermaster verrottete dann lange als Museumsschiff in New York und wird nun in einer Werft in Wewelsfleth wieder flottgemacht: für die Rückkehr in seinen Heimathafen.

Von Johannes Kulms | 17.11.2019
Das Segelschiff "Peking" liegt vor dem Ausdocken in der Werft Wewelsfleth.
Seit knapp zwei Jahren wird die "Peking" im Auftrag der Stadt Hamburg in Wewelsfleth fit gemacht (dpa / Carsten Rehder)
Ziemlich platt scheint das Land rund um Wewelsfleth. Und ruhig! Wobei es hier, nur wenige Kilometer von der Elbe entfernt, durchaus was zu sehen und zu hören gibt. Da ist einerseits die Kuhherde, die sich gerade ihren Weg zum Wasser bahnt. Jetzt nicht in die Elbe hinein, sondern in die Stör; einen anderen norddeutschen Fluss. Direkt gegenüber von der Kuhwässerung liegt die Peters-Werft. Dort hat vor Monaten ein schwarz-weißer Riese am Kai festgemacht mit vier dunkelgelben Masten, die in den trüben Himmel hin aufragen.
Mehr als 100 Jahre ist das Segelschiff "Peking" alt. In einem halben Jahr soll es fertig restauriert sein. Und nach vielen Jahrzehnten in der Ferne in ihren alten Heimathafen Hamburg zurückkehren. Finanziert mit Steuergeldern. Die Kosten sind inzwischen auf 35 Millionen Euro gestiegen und werden vom Deutschen Bundestag getragen.
"Einige sagen, ja, lohnt ja nicht, oder das Geld könnte man woanders investieren. Andere sagen, natürlich muss so ein Schiff mit Hamburger Charakter oder in Hamburg gebaut wieder zurück nach Hamburg. Die Meinung teile ich auch", sagt Lars Spieckermann. Kein Hamburger, sondern Mecklenburger.
"Also, ich denke nicht, dass es rausgeschmissenes Geld ist. Ist einfach ein großes Kulturgut, was erhaltenswert ist und in der Struktur und in der Substanz auch noch so weit erhalten ist, in Originalbauteilen, dass es keineswegs als Neubau bezeichnet werden kann. Also, ganz weit entfernt davon."
Symbol für Wohlstand Hamburgs
Spieckermann ist Schiffsbauingenieur und beaufsichtigt das gigantische Restaurierungsprojekt. Er hat schon viele alte Schiffe gesehen. Doch die "Peking" ist auch für ihn eine besondere Herausforderung. Mit 115 Metern Gesamtlänge gehört der Viermaster einerseits zu den größten Segelschiffen. Gleichzeitig ist er durch den jahrelangen Einsatz als Frachtschiff zwischen Chile und Hamburg ein Symbol für die Globalisierung und den Wohlstand der Hansestadt.
1911 in Hamburg gebaut ist die "Peking" zudem auch so etwas wie ein letztes Ausrufezeichen. Für ein Verkehrsmittel, dass nur wenige Jahre auf den Handelswegen von den Dampf- und später mit Öl angetriebenen Schiffen verdrängt wurde. Womit eine Ära endete.
"Also, zu Zeiten, wo das Schiff noch aktiv war oder wo es gebaut wurde, war es, sage ich mal, der höchste Entwicklungsgrad der Frachtsegelschiffe. Ohne Maschine darauf ausgelegt, Kap Horn zu umrunden – also eine spezielle Route zu bedienen – und das war dann damals Hightech sozusagen."
Die "Peking" gehört zu den sogenannten Flying P-Linern. Das sind die Schiffe, der Hamburger Laisz-Reederei, die lange Zeit ihren Segelschiffen ausschließlich P beginnende Namen gab. Und von der eben die meisten besonders schnelle Frachtsegler waren. Dazu gehört beispielsweise die heute in Travemünde liegende "Passat". Genauso wie die heute als russisches Segelschulschiff dienende und umbenannte "Kruzenshtern" und die 1957 bei einem Hurrikan gesunkene "Pamir".
Stiftung Hamburg Maritim kauft das Schiff
34 Mal hat die "Peking" im Salpeterhandel mit Chile Kap Horn umrundet. Anfang der 30er-Jahre war die Zeit als Frachtsegler vorbei. Das Schiff wurde nach England verkauft, wo es unter anderem als Internat genutzt wurde. Später ging es in die USA. Jahrzehntelang lag die "Peking" in New York als Museumsschiff. Doch das Geld zur Instandhaltung war knapp. Am Ende war das früher so stolze Segelschiff ziemlich runtergekommen.
Viermastsegelschiff "Peking" im Jahr 2008 im South Street Seaport Museum, New York
Dss Viermastsegelschiff "Peking" im New Yorker South Street Seaport Museum (akg)
Deprimierend habe es damals ausgesehen, sagt Lars Spieckermann, wenn er an seinen Inspektions-Besuch in New York 2016 zurückdenkt. "Ja gut, wir haben schon in der Branche, in der unser Büro arbeitet, sehen wir öfter mal Schiffe in einem schlechten Zustand, nicht ganz in einem so schlechten Zustand wie die 'Peking'. Aber man hat schon damals ahnen können, das noch viel Originalsubstanz vorhanden ist und noch erhalten werden kann."
Nach vielen Jahren der Verhandlung kauft die Stiftung Hamburg Maritim das Schiff. Kurz darauf geht es für die "Peking" wieder auf Reise. Huckepack in einem Dockschiff schippert der alte Riese über den Atlantik. Seit knapp zwei Jahren wird die "Peking" nun wieder im Auftrag der Stadt Hamburg in Wewelsfleth fit gemacht und hergerichtet für seine künftige Aufgabe als Museumsschiff.
Jahrelange Arbeit an der Takelage
Überall auf dem Schiff werden verrostete Stahlplatten ausgetauscht, das verrottete Holzdeck abgezogen, am Rumpf wird asbesthaltiges Material entfernt. Und natürlich fließen tausende Liter Farbe.
Rund zwei Jahre lang haben auch die Arbeiten an der Takelage gedauert - dem Ensemble aus Masten und Tauen. An diesem Vormittag sind gleich mehrere Frauen mit Klettergeschirr und Helmen unterwegs. Mehrere Meter über dem Hauptdeck sind sie damit beschäftigt, die letzten Sprossen mit Drähten anzubringen, über die die Seeleute hinauf zu den Mastern klettern können. Heute würden die Drähte gepresst, sagt Laura Lünenschloss. Doch früher habe man Kneifbändsel benutzt. Und genau diese Methode komme hier auch zum Einsatz.
"Und das bedeutet einfach, dass man mit einem langen Draht sehr, sehr viele Wicklungen um zwei Drähte macht um diese einfach zu bekneifen. So was, was eine Pressung machen würde, das ist ein Kneifbändsel. Das ist ziemlich viel Arbeit, muss zu zweit gemacht werden, kann anstrengend sein. Und da sind wir gerade froh, dass wir da in den Endzügen sind."
Laura Lünenschloss ist eine von mehreren Frauen, die sich bei der "Peking"-Restaurierung um die Takelage kümmern. Sie allesamt haben andere Berufe gelernt wie Bootsbauerinnen oder Tischlerinnen und haben Zusatzausbildungen absolviert, um auch das Tauwerk und die Masten bearbeiten zu können. So wie Carolin Groß.
"Also, wir waren alle schon auf vielen Schiffen und das ist schon was Besonderes, weil ein so großes Schiff gibt es nicht so häufig und die 'Peking' hat auch eine Geschichte. Aber ich find eher besonders, dass es besonders schwer ist. Und ich bin froh, dass es keine größeren Schiffe gibt. Weil es einfach schon ein Knochenjob ist. Also, für Männer wie Frauen, das ist egal, welches Geschlecht man da hat. Das ist einfach anstrengend. Also, das sind einfach 40 Millimeter dicke Drähte oder 41 Millimeter dicke Drähte und die sind halt 40 Meter lang und die wiegen entsprechend und die müssen entsprechend bewegt werden. Und das geht nicht alleine, sondern das geht nur mit technischer Hilfe und mit mehreren Leuten."
"Gebaut für das Kap Horn"
Ein hartes Abenteuer war schon früher der Einsatz auf der "Peking". Das zeigt ein rund dreiviertelstündiger Film, der auch bei YouTube zu sehen ist. Es sind Aufnahmen, die Irving Johnson 1929 gemacht hat und viele Jahrzehnte später kommentiert hat. Sie zeigen ein Schiff, mit dem die Besatzung durch die Hölle von Kap Horn geht. Riesige Wellen brechen auf das Deck nieder.
"And oh, she is really pumping and straining. And the noise of the vessel when you are done inside, groaning one pice against the other, you think it is coming apart. But it’s built for Cap Hoorn and was not about to come apart."
Dass die Arbeit und das Leben auf dem Frachtsegler eben alles andere als Seefahrtsromantik waren, soll auch im Brückenhaus gezeigt werden. In dem jetzt noch weiten leeren Raum auf dem Hauptdeck war früher die Besatzung untergebracht.
Das Segelschiff "Peking" liegt vor dem Ausdocken in der Werft Wewelsfleth.
Anfang der 30er-Jahre war die Zeit als Frachtseglers vorbei, nun soll es Hauptattraktion des Hafenmuseums in Hamburg werden (dpa / Carsten Rehder)
Immerhin: Der Kapitän hatte eine eigene Kabine und Badezimmer, sagt Lars Spieckermann. Auch die Offiziere und der Koch haben es nicht so schlecht gehabt. Doch für die 24 Matrosen an Bord war die Unterkunft sehr schlicht. "War tendenziell eher nass und kalt. Es war auch nicht isoliert oder beheizt, der Kapitän hatte glaube ich einen kleinen Ofen. Aber ja, war kein Luxusleben.
Hier, im früheren Brückenhaus, soll auch der Fahrstuhlschacht ankommen. Durch den Lift kann das bald in Hamburg liegende Museumsschiff barrierefrei erkundet werden. Bis hinunter in den riesigen Laderaum. 6,50 Meter ist der hoch, genug Platz für rund 5.000 Tonnen Fracht, die hier pyramidenförmig gestapelt wurde, sagt Lars Spieckermann.
Wer mit ihm im untersten Bauch des Schiffes hinabsteigt und die zahlreichen Stahlträger und Nieten sieht, fühlt sich ein wenig an die Architektur der Berliner U-Bahn zur Jahrhundertwende erinnert. Ein paar dutzend historische Segelschiffe seien weltweit noch erhalten, schätzt Spieckermann. Doch glaubt er, dass sich das bald ändert könnte. Es gebe bereits heute moderne Konzepte für Segelschiffe, die mit kleineren Besatzungen als damals auf der "Peking" auskämen.
"Und das ist meines Erachtens nur eine Frage der Zeit, bis die Ölpreise so hoch sind, dass es sich dann rentiert. Es gibt auch jetzt schon einige Projekte, die Segelfrachtschiffe betreiben. Kaffee, Rum, oder ähnliches. Also, höherwertige Produkte, die nicht auf Kühlung oder so angewiesen sind und die auch nicht auf ein bestimmtes Lieferdatum angewiesen sind wo die Transportzeit eben auch etwas länger sein kann."
Transportmodell für die Zukunft?
Auch sein Büro arbeitet an der Entwicklung von größeren Segelschiffen für die Zukunft. 150 Meter lang könnten die werden. "Es wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht so groß werden, wie die größten Ölfrachter- oder Tanker. Aber das ist schon in einem Bereich von ein paar tausende Containern möglich."
Theoretisch sei es natürlich denkbar, die "Peking" auch wieder seetüchtig zu machen. Doch vorgesehen ist es nicht, denn das Schiff soll bald einer der Hauptattraktionen des neuen Hafenmuseums in Hamburg werden und dort vor Anker gehen.
Laura Lünenschloss, die seit Monaten mit der Takelage-Restaurierung beschäftigt ist, bedauert das. "Also, persönlich finde ich es halt ein bisschen schade, dass man das Schiff eigentlich so gut und so stark baut und dann liegt es einfach nur im Museum. Also, ich fänd’s toll, wenn es wieder segeln würde, weil ich segele auch selber. Und ich mag große Segelschiffe und das ist eigentlich auch ein bisschen schade."