Wenn wir hochgehen kommen wir in einen Kontrollplot, wo seit 100 Jahren nichts eingebracht worden ist. Da müsste sich der Boden abmagern, aber dort erzielen wir heute noch sechs Tonnen. Das sind die Ansätze, wo sie anfangen nachzudenken. Irgendwo muss der Stickstoff ja herkommen.
Auf irgendeine Weise gelangen immerhin 50-80 Kilo pro Hektar und Jahr in den Boden. Lange Zeit verdächtigten die Wissenschaftler Blaualgen und Mikroorganismen, den Stickstoff im Erdreich abzulagern. Doch mehr als 20 Kilo schaffen die Winzlinge kaum. Auch mit Regen und Staub bringen nur weitere 15-20 Kilo in den Boden ein.
Und dann ist die Idee geboren, es kann nur gasförmig eingetragen werden, weil wir wissen, dass Pflanzen Stickstoff aus der Luft aufnehmen.
Doch wie dies beweisen? Die Wissenschaftler stopften ein Feld mit Sensoren voll, konstruierten Kästen, die sich vollautomatisch über Pflanzen senken, maßen den Stickstoffanteil der Luft und kamen so den geheimnisvollen Stickstoffüberschuss auf die Spur: es sind tatsächlich Weizen, Rüben Gerste und Co, die den Stickstoff im Boden versenken. Und damit machen sie aus dem Nährstoff einen Problemstoff. In der Erde wandelt sich der Stickstoff zu Stickstoffmonoxyd oder Lachgas. Lachgas zählt zu den Treibhausgasen. Es ist zwar mengenmäßig gering, hat aber die 150fache Wirkung von Kohlendioxid und ist extrem langlebig. 200 Jahre überdauert ein Lachgasmolekül in der Atmosphäre. Die Versuchsfeldern in Bad Lauchstädt verraten den Bodenforscher aber noch mehr: In ihnen finden sich die Beweise für einen rapiden Anstieg der Stickstoffeinträge: waren es bis in die 20er Jahre hinein nur 20 Kilo stiegen sie Ende der 80er auf fast das Vierfache. Für die Umweltforschung erweisen sich die landwirtschaftlichen Versuchsfelder als ideales Langzeitgedächtnis, sagt Professor Neue
Hier kennen wir die Vergangenheit und heute gilt für gute Bodenforschung im Umweltbereich sie müssen die Vergangenheit kennen, um die Zukunft vorhersagen und den jetzigen Zustand wirklich beschreiben zu können.
Und der sieht so aus: Mit 30 Kilo Stickstoff aus der Luft kalkulieren die Landwirte und kippen weitere 200 Kilo drauf, um die Pflanzen bestmöglich zu versorgen. Das ist zuviel des Guten.
Ökosysteme selbst können solche Stickstofffrachten nicht vertragen, Trockenrasen, Wälder, die jährlich mit 50 - 80 Kilo gedüngt werden, da verändern sich die Arten und einige werden ausgemerzt.
Das bedeutet: weniger Stickstoff ist besser - für die Natur. Ob auch für den Bauern ist fraglich - denn unsere heutigen Feldfrüchte sind auf maximale Stickstoffaufnahme getrimmt und vertragen bei idealen Bedingungen, wie sie in Lauchstädt herrschen, diese Mengen. Doch was, wenn sie nicht ideal sind? Wenn es mehr regnet als normal, oder die Sonne kräftiger scheint, oder der Boden sandiger ist? Dann wird aus dem Stickstoff Nitrat, das das Grundwasser vergiftet, oder es verlässt als Lachgas wieder den Boden. Die Experten diskutieren deshalb eine Obergrenze von maximal 100 Kilo Stickstoff Gesamteintrag pro Hektar, dreiviertel davon kommen - wie sie nun wissen - schon aus der Luft. Die Landwirte dürften also viel weniger düngen, als bislang üblich. Doch wie Böden auf minimale Düngung reagieren - das können die Umweltforscher nur in Dauerfeldversuchen herausfinden. Und so schließt sich der Kreis. Die ursprünglich für landwirtschaftliche Fragen angelegten Dauerfeldversuchen erweisen sich nun - so Heinz Ulrich Neue – als Goldreserve der Bodenforschung.
Dauerfeldversuche sind wie Goldbarren in der Bank.