"Ich bin nur Ausstattung, wie gemein!" zetert Martin Wuttke mit quäkiger Stimme. Im ersten Teil der neuen Saison im Volksbühnen-Prater, der sich unter der Leitung von René Pollesch zu einer Art Theater-Testlabor für sozioökonomische Theorien entwickelt hat, spielt er zum ersten Mal: Und zwar den "Bigman", den Reichen Mann, den, der eine hübsche Inneneinrichtung sein eigen nennt - ein Stück heiler Welt. In seiner Villa soll ein Videofilm gedreht werden, in dem er allerdings nicht mitspielen soll. Derweil liegt in seinem Haus die Leiche einer Frau und spuckt Geld.
Das alles ist, wie immer bei René Pollesch, ein ziemlich verrückter und doch auch nur fadenscheiniger Erzählstoff, hinter dem immerfort knallharte wirtschaftliche Fakten durchscheinen mit ihren fatalen Auswirkungen auf die kapitalismusgeschundene Kreatur: Da wäre erst einmal die theatralische Konkretisierung für die vor allem vom amerikanischen Forscher Jeremy Rifkin vertretene Auffassung, dass wir uns allmählich aus einer Besitzgesellschaft in eine Zugangsgesellschaft verwandeln. Das bedeutet, dass bestenfalls für die Benutzung von Werten vorübergehend gezahlt wird, für Dinge die man nicht mehr dauerhaft erwirbt. Wenn also Bigman Wuttke sich darüber beschwert, dass sein schönes Sofa abgefilmt werden soll, und er dabei gar keine Rolle mehr spielt, dann meint dies ziemlich genau die Trauer des reichen Mannes über die Tatsache, dass er aus seinem Besitz für sich keinen affektiven Mehrwert mehr schlagen kann. "Wie kann man meine Couch filmen und mich nicht lieben", klagt er jämmerlich. Und er legt sich breit über das Möbel, und versucht, die zivilisationshistorisch bedrohte Beziehung zum Objekt wieder herzustellen.
Das Bühnenbild von Bert Neumann hat das gestörte Verhältnis von Körper und Objekt weitergedacht: Nur in einem der vier um das Publikum herum gebauten Spielpodesten sind eine wirkliche Couch und ein wirkliches Sofa, der Rest von Bigmans Inneneinrichtung ist nichts als Großfoto: Also eine Inneneinrichtung als Landschaftstapete. Und auf der steht schon das Wort "After", so als wäre hier eine Videoeinblendung zum zeitlichen Verständnis einer ablaufenden Geschichte zu lesen.
Zu den bei Pollesch immer schon vorhandenen Reflexionen über die Beziehung von Besitz und Gefühl, Geld und Sex, Körper und Ökonomie, Objekt und Abbild gesellt sich in dieser Prater-Saga nun erstmalig das Motiv der okkulten Ökonomie. Nach dem Wüstenzelt der vergangenen Spielzeit ist ein bürgerliches afrikanisches Zuhause das Dekor, eine Wohnung, in der eines der nigerianischen Horrorvideos gedreht werden könnte, einem der Genre, mit dem "Nollywood" seit Jahren boomt. Es war mit der wirtschaftlichen Krise in der Mitte der 80er Jahre in dem afrikanischen Land entstanden, mit dem Kultfilm "Living in Bondage", in dem es um okkulte Menschenopfer gegangen war und um plötzlichen unerklärlichen Reichtum.
Blut gegen Geld, Menschenopfer als wirtschaftliche Überlebens- bzw. Bereicherungsstrategie. Von Giorgio Agamben führt der Weg schnell zum Voodoo der Yoruba. Zumindest für René Pollesch, der gerne gegen die brutale Logik der Zerstörung durch wirtschaftliche Prozesse, gegen die chaotische Logik der Gewinnsteigerung eine noch unvorhersehbarere des menschlichen Verhaltens setzte. Damit ein Rest Autonomie bleibt, zumindest eine, die dem Kinderspiel vergleichbar wäre. Wenn Volker Spengler einen Dirigenten mimt, der mit verzücktem Gesichtsausdruck ein Orchester dirigiert und dabei in seinen rhythmischen Armbewegungen Seitenhiebe auf den untreuen Lover austeilt, das Sublime mit dem Schäbigen in die gleiche kindisch karikierende Form bringt, oder wenn der Protest gegen den Verrat des Selbst in einzelnen herausgebrüllten Worten aus den Akteuren herausbricht, dann steht auch dieser Abend ganz in der schon etablierten Pollesch-Tradition. Dieses Theater geht, mit seinen läppischen Einspielungen von kitschigen Filmmusiken, mit seiner bunten Als-Ob-Welt und seinen grell gestikulierenden und ununterbrochen quasselnden Akteuren gegen die Macht der falschen Bilder und falschen Gefühle an. Es versucht Bildern mit Bildern totzuschlagen. Dem Richtigen durch was richtig Falsches aufzuhelfen. Aber gegen Ende machen diesmal ungeahnt elegische Töne Sinn- und Wirklichkeitsverluste kennlicht. Dann bringt der Abend mit einem Mal, in seinen ruhigen Momenten, die Trauer über das verlorene wirkliche Leben zum Ausdruck.
Das alles ist, wie immer bei René Pollesch, ein ziemlich verrückter und doch auch nur fadenscheiniger Erzählstoff, hinter dem immerfort knallharte wirtschaftliche Fakten durchscheinen mit ihren fatalen Auswirkungen auf die kapitalismusgeschundene Kreatur: Da wäre erst einmal die theatralische Konkretisierung für die vor allem vom amerikanischen Forscher Jeremy Rifkin vertretene Auffassung, dass wir uns allmählich aus einer Besitzgesellschaft in eine Zugangsgesellschaft verwandeln. Das bedeutet, dass bestenfalls für die Benutzung von Werten vorübergehend gezahlt wird, für Dinge die man nicht mehr dauerhaft erwirbt. Wenn also Bigman Wuttke sich darüber beschwert, dass sein schönes Sofa abgefilmt werden soll, und er dabei gar keine Rolle mehr spielt, dann meint dies ziemlich genau die Trauer des reichen Mannes über die Tatsache, dass er aus seinem Besitz für sich keinen affektiven Mehrwert mehr schlagen kann. "Wie kann man meine Couch filmen und mich nicht lieben", klagt er jämmerlich. Und er legt sich breit über das Möbel, und versucht, die zivilisationshistorisch bedrohte Beziehung zum Objekt wieder herzustellen.
Das Bühnenbild von Bert Neumann hat das gestörte Verhältnis von Körper und Objekt weitergedacht: Nur in einem der vier um das Publikum herum gebauten Spielpodesten sind eine wirkliche Couch und ein wirkliches Sofa, der Rest von Bigmans Inneneinrichtung ist nichts als Großfoto: Also eine Inneneinrichtung als Landschaftstapete. Und auf der steht schon das Wort "After", so als wäre hier eine Videoeinblendung zum zeitlichen Verständnis einer ablaufenden Geschichte zu lesen.
Zu den bei Pollesch immer schon vorhandenen Reflexionen über die Beziehung von Besitz und Gefühl, Geld und Sex, Körper und Ökonomie, Objekt und Abbild gesellt sich in dieser Prater-Saga nun erstmalig das Motiv der okkulten Ökonomie. Nach dem Wüstenzelt der vergangenen Spielzeit ist ein bürgerliches afrikanisches Zuhause das Dekor, eine Wohnung, in der eines der nigerianischen Horrorvideos gedreht werden könnte, einem der Genre, mit dem "Nollywood" seit Jahren boomt. Es war mit der wirtschaftlichen Krise in der Mitte der 80er Jahre in dem afrikanischen Land entstanden, mit dem Kultfilm "Living in Bondage", in dem es um okkulte Menschenopfer gegangen war und um plötzlichen unerklärlichen Reichtum.
Blut gegen Geld, Menschenopfer als wirtschaftliche Überlebens- bzw. Bereicherungsstrategie. Von Giorgio Agamben führt der Weg schnell zum Voodoo der Yoruba. Zumindest für René Pollesch, der gerne gegen die brutale Logik der Zerstörung durch wirtschaftliche Prozesse, gegen die chaotische Logik der Gewinnsteigerung eine noch unvorhersehbarere des menschlichen Verhaltens setzte. Damit ein Rest Autonomie bleibt, zumindest eine, die dem Kinderspiel vergleichbar wäre. Wenn Volker Spengler einen Dirigenten mimt, der mit verzücktem Gesichtsausdruck ein Orchester dirigiert und dabei in seinen rhythmischen Armbewegungen Seitenhiebe auf den untreuen Lover austeilt, das Sublime mit dem Schäbigen in die gleiche kindisch karikierende Form bringt, oder wenn der Protest gegen den Verrat des Selbst in einzelnen herausgebrüllten Worten aus den Akteuren herausbricht, dann steht auch dieser Abend ganz in der schon etablierten Pollesch-Tradition. Dieses Theater geht, mit seinen läppischen Einspielungen von kitschigen Filmmusiken, mit seiner bunten Als-Ob-Welt und seinen grell gestikulierenden und ununterbrochen quasselnden Akteuren gegen die Macht der falschen Bilder und falschen Gefühle an. Es versucht Bildern mit Bildern totzuschlagen. Dem Richtigen durch was richtig Falsches aufzuhelfen. Aber gegen Ende machen diesmal ungeahnt elegische Töne Sinn- und Wirklichkeitsverluste kennlicht. Dann bringt der Abend mit einem Mal, in seinen ruhigen Momenten, die Trauer über das verlorene wirkliche Leben zum Ausdruck.