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105 Tage Isolation

Raumfahrt.- 105 Tage hat der Bundeswehrhauptmann Oliver Knickel isoliert von der Außenwelt verbracht. Zusammen mit fünf Kollegen simulierte er in einem Moskauer Versuchslabor einen Flug zum Mars. Nun ist das Langzeitexperiment vorbei und erste Ergebnisse liegen vor.

Von Guido Meyer | 25.08.2009
    "Das kann man vergleichen mit ’Täglich grüßt das Murmeltier’. Es ist auf einer Tagesbasis nicht schlimm, diesen Tag zu verbringen, aber wenn man weiß: Der morgige Tag wird genauso sein, übermorgen genauso, in einem Monat auch, und - je nachdem wie lange man dann unterwegs ist - , vielleicht auch in einem halben Jahr oder in einem ganzen Jahr wird genau dasselbe passieren wie heute, gestern und vorgestern, dann ist das doch eine sehr starke psychologische Belastung."

    105 Mal ist für Oliver Knickel täglich dasselbe passiert. Jedenfalls so ungefähr. Genauso wie es auf einer bemannten Expedition zum Mars wäre. In einem solchen Raumschiff wäre die Besatzung während der Hin- und Rückreise zum und vom Roten Planeten etwa zehnmal so lange in der gleichen Umgebung zusammengefercht, ohne große Abwechslung.

    "Ein Problem ist, dass man auf diesem beengten Raum doch Probleme hat, sich zu konzentrieren. Ich hab auch gedacht, ’wenn Du 105 Tage Zeit hast, dann kannst Du ja drei Studiengänge parallel machen’. Das ist aber nicht so. Der Geist ist nicht so frei. Die Gesamt-Konzentrationsfähigkeit lässt meiner Ansicht nach nach. Ich denke, das liegt an dem engen Raum und wahrscheinlich auch an der Isolation, dass vielleicht auch die fehlenden Reize für das Gehirn das Gehirn vielleicht ein bisschen ... ich will nicht sagen verdummen lassen, aber weniger flexibel machen."

    Für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt war das Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln am Moskauer Experiment beteiligt. Dessen Leiter, Rupert Gerzer, über die mentalen Herausforderungen von Langzeitisolation.

    "In einer Crew, da sind sechs Leute, die sind auf dem Weg zum Mars. Sechs Leute sind gleich gut trainiert. Und jetzt tritt nach sieben Monaten ein Problem auf. Wer von diesen Sechs ist am besten in der Lage, dieses Problem zu lösen? Das ist eine wichtige Frage, weil es dann unter Umständen ums Überleben geht. Und da geht’s darum nicht, was hat man gelernt, sondern, was hat man noch nicht vergessen. Leistungsfähigkeit heißt, wir wissen, wie gut einer ne Aufgabe erledigt. Aber wir gehen noch ’nen Schritt weiter und sagen, wir messen auch wie gestresst jemand dabei ist, wie der Blutdruck reagiert, wie die Herzfrequenz, ob er anfängt zu schwitzen oder nicht und so weiter."

    Diese Daten vergleichen die Wissenschaftler auf der Erde dann mit den erbrachten Leistungen und entscheiden so, welcher Astronaut für die jeweilige Aufgabe infrage kommt. Eines der medizinischen Experimente betraf die Auswirkungen der Einnahme von Salz auf den menschlichen Körper, das die Mediziner im kommenden Jahr während der Mission Mars 500 vertiefen wollen, so Rupert Gerzer.

    "Wir haben selber auch durch Experimente festgestellt, dass man, wenn man viel Kochsalz zu sich nimmt, dass da auch der Knochenabbau stimuliert wird. Das ist etwas, was ne Riesenbedeutung hat, weil ja die ältere Generation osteoporosebedroht ist. Dass die Zufuhr von Kochsalz im Essen was mit dem Knochen zu tun hat, ist einfach uns nicht bekannt. Und jetzt nutzen wir diese große Mars-500-Studie eben auch, um hier zu sehen, was macht auf Langzeit verschiedene Salzzufuhr auf den Knochenstoffwechsel, ist da Knochenabbau beteiligt oder nicht."

    Für Oliver Knickel ist mit der 105-Tage-Mission die fiktive Reise zum Mars beendet. Als Astronaut hat sich der Hauptmann bei der Europäischen Weltraumagentur ESA nicht beworben, und für die 500-Tage-Studie will Knickel auch nicht zurück in den Container.

    "Ich möchte aber trotzdem alles Wissen, was ich erlernt habe, an diese 520-Tage-Crew weitergeben, um deren Arbeit so sehr wie möglich zu erleichtern. 520 Tage Isolation – das hat noch nie ein Mensch auf der Erde gemacht, das hat noch nie überhaupt ein Mensch gemacht. Und da muss man im Vorfeld, in der Vorbereitung wirklich alles so in die Wege leiten, um jegliche Schwierigkeiten im Vorfeld zu minimieren. Ausschließen wird man’s nicht können."