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11.000 Meter unter dem Meer

Elf Kilometer ist der Mariannengraben im Westpazifik tief. Welche Lebensformen es dort unten gibt, ist wenig erforscht. Dr. Frank Wenzhöfer vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung hat nun Tauchroboter hinunter geschickt.

18.03.2013
    Jochen Steiner: Den tiefsten Punkt der Erde findet man vermutlich im Westpazifik, im Marianengraben. Elf Kilometer geht es dort runter. Es ist deshalb nicht einfach herauszubekommen, wie es dort unten aussieht und ob es Leben in dieser großen Tiefe gibt. Ein internationales Forscherteam hat die Expedition gewagt. Einer der Wissenschaftler ist Dr. Frank Wenzhöfer. Er arbeitet am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Ich habe ihn vor der Sendung gefragt, wie man es schafft, in so großer Tiefe zu arbeiten?

    Frank Wenzhöfer: Wir müssen dafür spezielle Messgeräte entwickeln, die eben dem Druck standhalten können, damit wir direkt vor Ort arbeiten können.

    Steiner: Aber Sie sind nicht selbst dort hinuntergetaucht. In elf Kilometern Wassertiefe stelle ich mir den Druck sehr unmenschlich vor.

    Wenzhöfer: Ja, das ist ein Druck, der das 1100-Fache von dem ist, was wir an der Meeresoberfläche haben. Und dafür entwickeln wir Geräte, die dort für uns arbeiten.

    Steiner: Das heißt, ein Tauchroboter ist das vermutlich.

    Wenzhöfer: Die sind so ähnlich wie Tauchroboter – wir nennen das Lander-Systeme, da sie am Meeresboden landen und dann für uns vorprogrammierte Messungen durchführen.

    Steiner: Was haben Sie dort unten im Mariannengraben gefunden?

    Wenzhöfer: Erstaunlicherweise zu dem, was wir sonst annehmen würden, eine sehr hohe mikrobielle Aktivität. Das heißt, sehr viel organisches Material sinkt ab, was dieses Mikroben dann umsetzen können und damit dann eine hohe Biomasse bilden können.

    Steiner: Wir haben es angesprochen – diesen extrem hohen Wasserdruck, es ist stockdunkel: Wie können denn diese Mikroorganismen, die sie gefunden haben, dort unten überleben?

    Wenzhöfer: Das Leben in der Tiefsee hängt generell von dem organischen Material ab, was an der Oberfläche gebildet wird und dann durch die Wassersäule absinkt. Und je mehr Material natürlich absinkt, desto mehr ist für die Tiere vorhanden, um das zu veratmen und dann auch eben neue Biomasse zu bilden.

    Steiner: Die müssen ja dann wirklich sehr speziell angepasst sein. Können Sie da schon etwas drüber sagen?

    Wenzhöfer: Natürlich sind diese Tiere und auch die Mikroorganismen speziell an diese Drücke angepasst – vor allen Dingen die Stoffwechselmechanismen. Aber der Hauptaspekt, ohne Druck zu spüren, ist ja vor allen Dingen, wenn man Lufteinschlüsse hat. Und die Mikroorganismen haben natürlich keine Lufteinschlüsse. Die sind schon speziell an diese Drücke angepasst, aber die haben natürlich den Vorteil, dass die eben ohne irgendwelche Luftkompartimente arbeiten können und somit sich dann speziell an diese Tiefen und an diese Drücke anpassen können.

    Steiner: Das organische Material, Sie hatten es eben gesagt, sinkt von oben nach unten ab. Aber nicht alles organische Material kommt auf diese Art und Weise dorthin, oder?

    Wenzhöfer: Nein. Speziell in diesen Tiefseegräben haben wir natürlich das Phänomen, dass es sehr steile Flanken gibt. Und an diesen Flanken kann natürlich das Material auch absinken und führt dazu, dass sich mehr Material ansammelt. Zusätzlich funktionieren diese Gräben auch wie Trichter. Das heißt, sie kanalisieren das organische Material noch viel stärker, sodass es am Meeresboden ankommt in den Tiefen.

    Steiner: Können Sie denn schon sagen, welche Mikroorganismen dort unten leben?

    Wenzhöfer: Diese Analysen sind noch in der Bearbeitung. Wir haben Proben genommen – sodass wir den Vergleich zwischen den Mikroorganismen, die bei 6000 Metern, was wir als flache Station bezeichnen in unserer Studie und den bein 11.000 Metern untersuchen. Aber diese Untersuchungen sind noch im Gange und wir erwarten diese Ergebnisse in den nächsten Tagen und hoffen, Sie dann auch veröffentlichen zu können.

    Steiner: Können Sie denn jetzt schon etwas über das Ökosystem dort unten im Mariannengraben sagen?

    Wenzhöfer: Wir sehen, dass wir einen doppelt so hohen Umsatz haben wie in den flacheren Stationen, oder was wir erwarten würden, wenn man das von flacheren Stationen … würde. Das heißt, wir haben da einen höheren Umsatz. Und auch wenn die Tiefseegräben nur zwei Prozent des Meeresbodens ausmachen, haben Sie dann doch einen gewissen Einfluss auf diesen Kohlenstoffkreislauf im Meer und damit auch auf die Rückhaltung des Kohlenstoffs und CO2 in unserem globalen System.

    Steiner: In Zukunft wollen Sie jetzt also in weiteren Studien herausbekommen, was genau dort unten lebt. Helfen diese Daten noch für weitere Analysen in anderen Bereichen?

    Wenzhöfer: Es ist hauptsächlich, um den Kohlenstoffkreislauf der Meere besser verstehen zu können. Und diese Studie ist ja bisher nur an einem Graben. Und wir jetzt auch Messungen am Japangraben vorgenommen im letzten Jahr und wollen dieses Jahr in den Tongagraben – das ist die zweittiefste Stelle – um zu sehen, ob sich dieses Szenario denn wiederholt und wie weit verbreitet diese erhöhte Aktivität in den Tiefseegräben ist und welchen Einfluss sie dann letztendlich auf den globalen Kohlenstoffkreislauf hat.