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11.9. - Ein verschwörungstheoretisches Buch zu den Terroranschlägen auf die USA

Der Jahrestag wirft schon lange seine Schatten voraus: Heute in einer Woche jährt sich das Datum des 11. September. Die Wunden, die an diesem Tag nicht nur der amerikanischen Seele geschlagen wurden, sind nicht vernarbt. An Vermutungen und Erklärungen über Ursachen und Hintermänner der Terrorangriffe hat es seither nicht gemangelt und - wie immer bei so großen Katastrophen oder traumatischen Ereignissen - auch nicht an Verschwörungstheorien.

Ein Interview von Rainer B. Schossig |
    Schossig: Sie haben diesem Thema ein Buch gewidmet; "Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11. 9.", soeben erschienen bei Zweitausendeins. - Ihre zentrale These ist, die verbreitetste aller dieser unbewiesenen Verschwörungstheorien sei die offizielle, dass nämlich Osama bin Laden und Al Quaida dahintersteckten. Da erhebt sich gleich die Frage nach dem verschwörerischen Urheber dieser Theorie?

    Bröckers: Also bei mir tauchte zum ersten Mal direkt am 11. September bei Beobachtung der Ereignisse im Fernsehen der Verdacht auf, dass Bin Laden dahinterstecken könnte. Einen Tag später haben wir den Verdacht insofern spezifiziert als wir gehört haben, 19 Highjacker haben diese Flugzeuge entführt und haben versucht, eben diese in die Türme zu lenken, das heißt diese Bin Laden-Theorie ist seit dem 11. September die amtliche Theorie, die in Washington und von allen anderen westlichen Regierungen im Prinzip ja auch vertreten wird, und die zum Anlass ausreichte, um Krieg gegen Afghanistan zu führen, um die Homeland-Security und den Patriot-Act, also die innenpolitischen Veränderungen in den USA durchzuziehen. Da haben wir eigentlich schon ein ziemlich gutes Bild der Struktur, wie Verschwörungstheorien funktionieren. Sie vereinfachen nämlich komplexe, komplizierte Zusammenhänge und reduzieren sie auf einen einfachen Sündenbock.

    Schossig: Angemessene Verschwörungstheorien, sagen Sie, seien heutzutage nötig, um Verständnis unserer komplexen Welt überhaupt zu ermöglichen. Warum?

    Bröckers: Weil wir, wie an diesem 11. September wunderbar und sehr präzise zu beobachten ist, dieses Ereignis überhaupt nicht erklären können, wenn wir keine Theorie der Verschwörung haben. Es war offenbar eine Verschwörung von Hintermännern und Leuten, die bis heute unbekannt sind, die sich diesen grauenhaften Anschlag ausgedacht haben, die entsprechende Vorbereitung getroffen haben, die die Täter instruiert und mit Geld ausgestattet haben, und die sie in diese Flugzeuge gesetzt haben, um das auszuführen. Diese Verschwörung hat stattgefunden. Wir kennen aber bis heute nicht die Hintermänner und haben dazu nur eine Theorie. Wir brauchen deshalb diesen, wie ich ihn nenne, konspirologischen Blick, also den Blick, der hinter der auf dem ersten Blick offenbarende Realität schaut und fragt: Was und wer steckt dahinter?

    Schossig: Sind wir da eigentlich irgendwie weiter als frühere Jahrhunderte? Früher waren es ja Dinge, die dem Glauben dann überantwortet wurden. Da gab es Gottesurteile. Sie sagen in Ihrem Buch: Gott ist neutral. Sind wir wieder auf Glaubensfragen angewiesen? Denn beweisbar sind in der Regel Verschwörungstheorien nicht, sondern sie dienen eher dazu, die öffentliche Hysterie anzuschüren.

    Bröckers: Verschwörungstheorien haben sozusagen ihr historisches Pendant in der mittelalterlichen Dämonologie. Diese Theorien darüber, wo überall und mit welchen Absichten der Teufel steckt. Die Dämonologen des Mittelalters hatten eben auch eine wunderbare Schleife in ihre Teufelstheorien eingebaut, dass derjenige, der diese Theorie bestreitet, selbst vom Teufel besessen ist. Und ganz ähnlich ist es jetzt bei der Verschwörungstheorie im Falle des 11. Septembers. Wer bestreitet oder nur Zweifel darüber äußert, dass Osama Bin Laden und seine Truppe das begangen haben, der wurde auch von Präsident Bush automatisch der Achse des Bösen subsumiert. "Entweder mit uns oder gegen uns", also wer nicht glaubt, dass Osama Bin Laden der Teufel ist und dies begangen hat, ist selbst des Teufels. Insofern haben wir eine wunderbare Parallele, und ich würde Ihre These unterschreiben, dass wir uns letztendlich wenig fortbewegt haben in den letzten 500 Jahren, was jetzt die massenpsychologische Beeinflussung durch solche Theorien angeht. Ob es jetzt nur, wie gesagt, ein Teufel mit spitzen Hörnern und Dreizack, oder ob es ein bärtiger Terrorist ist, ist eigentlich relativ wenig Unterschied.

    Schossig: Große Unterschied gibt es schon im Vergleich zu früher, weil wir in einer Welt der Medien leben, in einer Welt der Mediensimulation, und sie sagen, solche Drahtzieher, von denen man ja interessanterweise auch früher schon sprach, seien umso plausibler als wir sozusagen in einer völlig verdrahteten medial vorgespiegelten Welt nur noch leben. Ist es nicht aber auch eine neue Mystifizierung?

    Bröckers: Würde ich nicht sagen, weil in den letzten zwei, drei Jahrzehnten hat sich unser Geld- und Finanzsystem dramatisch geändert. Wir haben heute durch die Konzentration auch in der Finanz- und Wirtschaftswelt tatsächlich eine Situation, die man vor vielleicht einem halben Jahrhundert noch als naive Verschwörungstheorie hätte hinstellen müssen, dass wirklich in der Hand von wenigen Dutzend Menschen eine unglaubliche Macht versammelt ist. Insofern, denke ich, ist man heute naiv, wenn man das, was die Medien uns zeigen, wie die Welt angeblich sei, für bare Münze nimmt und nicht dahinter schaut, wer denn wo und wie die Fäden und die Strippen zieht. Heute würde ich sagen: Wer keine Verschwörungstheorie mehr hat, der kann eigentlich unsere Welt, so wie sie im Moment strukturiert ist, nicht mehr richtig begreifen.

    Schossig: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für den investigativen Journalismus?

    Bröckers: Ich denke, dass unsere Medien, auch mein Berufsstand - ich bin ja auch seit 25 Jahren Journalist - versagt haben bei dem 11. September, was die investigativen Aufgaben betrifft. Als Vierte Gewalt im Staat sollen die Medien auch Kontrollaufgaben ausüben, selbständig, autonom, unabhängig recherchieren und diese Ergebnisse einer Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Und das ist, finde ich, seit dem 11. September im großen Stil ausgeblieben. Die Medien haben in der Regel die Propaganda des Pentagons wiederholt. Sie waren gerade gestern wieder im Spiegel. Es werden immer noch diese 19 Entführer präsentiert, wo wir heute schon längst wissen, dass sieben von ihnen noch leben, also da wurden nur die Pässe benutzt. Wer war es denn wirklich? Wer steckt denn wirklich dahinter? Diese ganzen Fragen werden einfach nicht mehr untersucht, und das ist das, was mich eigentlich am meisten neben den Toten und dem Unglück, das passiert ist, entsetzt, dass die Medien in eine Art Trance verfallen sind. Ich habe die Hoffnung, dass vielleicht jetzt zum Jahrestag zumindest der eine oder andere aufwacht und sagt: Last uns mal diese Hunderte von Ungereimtheiten, die es gibt, nochmals genauer anschauen.

    Schossig: Vielen Dank für das Gespräch.

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