
Sonntagmorgen, kurz vor elf. Besucher drängen durch die Eingänge der Tonhalle Düsseldorf. Gleich werden sie die drei Finalisten des diesjährigen elften Internationalen Aeolus-Bläserwettbewerbs erleben. Mitarbeiter verteilen Programmhefte und schmale Zettel in kräftigem Violett. Darauf soll das Publikum später seinen Favoriten für den Publikumspreis notieren. Gesucht ist, wer mit seinem Spiel am meisten berührt.
Musik: David, Concertino op. 4
Erste Aeolus-Gewinnerin
Die meisten Zuschauer in der Düsseldorfer Tonhalle gaben ihre Stimme der Posaunistin Louise Pollock. Die 28-Jährige, die seit 2015 erste Soloposaunistin an der Oper Göteborg in Schweden ist, überzeugte allerdings nicht nur das Publikum, sondern auch die Experten-Jury. Nach drei kraftzehrenden Wettbewerbsrunden mit anspruchsvollem Repertoire und einer überzeugenden Interpretation des Concertinos von Ferdinand David im Finale erhielt die Schwedin als erste Frau in der Geschichte des jungen Wettbewerbs den ersten Preis. Dabei war Gewinnen nicht ihr erstes Ziel.
"Ich freu mich hier zu sein und natürlich möchte man gut spielen, aber ich bin vor allem gekommen, um der Jury vorzuspiele, meinen Kollegen zuzuhören und inspiriert zu werden. Und ich bin sehr zufrieden."
Vielleicht hat diese Gelassenheit mit dazu beigetragen, dass Louise Pollock ihre fast ausschließlich männlichen Mitstreiter souverän überholte. Für Posaune, Tuba und Trompete war der diesjährige Aeolus-Bläserwettbewerb ausgeschrieben. Von den 84 Trompetern, 64 Posaunisten und 31 Tubisten erspielte sich Constantin Hartwig mit der als Soloinstrument noch wenig etablierten Tuba den zweiten Preis.
Musik: Strukow, Tuba Concerto
Musikalische Eliteförderung – das hatte der Bankier Sieghardt Rometsch im Sinn, als er sich 2001 einen Traum erfüllte und den Internationalen Aeolus-Bläserwettbewerb in Düsseldorf ins Leben rief. Der Youngster unter den Wettbewerben startete gleich durch. Denn ein Blick auf die Liste der World Federation of International Music Competitions zeigte: Wettbewerbe für Bläser sind rar gesät.
Holz und Blech auf dem Programm
Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Saxophon, Trompete, Horn, Posaune, Tuba: Jeweils drei der Instrumente stehen seither fächerübergreifend Jahr für Jahr im Mittelpunkt des Wettbewerbs. Die Frage, ob ein lyrisches Instrument wie das Horn neben einer extrovertierten Trompete bestehen können würde und etablierte Soloinstrumente nicht einen Vorteil gegenüber solchen Instrumenten haben würden, die sich mit ihrem Solorepertoire die Gunst von Veranstaltern und Publikum erst noch erobern müssen, hat der Aeolus-Wettbewerb mit den Jahren durch seine Preisträger in allen Instrumenten selbst beantwortet. Längst ist der Wettbewerb Mitglied der World Federation of International Music Competitions und damit gleichauf mit den Großen in München, Brüssel oder Warschau. Die Qualität eines Wettbewerbs steht und fällt mit der Zusammensetzung der Jury, die beim Aeolus-Wettbewerb auch in diesem Jahr erneut hochkarätig besetzt war. Unter anderem mit dem vielleicht bedeutendsten klassischen Soloposaunisten unserer Zeit, Christian Lindberg. Er gehörte allerdings nicht nur zur achtköpfigen Jury, sondern dirigierte beim Finale die Düsseldorfer Symphoniker und hatte eigens für den Wettbewerb das Stück "Black Hawk Eagle" komponiert. Eine spieltechnische Tour de Force.
Musik: Lindberg, Black Hawk Eagle
Mit Stücken wie "Black Hawk Eagle" von Christian Lindberg werden die Anmeldezahlen beim Aeolus Wettbewerb von vorneherein auf ein Maß begrenzt, das der kleine Mitarbeiterstab bewerkstelligen kann. Klasse statt Masse. Einen wohl noch entscheidenderen Grund für die Auswahl des Repertoires erläutert der Trompeter und diesjährige Juror Klaus Schuhwerk.
"Wir hatten 84 Trompetenanmeldungen und Herr Dr. Rometsch bat mich, auszusortieren oder eine Vorauswahl zu treffen und ich habe mich geweigert sie zu machen. Ich habe gesagt, wir laden alle ein, die sich beworben haben, weil ich doch finde, dass das Entscheidende die Teilnahme am Wettbewerb ist."
Dabeisein ist wichtig
Denn selbst wer nur die erste Runde schafft, hat für seine musikalische Entwicklung durch die monatelange aufführungsreife Vorbereitung der Stücke enorm gewonnen, bestätigt auch Wettbewerbsgründer Sieghard Rometsch.
"Deswegen gibt es auch bei diesem Wettbewerb überhaupt kein Scheitern. Das Antreten ist die eigentliche Leistung. Alles Weitere hängt von Tagesform und allen möglichen Dingen ab. Aber so ein anspruchsvolles Repertoire und eine solche Jury bietet doch eine enorme Chance für die eigene musikalische Fortentwicklung."
Die wettbewerbseigene Statistik gibt Sieghard Rometsch recht. Wiener Philharmoniker, Gewandhausorchester Leipzig, Bamberger Symphoniker, Russisches Nationalorchester, Mozarteum Orchester Salzburg - viele einstige Preisträger des Aeolus-Wettbewerbs haben heute Solopositionen in führenden Orchestern und sind Professoren an renommierten Hochschulen. Hundert und mehr Bewerber für eine Soloposition in einem großen Orchester sind keine Seltenheit. Die Auszeichnung eines Wettbewerbs kann das Zünglein an der Waage sein, zumindest um für ein Probespiel eingeladen zu werden. Für die nächste Aeolus-Runde in Düsseldorf im September 2017 spielen sich Flötisten, Klarinettisten und Saxophonisten aus aller Welt schon einmal warm.
Musik: David, Concertino op. 4