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125.000 Fässer

Umwelt.- Wie das einsturzgefährdete Atommülllager Asse II geschlossen werden soll, wird heftig diskutiert. Nun hat das Bundesamt für Strahlenschutz neue Studien darüber veröffentlicht, wie der Abfall gesichert werden kann. Eine Möglichkeit: Mithilfe von Robotern.

Wissenschaftsjournalist Björn Schwentker im Gespräch mit Michael Böddeker | 02.10.2009
    Michael Böddeker: Herr Schwentker, hat man damit nun festgelegt, was mit dem Müll in der Asse geschehen soll?

    Björn Schwentker: Nein, das hat man endgültig noch nicht. Weiterhin sind drei Optionen im Rennen. Aber die Hinweise verdichten sich so langsam, welche Methode am geeignetsten sein könnte. Es sind drei Möglichkeiten im Gespräch. Die erste wäre, den Atommüll, das sind 125.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll, herauszuholen aus dem Bergwerk und in ein anderes sicheres Lager zu bringen. Die zweite Möglichkeit wäre, den Müll einfach zu lassen, wo er ist. Dann hat man aber das Problem, dass die Kammern dort unten im Bergwerk drohen einzustürzen, weil der Berg von oben quasi darauf drückt. Darum würde man bei dieser Option die Hohlräume mit einem bestimmten Beton verfüllen und auch mit einer bestimmten Schutzflüssigkeit, die verhindern soll, dass der Berg sich quasi auflöst. Denn das Problem da unten ist, dass die Kammern aus Salzstein sind. Wenn dort Wasser eindringt, dann löst sich das Salz und alles kann zusammenbrechen. Und unter dem Druck Radioaktivität an die Oberfläche spülen. Das soll die Schutzflüssigkeit verhindern, weil sie sich im Salz nicht lösen würde. Und die dritte Möglichkeit schließlich wäre, den Müll heraus zu holen aus den Salzsteinkammern, 500 Meter tiefer wieder zu vergraben in neuen Kammern, die nicht aus Salzstein sind und darum nicht wasserlöslich.

    Böddeker: Also diese drei Möglichkeiten gibt es. Verdichten sich denn die Hinweise, welche dieser Optionen gewählt wird?

    Schwentker: Ja, die Informationen aus den neuen Studien lassen nun die Option der Rückholung in einem immer günstigerem Licht erscheinen. Das galt schon immer als die langfristig sicherste Variante. Denn wenn man den Müll rausholt, aus der Asse, dann kann dort unten ja keine Radioaktivität mehr freigesetzt werden. Aber gegen das Rausholen sprach immer, dass dabei die Arbeiter und auch vielleicht die Anwohner in Gefahr geraten könnten. Denn die Fässer, die dort unten lagern, sind zu Teil kaputt. Man würde dann, wenn man damit hantiert, in Berührung mit Radioaktivität kommen. Das ist gefährlich. In der neuen Machbarkeitsstudie nun heißt es, dass dies alles, diese ganzen Arbeiten, unbemannt möglich wären, mit Robotern. Und das wäre ein starkes Argument für die Rückholung, denn die Menschen würden dabei quasi nicht mehr gefährdet, keine radiologischen Grenzwerte mehr überschritten.

    Böddeker: Ist damit die Variante, die Asse einfach mit Flüssigkeit und Beton zu füllen, ist die schon vom Tisch?

    Schwentker: Nein, ist sie noch nicht. Also offiziell soll die Entscheidung sowieso erst im Dezember fallen, wenn die Optionen alle öffentlich diskutiert worden sind. Und für diese ungeliebte sogenannte Verfüllung spricht, dass dabei unter Garantie niemand heute zu schaden kommt. Denn der Müll bleibt ja drin, er wird nicht angefasst. Doch die neuen Studien nähern nun sehr starke Zweifel, dass diese Option der Verfüllung langfristig sicher ist. Dort heißt es wörtlich, die Option kann derzeit nicht als robust eingestuft werden. Grund: Es sei unkalkulierbar, wie das Deckgebirge die Kammern zusammenpressen könnte und wann dort alles zusammenstürzen könnte, um dann in dieser Schutzflüssigkeit tatsächlich Radioaktivität nach oben zu pressen. Und so deutlich formuliert, ist das schon ein starkes Argument gegen diese Verfüllung eigentlich.

    Böddeker: Sieht das dann nicht alles danach aus, dass es darauf hinausläuft, dass man den Müll dort herausholt?

    Schwentker: Naja, die Bevölkerung hätte das sicherlich am liebsten. Denn sie möchte, dass dort einfach alles rausgeholt wird. Allerdings galt das bisher nicht nur als die schwierigste Option, sondern auch als die langwierigste Option. Das sieht aber nun nach den neuen Studien auch schon wieder besser aus. Dort wird eine Variante vorgestellt, wenn man nur 70 Prozent des entscheidenden Abfalls rausholen würde, wäre man nach drei Jahren schon fertig. 100 Prozent des Mülls könnte man in 7,7 Jahren rausholen, so heißt es dort. Und das wäre in der Tat sogar noch schneller als die acht Jahre für die ungeliebte Verfüllungsoption.

    Böddeker: Also das Rückholen wäre am schnellsten und langfristig sicher. Aber die Entscheidung fällt erst im Dezember. Vielen Dank, das war mein Kollege Björn Schwentker zu den Gutachten über die Zukunft des Atommülllagers Asse II, die heute vorgestellt wurden.