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125. Geburtstag der KPD-Politikerin Ruth Fischer
Im Visier von Stalin und Hitler

Die am 11. Dezember 1895 in Leipzig geborene Ruth Fischer war die erste Frau an der Spitze einer kommunistischen Partei und trimmte die KPD auf bolschewistischen Kurs. Doch von Stalin verfemt, flog sie aus der Partei. Als erbittertere Antikommunistin verbrachte sie, weithin vergessen, ihren Lebensabend im Exil.*

Von Otto Langels | 11.12.2020
    Ein schwarzweißes Foto zeigt die ehemalige deutsche Kommunistin Ruth Fischer während eines Vortrags im Mai 1951 in Frankfurt am Main, auf einen Tisch gestützt, umgeben von fünf  Männern in Anzügen
    Die einstige KPD-Chefin Ruth Fischer 1951 bei einem Vortrag in Frankfurt am Main (dpa)
    "Ich war Mitglied der Kommunistischen Partei und aktiv an ihr beteiligt, weil ich ein anderes Deutschland erstrebte, ein Deutschland, das nicht in die Arme des Nazismus fallen sollte", erklärte Ruth Fischer 1951 in einem Interview, als sich die einstige Vorsitzende der KPD längst vom Kommunismus abgewandt hatte. "Mir schwebte ein freies und unabhängiges und, wenn ich das sagen darf, demokratisches und sozialistisches Deutschland vor."
    Ruth Fischer wurde als Elfriede Eisler am 11. Dezember 1895 in Leipzig geboren und wuchs in Wien auf. Ihre Brüder waren der Komponist Hanns und der spätere SED-Politiker Gerhart Eisler.
    Wortführerin des linken KPD-Flügels
    Sie studierte Philosophie und Nationalökonomie, heiratete und gründete nach der Revolution 1918 mit Gleichgesinnten die Kommunistische Partei Österreichs, voller Hoffnungen hinsichtlich einer künftigen sozialistischen Welt. Die junge Kommunistin gehörte zu den treibenden Kräften der Unruhen in Wien im Winter 1918/19, siedelte dann aber nach Berlin über. Dort gehörte sie zum linken Flügel der KPD und profilierte sich unter dem Pseudonym Ruth Fischer als radikale intellektuelle Wortführerin. Zeitgenossen beschrieben sie als mitreißende Rednerin. Während eines vorübergehenden KPD-Verbots wurde sie steckbrieflich gesucht: Zitat "Elfriede Golke, geborene Eisler, genannt Ruth Fischer, volles Gesicht, etwas aufgeworfene Lippen, breite Nase, dunkle Haare und Augen." Sie konnte aber bald wieder legal auftreten, übernahm 1924 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Arkadij Maslow die Leitung der KPD und wurde in den Reichstag gewählt. Das Parlament nannte sie "Komödientheater", die Abgeordneten "Hampelmänner des Kapitalismus".
    Von Stalin nach Moskau einbestellt
    Mit ihrem dogmatischen, linksradikalen Kurs schwächte Ruth Fischer jedoch die KPD und löste heftige innerparteiliche Kontroversen aus. Vor allem zog sie sich die Kritik der von Josef Stalin gesteuerten Kommunistischen Internationale zu. 1925 wurde sie deshalb nach Moskau beordert.
    "Ich war zehn Monate zurückgehalten in Moskau gegen meinen Willen. Mir wurde der Pass weggenommen, ich wurde im Hotel faktisch in einer Art Ehrenhaft gehalten."
    Ihre heimliche Abreise aus Moskau wurde als "schwerer Disziplinbruch" verurteilt. Als sie in Berlin ankam, hatten die Führungsgremien der KPD sie längst abgesetzt und Ernst Thälmann zu ihrem Nachfolger bestimmt. Am 20. August 1926 schrieb die Rote Fahne, das Parteiorgan der KPD:
    "Ruth Fischer und Maslow sind aus der Partei ausgeschlossen."
    Daraufhin versuchte Ruth Fischer, die linken kommunistischen Kräfte, die weiter von der proletarischen Revolution in Deutschland träumten, im Kampf gegen Stalin und die Kommunistische Internationale zu vereinen, hatte damit aber wenig Erfolg. Selbstkritisch bemerkte sie später:
    "Die europäischen Linksintellektuellen betrieben nach 1917 einen romantischen Kult des revolutionären Proletariers und der von ihm zu erwartenden gerechten Proletarier-Gesellschaft.
    Diese Intellektuellen waren zwar Kinder der Oktoberrevolution, aber sie mussten gerade wegen ihres abstrakten Radikalismus rasch in Konflikt mit der realen Oktobergesellschaft geraten."
    Bolschewistin und skrupellose Antikommunistin
    Sie war die Schwester von Gerhart und Hanns Eisler: Ruth Fischer war die erste weibliche Vorsitzende einer kommunistischen Partei; sie setzte die Bolschewisierung der KPD durch – und fiel ihr gleichzeitig zum Opfer. Mit der Zeit wandelte sie sich zur glühenden Antikommunistin und ließ sich mit Geheimdiensten und Rechtsradikalen ein.
    Fischer trat politisch kaum noch in Erscheinung und verdiente sich ihren Lebensunterhalt als Sozialpflegerin im Berliner Wedding. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war die linke Kommunistin und Jüdin besonders verhasst, mit ihrem Lebensgefährten Arkadij Maslow konnte Ruth Fischer noch rechtzeitig fliehen.
    Im Pariser Exil registrierte sie, wie ehemalige Parteigenossen, den Nazis entkommen, in der Sowjetunion den Stalinschen Säuberungen zum Opfer fielen und bilanzierte:
    "Das Schicksal der deutschen antifaschistischen und kommunistischen Emigration ist eine Tragödie. Deutschland weiß noch nicht, wie viele Menschen, kommunistische Menschen, dort grausam behandelt, zu Grunde gegangen sind, erschossen wurden."
    Aussage gegen den eigenen Bruder
    Ruth Fischer migrierte 1941 weiter in die USA, während es Arkadij Maslow nach Kuba verschlug. Dort wurde er in Havanna auf der Straße tot aufgefunden, womöglich von Agenten Stalins ermordet. Ein schwerer Schicksalsschlag für die Lebensgefährtin.
    Nach dem Krieg schreckte die erbitterte Antistalinistin nicht davor zurück, den eigenen Bruder Gerhart vor dem "Ausschuss für unamerikanische Umtriebe" als Kommunisten zu denunzieren. Sie forschte in Harvard, kehrte vor ihrem Tod im Jahr 1961 nach Frankreich zurück, hielt Vorträge und schrieb Bücher, die sie auch in Deutschland bekannt machten.

    [*] Anmerkung der Redaktion: Im Vorspann des Textes haben wir den Geburtsort korrigiert.