
Palermo 1955. Ein übergewichtiger Herr in Anzug und Krawatte, der älter aussieht, als er eigentlich ist, geht Tag für Tag in das Café Mazzara. Er hat eine Aktentasche voller Bücher dabei, nimmt an einem Tisch Platz, bestellt einen Cappuccino und mehrere Cornetti, raucht pausenlos und schreibt eifrig Seite um Seite. Welches ist die stärkste Prägung seiner Kindheit?
„Vor allem unser Haus. Ich liebte es mit absoluter Hingabe. Und ich liebe es noch jetzt, obwohl es seit zwölf Jahren nur mehr eine Erinnerung ist.“
Der Palazzo Lampedusa, unweit des Cafés gelegen, wurde durch eine Bombe der Alliierten im April 1943 in Schutt und Asche gelegt. Der stolze Don Giuseppe Tomasi di Lampedusa, am 23. Dezember 1896 geboren, letzter Abkömmling eines jahrhundertealten Fürstengeschlechts, war im Innersten getroffen.
„Bis wenige Monate vor der Zerstörung schlief ich in dem Zimmer, in dem ich geboren wurde, vier Meter von dem Platz entfernt, an dem das Bett meiner Mutter während ihrer Wehen stand. Und in diesem Haus, vielleicht sogar im selben Zimmer, so dachte ich froh und war mir gewiss, würde ich auch sterben.“
Der Fürst residierte gern in Cafés
„Seine Frau stellte ihn als einen Literatenfürsten dar, der morgens aufstand und an seinen Sachen arbeitete. Aber hier in Palermo hat man ihr das nicht so richtig abgenommen, denn schließlich sahen ihn die Leute in den verschiedenen Cafés herumsitzen.“
Gioacchino Lanza Tomasi, der Adoptivsohn des Fürsten und weitläufig mit ihm verwandt, führt uns durch den Palazzo Butera, den Don Giuseppe nach dem Krieg kaufte, um eine Bleibe zu haben. Teile seiner Bibliothek hat der Fürst noch retten können, ebenso wie einige wenige Möbel, aber gemocht hat er das neue Haus nie. Seine Ehefrau, die baltische Baronesse Licy von Wolff-Stomersee, Psychoanalytikerin und die erste Frau in Italien, die diesen Beruf praktizierte, empfing hier ihre Patienten.
„Licy war einzigartig, sie liebte mich sehr, und Tomasi verdankte ihr alles, sie war sehr umtriebig und sagte: ‚Schau, es gibt diese jungen Leute, triff Dich mit ihnen, bring ihnen etwas über Literatur bei.‘ Wir besuchten ihn, es kam noch der Jurist Francesco Orlando hinzu und ein weiterer Freund. Kurze Zeit später schrieb er dann seinen Roman, "der Leopard" Und Tomasis Leben fing noch einmal von vorne an.“
Der äußerst belesene Don Giuseppe war nach den Gepflogenheiten adliger Familien aufgewachsen und hatte bis auf eine kurze Zeit während des Ersten Weltkriegs, als er eingezogen wurde und rasch in Gefangenschaft geriet, dem Müßiggang gefrönt, sagt Gioacchino Lanza Tomas:
"Er passte gar nicht mehr in die damalige Welt. "
„Es ist merkwürdig. Seine Beziehung zur äußeren Welt vermittelte sich über literarische Werke. Gleichzeitig war er vor allem interessiert an Klatsch. Er war eine Art Saint-Simon, er passte gar nicht mehr in die damalige Welt. In dieser Bibliothek hier gibt es Memoiren von Botschaftern, Briefwechsel von Königen mit ihren Geliebten, solche Sachen. Das faszinierte ihn unendlich.“
Ein Roman über den Epochenbruch um 1860
1954 begleitete Don Giuseppe seinen Cousin, den Lyriker Lucio Piccolo, auf einen Schriftstellerkongress nach Norditalien, wo die beiden Fürsten durchaus Aufsehen erregten. Diese Erfahrung, verknüpft mit den Privatvorlesungen für seine jungen Freunde, wurde zum Auslöser für die Niederschrift des Leoparden. Der Roman erzählt von dem Epochenbruch um 1860, als der Freiheitskämpfer Garibaldi Sizilien erreicht und die italienische Einigung kurz bevorsteht. Der königstreue Patriarch Don Fabrizio Salina begreift durch seinen Neffen, für den Gioachino Lanza das Vorbild war, dass ein Zeitenwandel ansteht.
„‘Für den König, sicher, aber für welchen?‘ Der junge Mann fiel wieder in den Ernst zurück, der ihn undurchdringlich und liebenswert machte. ‚Wenn wir nicht bei denen mitmischen, dann bescheren sie uns die Republik. Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, muss alles sich ändern.‘“


Giuseppe Tomasi di Lampedusa: „Der Leopard“
Der Letzte seines Geschlechts Ein Paradebeispiel für gelungene Literaturverfilmungen ist Luchino Viscontis Aneignung von Giuseppe Tomasi di Lampedusas „Der Leopard“. Der zugrundeliegende Roman liegt nun in einer Neuübersetzung vor, die dem Original endlich gerecht wird.
Der Letzte seines Geschlechts Ein Paradebeispiel für gelungene Literaturverfilmungen ist Luchino Viscontis Aneignung von Giuseppe Tomasi di Lampedusas „Der Leopard“. Der zugrundeliegende Roman liegt nun in einer Neuübersetzung vor, die dem Original endlich gerecht wird.
Schon schwer von Lungenkrebs gezeichnet, erhielt Don Giuseppe zwei Ablehnungsschreiben von renommierten Verlagen. Im Juli 1957 starb Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Anderthalb Jahre später erschien Der Leopard. Der Roman wurde zu einem Welterfolg und Tancredis Bemerkung ist bis heute ein geflügeltes Wort.