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125 Jahre TU Berlin

Wie alt ist die TU Berlin, die zweitgrößte technische Universität in Deutschland? Das weiß nicht einmal ihr Präsident, Professor Kurt Kutzler, so genau. Soll man die Einweihung der Berliner Bauakademie vor 205 Jahren als Geburtsstunde ansehen? Oder die Eröffnung der Gewerbeakademie vor 183 Jahren? Tatsächlich gilt die Vereinigung beider Bildungseinrichtungen zur "Königlichen technischen Hochschule" vor genau 125 Jahren als Gründungsakt, was die Hochschule mit einer großen Jubiläumsfeier gefeiert hat.

Von Jens P. Rosbach |
    Das große Uni-Orchester, zahlreiche Honoratioren, eine noble Festschrift - vieles sprach dafür, dass die TU Berlin ihre Jubiläumsfeier mit dem üblichen Schulterklopfen zelebrieren würde, mit Lobeshymnen und Dankesworten. Doch es kam anders. Noch in den ersten drei Minuten seiner Begrüßungsrede verwies Uni-Präsident Kurt Kutzler auf die unrühmliche Rolle, die seine Hochschule in der Nazizeit gespielt hat - etwa bei der Vertreibung jüdischer Wissenschaftler. Kurz darauf, aus aktuellem Anlass, ging er mit den Berliner Politikern ins Gericht, die vorne in der ersten Reihe des Audimax seinen Worten lauschten:

    Die Kürzungen, die das Land aufgrund seiner extrem schlechten Haushaltslage den Berliner Universitäten auferlegt, gefährden die Substanz. Der Senat von Berlin und fast alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus erwarten von der TU die Entscheidung für eine zukunftsfähige Struktur in diesem dargelegten Sinne. Die hierzu im akademischen Senat anstehende Beschlussfassung stellt gegenwärtig die TU Berlin auf eine Zerreißprobe und vergällt - dieses will ich nicht leugnen - so manchem die Jubiläumsfreude.

    Die Technische Uni Berlin muss in den nächsten Jahren - zusätzlich zum normalen Sparprogramm - zwischen 20 und 30 Millionen Euro locker machen. 66 Professuren sollen gestrichen werden und ganze Fächer wegfallen. Vor allem die Geisteswissenschaften soll es treffen, die nach dem zweiten Weltkrieg extra als kritischer Gegenpol zu den Technikfächern etabliert worden waren. Grund für Andreas Baumann die gesamte Jubiläums-Party in Frage zu stellen:

    Als Vertreter der Studierendenschaft kann ich selbst bei optimistischer Einschätzung nur zu einer Analyse kommen: Die spezifische Strukturplanung der Technischen Universität mit der Defacto-Abschaffung der Lehrerinnenbildung und Lehrerbildung und bedeutender Teile der Geisteswissenschaften führen zu einer Hochschule, die den Namen Universität nicht mehr verdient. Eine Universität, die unter dem Diktat des Berliner Senats zusammenbricht und darüber diskutiert, ob Philosophie und Geschichte, auf Zentren, wie die Antisemitismusforschung und Frauen- und Geschlechterforschung, zu verzichten, fliegt aus ihrer gesellschaftlichen und Eigenverantwortung im Sinne des Gründungsauftrages von 1946.

    Baumann erinnerte die anwesende Prominenz an die wochenlangen Studentenproteste im vergangenen Winter. Daran werde man wieder anknüpfen:

    Wir werden uns beteiligen. Unter dem Motto: Die letzte Schlacht gewinnen wir!

    Anders die Uni-Leitung. Für Kurt Kutzler ist die Umstrukturierung auch eine Chance: Im Gegenzug zu den Kürzungen werde die Hochschule innovative Disziplinen ausbauen - wie Nano- und Solartechnologie. Und auch neue Abschlüsse einführen:

    Die berufliche Praxis verlangt von unseren Absolventinnen und Absolventen in verstärktem Maße Management-Wissen, das bis jetzt nicht Gegenstand der Ingenieurausbildung war. Dem wollen wir durch die Entwicklung von Management-Studienmodulen für Ingenieure und Naturwissenschaftler abhelfen. Modellversuche laufen bereits. Wir wollen damit die Attraktivität unserer Universität steigern für die besten Betriebs- und Volkswirte, die unsere Wirtschaftsingenieure ausbilden müssen.

    125 Jahre Technische Hochschule - die TU Berlin kommt aus dem Feiern nicht mehr heraus. 1999 wurden die Jubiläen "200 Jahre Bauakademie" und "100 Jahre Promotionsrecht" begangen. 1996 standen "50 Jahre Nachkriegs-TU" auf dem Programm. Walter Momper, der Präsident der Berliner Abgeordnetenhauses, musste deshalb schmunzeln, dass nun schon wieder ein Jahrestag ausgegraben wurde.

    Aber ich finde das auch richtig, weil wir wissen, der Wettbewerb auch zwischen den Hochschulen ist hart und es gibt gar nicht genug Gelegenheiten das eigene Profil öffentlich herzuzeigen und auch über die eigene Situation und den Standort in der Gesellschaft zu reflektieren. Herzlichen Glückwunsch zu diesen Jubiläen!