Adolf Muschgs Äußerungen sind immer gescheite und überraschende Volten. Da stand er im letzten November auf der Treppe der Berliner Akademie der Künste, zu deren Präsidenten er gewählt worden war, und hatte die berühmte "Treppenrede" als Antrittsrede zu halten. Vor dem Auftritt habe er Angstträume gehabt, bekannte er, aber als er dann zu reden begann, gewann er wie immer zunehmend an Sicherheit über seine Stimme und seine Einfälle, man merkte, dass er im Zentrum seiner Sache war, einer, der sich selber stimuliert und hoch reizt, als gehe es für ihn darum, sich buchstäblich gesund zu reden und zu schreiben. Da liess er seinen Assoziationen freien Lauf und phantasierte über das Treppenmotiv, so dass man plötzlich den Mönch Martin Luther auf der Spanischen Treppe in Rom sah. Langer Applaus.
Hinter der spielerischen Phantasie Adolf Muschgs verbirgt sich große Gediegenheit. Geboren am 13. Mai 1934 in Zollikon im Kanton Zürich als Sohn eines Volksschullehrers, ging er in Zürich und Schiers aufs altsprachliche Gymnasium mit Latein und Griechisch als Hauptfächern, studierte anschliessend in Zürich und Cambridge Germanistik, Anglistik und Psychologie und promovierte 1958 bei Emil Staiger mit einer Arbeit über Ernst Barlach. Seiner wissenschaftlichen Karriere stand auf Grund der Konsequenz seiner theoretischen Einsichten und seines Formuliertalents nichts im Wege, so dass er nach anfänglichen Arbeiten als Lehrer, Lektor in Tokio, Assistent an der Universität Göttingen und Dozent in den USA 1970 auf den Lehrstuhl für Deutsche Sprache und Literatur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich berufen wurde und es bis zur Emeritierung 1999 blieb. In diesen Jahren der literaturwissenschaftlichen Arbeit hat Muschg zugleich selber ein umfangreiches literarisches Werk geschaffen, Romane und Erzählungen, Hörspiele, Theaterstücke, Essays, ein weit ausuferndes Selbstgespräch zur Erforschung der eigenen Person, denn Schreiben ist für Muschg stets, nach einer Forderung Ibsens, Gerichtstaghalten über sich selbst.
Seit seinem Debüt 1965 mit dem Roman "Im Sommer des Hasen", der von der Kritik als virtuoses, auch blendendes Kunststück gefeiert wurde, galt Muschg sofort als etablierter Autor, über dessen gelegentliche stilistische Manieriertheiten man stets hinwegsah. Dass da jemand schreibend tief in sich bohrte und seine eigenen Abgründe, Unsicherheiten und Verletzungen in seine Bücher hineinschrieb, war jedem seiner Romane wie "Gegenzauber", "Albissers Grund" oder "Der rote Ritter", jedem seiner Erzählungsbände wie "Fremdkörper", "Entfernte Bekannte" oder "Der Turmhahn" zu entnehmen. Schreiben als ein Vorgang, bei dem der Erkenntniswunsch ständig mit möglicher Verkennung, Selbsttäuschung und Verfehlung im Clinch liegt. Im Debüt-Roman "Im Sommer des Hasen" heisst es, er beginne zu formulieren, wenn er von seinem Stoff noch nicht ganz durchdrungen sei, nehme Verflüchtigungen seiner Gedanken, Verluste an Tragweite in Kauf, und zum Schluss stehe niemals das, was ihm vorschwebte, sondern etwas anderes – also bestimmt nicht das Rechte. Und dann schreibt Muschg programmatisch auch dies: "Der Hase ... schläft mit offenen Augen. Es wird Zeit, dass er mit geschlossenen Augen zu wachen beginnt."
Hinter der spielerischen Phantasie Adolf Muschgs verbirgt sich große Gediegenheit. Geboren am 13. Mai 1934 in Zollikon im Kanton Zürich als Sohn eines Volksschullehrers, ging er in Zürich und Schiers aufs altsprachliche Gymnasium mit Latein und Griechisch als Hauptfächern, studierte anschliessend in Zürich und Cambridge Germanistik, Anglistik und Psychologie und promovierte 1958 bei Emil Staiger mit einer Arbeit über Ernst Barlach. Seiner wissenschaftlichen Karriere stand auf Grund der Konsequenz seiner theoretischen Einsichten und seines Formuliertalents nichts im Wege, so dass er nach anfänglichen Arbeiten als Lehrer, Lektor in Tokio, Assistent an der Universität Göttingen und Dozent in den USA 1970 auf den Lehrstuhl für Deutsche Sprache und Literatur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich berufen wurde und es bis zur Emeritierung 1999 blieb. In diesen Jahren der literaturwissenschaftlichen Arbeit hat Muschg zugleich selber ein umfangreiches literarisches Werk geschaffen, Romane und Erzählungen, Hörspiele, Theaterstücke, Essays, ein weit ausuferndes Selbstgespräch zur Erforschung der eigenen Person, denn Schreiben ist für Muschg stets, nach einer Forderung Ibsens, Gerichtstaghalten über sich selbst.
Seit seinem Debüt 1965 mit dem Roman "Im Sommer des Hasen", der von der Kritik als virtuoses, auch blendendes Kunststück gefeiert wurde, galt Muschg sofort als etablierter Autor, über dessen gelegentliche stilistische Manieriertheiten man stets hinwegsah. Dass da jemand schreibend tief in sich bohrte und seine eigenen Abgründe, Unsicherheiten und Verletzungen in seine Bücher hineinschrieb, war jedem seiner Romane wie "Gegenzauber", "Albissers Grund" oder "Der rote Ritter", jedem seiner Erzählungsbände wie "Fremdkörper", "Entfernte Bekannte" oder "Der Turmhahn" zu entnehmen. Schreiben als ein Vorgang, bei dem der Erkenntniswunsch ständig mit möglicher Verkennung, Selbsttäuschung und Verfehlung im Clinch liegt. Im Debüt-Roman "Im Sommer des Hasen" heisst es, er beginne zu formulieren, wenn er von seinem Stoff noch nicht ganz durchdrungen sei, nehme Verflüchtigungen seiner Gedanken, Verluste an Tragweite in Kauf, und zum Schluss stehe niemals das, was ihm vorschwebte, sondern etwas anderes – also bestimmt nicht das Rechte. Und dann schreibt Muschg programmatisch auch dies: "Der Hase ... schläft mit offenen Augen. Es wird Zeit, dass er mit geschlossenen Augen zu wachen beginnt."