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15,5 Millionen Deutschen sagen: Ich will nicht ins Netz

Im Vergleich zum Vorjahr sind wieder mehr Menschen online, aber der Drang ins Netz nimmt ab. Das ist ein Ergebnis des neuen (N)Onliner-Atlas, den die Initiative D21 jährlich erstellt. Hinter der Initiative stecken rund 200 Unternehmen und ihre Partner aus Politik und Verbänden.

Von Philip Banse |
    Die Datenskandale der letzten Monate scheinen die Internetnutzung zu beeinflussen. TNS Infratest hat für diesen jährlichen Online-Atlas 30.000 Menschen befragt. TNS-Geschäftsführer Robert Wieland sieht positive und negative Effekte der zahlreichen Datenpannen der letzten Monate:

    "Die positive Auswirkung betrifft vor allem die jüngeren Bevölkerungsschichten. Den jungen Leuten muss bewusst werden, dass im Netz Gefahren lauern, dass man nicht ungeschützt ins Internet gehen kann, dass man auch überlegen muss, was man von sich als Privatperson freigibt. Die negativen Aspekte sind, dass überzeugte Offliner sagen: Meine Entscheidung war richtig."

    Insgesamt hat die Umfrage ein eher nachdenkliches Bild der deutschen Internetnutzung ergeben: Zwar sind im Vergleich zum Vorjahr wieder mehr Menschen online, sagt Umfrageleiter Robert Wieland, aber der Drang ins Netz nimmt ab:

    "In Deutschland sind mittlerweile drei Viertel der Bevölkerung, genau 74,7 Prozent im Internet aktiv. Wir haben eine Wachstumsquote von 2,7 Prozent, das klingt erstmal gut. Wir müssen aber sehen, das Wachstum schwächt sich aber. Es ist der niedrigste Wert, den wir seit 2008 gemessen haben. Die Dynamik geht zurück."

    Die Fronten zwischen Onlinern und Offlinern verhärten sich. Die digitale Kluft klafft zwischen Alt und Jung, Arm und Reich sowie gut und schlecht gebildeten Menschen. Der typische Onliner ist männlich, gut 40 Jahre alt, berufstätig und in seinem Haushalt stehen netto 2300 Euro zur Verfügung. Ganz anders der typische Offliner:

    "Die Offliner haben ganz klares Profil: Sie sind um die 67 Jahre alt, sie haben ein Haushaltsnettoeinkommen von ungefähr 1500 Euro pro Monat, sie haben überdurchschnittlich einen Hauptschulabschluss, wenn sie überhaupt einen Abschluss haben. Das sind sehr, sehr viele Rentner, die in Ein- oder Zweipersonenhaushalten leben. Das ist der typische Offliner."

    Arm, reich, alt, jung - neben der oft schlechten Versorgung mit Breitbandanschlüssen, seien dies wichtige Gründe, weshalb die ostdeutschen Bundesländer bei der Netznutzung so weit zurückliegen: Die jungen, Gutausgebildeten und Gutverdienenden ziehen oftmals einfach weg. Kompliziert wird die Spaltung zwischen Onlinern und Offlinern auch, weil die allermeisten der 18 Millionen Offliner Überzeugungstäter sind:

    "15,5 Millionen sind überzeugte Offliner, das ist sehr viel. Sie haben überhaupt kein Bedürfnis ins Netz zu gehen, weil sie die Möglichkeiten nicht kennen. Außerdem haben sie große Angst, sich mit dem neuen Medium auseinanderzusetzen."

    Angst und Unkenntnis - die Demoskopen von TNS Infratest ziehen daraus den Schluss: Wer die 18 Millionen Offliner in Deutschland ins Netz bringen will, darf nicht allein in Infrastruktur investieren, also neue Breitbandanschlüsse verlegen:

    "15,5 Millionen der Deutschen sagen: Ich will nicht ins Netz. Denen ist es dann egal, ob Glasfaser vorm Haus liegt oder was anderes."

    Dazu muss man wissen: In der Initiative D21 sind viele Unternehmen vertreten, die viel Geld ausgeben müssten, wenn mehr Menschen mit besseren Internetanschlüssen versorgt werden würden. Statt Millionen in mehr und schnellere Internetzugänge zu investieren, schwebt ihnen etwas anderes vor:

    "Es muss für vor allem für Ältere und Menschen mit geringerer Bildung, die wir vor allem abgehängt haben, attraktivere Angebote geben. Und es ist auch die Technologie. Ältere tun sich mit der Maus einfach schwerer als Jüngere. Und das Weihnachtsgeschäft hat auch davon gelebt, dass viel dachten, das iPad könne eine Technik sein, um Oma und Opa ins Netz zu bringen."

    Doch auch bei den Onlinern gibt es noch viel zu tun. Nur gut die Hälfte aller Menschen in Deutschland nutzt einen Breitbandanschluss, die Wachstumsraten sind hier so niedrig wie nie zuvor gemessen. Außerdem, so Demoskop Weiland: Nur die Hälfte aller Onliner in Deutschland bewege sich auch wirklich souverän im Netz. Die andere Hälfte nutzt nur E-Mail, googelt mal kurz und ist dann wieder offline.

    "Nur die Hälfte, die wirklich alle Möglichkeiten im Netz nutzt, ist weitaus zu wenig. Es ist noch nicht das Medium, was dazu genutzt wird, dass man sich schnell informiert, dass man die Vorteile herauszieht: Online-Banking, Online-Shopping, wo man günstigere Angebote bekommt, oder soziale Kontakte über das Netz knüpfen."

    Das haben vor allem Schüler verstanden: Sie sind fast komplett im Internet. Aber hier gilt: Abiturienten nutzen das Netz weitaus öfter und intensiver als Hauptschüler.