
6. November 1854 - vor Spiekeroog an der ostfriesischen Nordseeküste. Der Sturm umtost die Insel und peitscht das Watt auf. Die "Johanne", ein Auswandererschiff, kämpft verzweifelt gegen die Naturgewalt des Meeres - vergeblich. Sie war mit 216 Passagieren auf dem Weg von Bremen nach Baltimore. Die Inselbewohner müssen tatenlos zusehen, wie 84 Menschen bei tosendem Wellengang sterben. Erst bei Ebbe konnten sie die überlebenden Schiffbrüchigen retten und die Toten bergen. Vier Jahre später läuft der Segler "Alliance" auf das gefürchtete Borkum-Riff auf und sinkt; die neunköpfige Besatzung stirbt.
1865 später gründet sich eine der ersten Bürgerinitiativen Deutschlands die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger: die DGZRS. 150 Jahre später. Das Jubiläumsjahr der Seenotretter geht zu Ende. Markus Baar, der Vormann und Jens Nannen, zwei von 800 ehrenamtlichen Rettern von der Rettungsstation Norddeich, sind in Bereitschaft. Hier liegt die "Cassen Knigge":
"Wir machen jetzt das Boot klar. Das heißt, die ganzen Funkgeräte, Navigationsgeräte, Signallampen, der Motor läuft, dann Leinen los und dann gehts raus."
Auf dem 8,50 Meter langen Seenotretter ins ostfriesische Wattenmeer.
- "Und was ist jetzt der Job für heute?"
- "Der Job für heute ist, wir machen jetzt erst mal eine Kontrollfahrt Richtung See. Laufen dann noch mal eben Norderney an, kontrollieren das Seegebiet, falls noch jemand draußen sein sollte. Und dann fahren wir wieder."
- "Der Job für heute ist, wir machen jetzt erst mal eine Kontrollfahrt Richtung See. Laufen dann noch mal eben Norderney an, kontrollieren das Seegebiet, falls noch jemand draußen sein sollte. Und dann fahren wir wieder."
Mit 7,5 Knoten, das sind rund 14 Stundenkilometer, geht es aus dem Hafen von Norddeich Richtung Inselkette. Routinefahrt, die spektakulären Einsätze sind selten.
Seefahrt an der Nord- und Ostseeküste ist sicherer geworden
Im Jubiläumsjahr der (DGzRS) ist das eine gute Nachricht: Die Seefahrt ist sicherer geworden, besonders dort, wo die Flotte mit dem roten Hansekreuz Dienst tut. Entlang der Nord- und Ostseeküste wurden die Kreuzer in einem gedachten Abstand von einer Stunde Fahrzeit verteilt, damit Hilfe im Notfall rechtzeitig zur Stelle ist.
"Das Wetter ist ja hervorragend: Windstärke drei haben wir, also besser kann es gar nicht. Klare Sicht."
Wenig Wind, Sonne, flache See, die Sicht zur Insel ist gut. Jens Nannen lässt den Blick über das Wattenmeer schweifen. Im Sommer wimmelt es hier vor Wassersportlern. Und nicht immer ist die Nordsee so freundlich – der Namensgeber des Schiffes ist vor 25 Jahren bei einem Einsatz im Orkan gestorben.
"Es gibt schon Einsätze, bei denen schlechtes Wetter ist. Wo man auch schon mal selber überlegen muss, wo man an die Grenzen geht oder wo nicht."
Ein Impuls, trotzdem rauszufahren, wenn andere reinkommen, oder eben nicht mehr reinkommen, ist zu helfen.
"Da muss sich auch jeder drüber klar sein, was kann passieren. Es ist nicht mal eben so, alles ist toll, alles ist hier tuffy, man fährt mit dem Boot raus bei schönem Wetter. Aber ich sag mal: Das Boot kann mehr ab als der Mensch."
Hochmodernes Schiff hilft der Seerettung
Das Boot kann sogar richtig viel: Es kann durchkentern und richtet sich immer wieder auf. Solange die Tür zu ist, sagen die Retter, kann eigentlich nichts passieren. Das Boot ist ausgestattet wie ein richtiger Krankenwagen. Es sind vor allem die Segler und leichtsinnigen Hobbykapitäne, denen die "Cassen Knigge" zu Hilfe eilen muss.
"Die meisten Einsätze sind im Frühjahr", erklärt Markus Baar, im echten Leben Muschelfischer. "Wenn die ganzen Sportboote so langsam wieder ins Wasser kommen. Und dann haben die Sportbootfahrer ja teilweise schlechte Wartung, muss man ganz klar sagen."
Hinzu kommen von der Flut eingeschlossene Wattwanderer, Ahnungslose, die ein paar Schwimmzüge in der Fahrrinne für eine gute Idee halten. Und Kranke, die von den Inseln oder auch von größeren Schiffen an Land gebracht werden müssen.
"An einen Einsatz kann ich mich erinnern, der mit diesem Boot gefahren wurde. Der gute Mann war ein Juister, der mit seinem Segelboot rübergefahren ist von Juist nach Norderney, quer über mit einem flachgehende Segelboot. Und der unterwegs über Bord gefallen ist. Und sein Segelboot ist weitergefahren ohne ihn."
Das Segelboot wurde einen Tag später mit Motorschaden wieder geborgen. Nichts passiert. Auch die Kontrollfahrt geht ohne Zwischenfall zu Ende.
"Wir sind fertig, ja. Alles gut, alles läuft, unsere Systeme laufen. Draußen nichts gesehen, muss auch sein."