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16.000 Kilometer bis zur Arbeit

Sandstrände, Palmen, glasklares Meer - auch das ist die Europäische Union. Ihr Gebiet endet nicht etwa am Schwarzen Meer, sondern vor der Ostküste Australiens. Maurice Ponga ist als Abgeordneter für Neukaledonien ins Europäische Parlament eingezogen.

Von Julia Eikmann |
    Egal wie man sich im Zimmer E 215 im 13. Stock des Parlamentsgebäudes bewegen will, man muss immer einen Stuhl aus dem Weg schieben. Vier davon stehen an dem großen Schreibtisch aus hellem Holz, der den Raum dominiert. Es ist ein kleines Büro, aber wenn Maurice Ponga aus dem Fenster schaut, dann liegt ihm Brüssel in seiner ganzen Größe zu Füßen. Bis an den Horizont erstrecken sich Kirchturmspitzen und Hochhäuser, Ziegelstein und Beton. Ein regelrechter Kulturschock. In seinem bisherigen Büro im heimischen Noumea, der Hauptstadt Neukaledoniens, waren die Aussichten ganz andere:

    "Das Meer, grüne Pflanzen, einfach alles, also es ist eine Insel mitten in der Natur und überall Meer."

    Eine Insel am anderen Ende der Welt – die ein Teil Europas ist. Knapp eine halbe Million Menschen leben hier. Fünf Jahre lang wird Maurice Ponga, Mitglied der französischen Konservativen, ihre Belange im Europäischen Parlament vertreten. Insgesamt vergibt Frankreich drei seiner 72 Sitze an die französischen Überseegebiete. Bisher wurden diese meist von Abgeordneten der Insel Reunion im Indischen Ozean besetzt – sie hat die meisten Einwohner und damit die meisten Wähler. Um mehr Chancengleichheit herzustellen, wurden die Bedingungen für den Einzug ins Parlament modifiziert – Maurice Ponga nutzte die Gelegenheit.

    Früher hat der 62-Jährige als Lehrer gearbeitet. Danach war er Minister für Jugend und Sport in Neukaledonien. Trotz seiner Erfahrung als Politiker: In Brüssel muss sich Ponga ganz neu orientieren. Das Leben hier unterscheide sich von dem auf der Pazifikinsel wie Tag und Nacht. Besonders die mächtigen Gebäude faszinieren Ponga, das politische Europa vergleicht er mit einer riesigen Maschine – riesig, aber sehr gut organisiert.

    Trotz der Unterschiede: Die Neukaledonier sollen nicht nur Europäer sein, sondern sich auch als solche fühlen. Dafür will Maurice Ponga sorgen - und vor Ort für die EU werben.
    "Ich werden ein EU-Büro in Neukaledonien aufbauen, das ich übrigens mit der Europafahne ausstatten werde, und dann versuchen, die Menschen für Europa zu sensibilisieren. Ich will, bekannt machen was Europa für die Pazifik-Region tut, um so den Leuten Europa näher zu bringen. Die Tatsache, dass ich jetzt hier bin, ist wichtig für die Neukaledonier. Sie sehen einen Vertreter Europas, der einer der ihren ist, und ich denke, das wird ihren Wissensdurst über Europa noch vergrößern."

    Und darauf baut der bekennende Europäer: Denn zum Ende seiner Brüsseler Amtszeit, im Jahr 2014, wird es in Neukaledonien ein Unabhängigkeitsreferendum geben. Ponga ist gegen die Abkehr von Frankreich, vom europäischen Festland. Immerhin bestreitet Frankreich mit seinen Zahlungen gut ein Drittel des neukaledonischen Bruttoinlandsprodukts. Gelder aus dem europäischen Entwicklungsfonds fließen in Straßen und Bildung auf der Insel.

    Für seine Vermittlungsarbeit nimmt Ponga in Kauf, dass er zum Extrempendler wird. Denn seine Anwesenheit ist sowohl in Brüssel als auch in der Heimat gefragt – und die ist 16.000 Kilometer entfernt.

    "Ich bin der Abgeordnete, der die längste Anreise hat, am weitesten von Europa entfernt lebt. Ich brauche mit dem Flugzeug 24 Stunden. Aber ich habe mir gut überlegt, wie ich die Arbeit organisieren kann. Ich werde mich immer anderthalb bis zwei Monate in Brüssel und Straßburg aufhalten und danach für drei bis vier Wochen nach Hause fliegen. Allerdings ist es mir wichtig, keine Plenartagung in Straßburg zu verpassen und ein Maximum an Zeit hier zu verbringen."

    Von Paris aus fliegt Ponga 13 Stunden nach Tokio. Dann noch einmal acht Stunden nach Noumea. Dort wartet seine Frau auf ihn – und eine Menge Arbeit. Immerhin geht es darum, den europäischen Gedanken zu verbreiten. Am 30. August, wenn die Urlaubszeit für das Europäische Parlament zu Ende geht, wird er wieder nach Brüssel fliegen, zurück an seinen Schreibtisch im kargen Büro, 13. Stock, Zimmer 215.

    "Und wenn ich das nächste Mal komme, bringe ich Bilder vom pazifischen Ozean mit."