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1938
Erste Spur der Klimasünder

1938 belegte ein unbekannter Hobby-Meteorologe zum ersten Mal, dass der Mensch das Klima verändert. In seiner Untersuchung über "die künstliche Produktion von Kohlendioxid und ihren Einfluss auf die Temperatur" beschrieb Guy Stewart Callendar den Treibhauseffekt - doch der britische Kraftwerksingenieur hielt ihn für einen Segen.

Von Volker Mrasek | 03.12.2015
    2 Grad plus - das Klima vor Paris
    Im Jahr 1938 gelang Guy Stewart Callendar eine bahnbrechende Erkenntnis (Deutschlandradio / Hans-J. Brehm)
    1938. Oder besser gesagt: Neunzehnhundertachtunddreißig ...
    "1938 was the year that we first discovered that the world was warming up ..."
    Die Erde erwärmt sich. Und der Mensch hat seine Finger im Spiel.
    "... and it was partly due to the increase of carbon dioxide."
    Eine bahnbrechende Erkenntnis damals, vor genau 77 Jahren. Veröffentlicht in einer britischen Fachzeitschrift für Meteorologie. "Die künstliche Produktion von Kohlendioxid und ihr Einfluss auf die Temperatur", so lautete der Titel. Doch kaum jemand kennt den Artikel. Und auch sein Autor sei in Vergessenheit geraten, bedauert Ed Hawkins vom Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung an der Universität Reading:
    "Sein Name ist Guy Stewart Callendar. Von Beruf war er Ingenieur, in seiner Freizeit aber begeisterter Hobby-Meteorologe. Callendar besorgte sich Temperaturmessdaten aus der ganzen Welt. Daraus berechnete er die globale Mitteltemperatur und anschließend einen Trend für die vorausgegangenen 50 Jahre. Dabei erkannte er, dass sich die Erde in dieser Zeit um 0,3 Grad erwärmt hatte."
    Daten aus allen Enden der Welt
    Eine echte Pioniertat, findet auch Peter Thorne, Professor für Klimawissenschaft an der Nationalen Universität von Irland in Maynooth bei Dublin:
    "1938 gab es ja noch kein Internet oder so. Es war jahrelange, mühevolle Arbeit, die Daten zu sammeln. Callendar hatte am Ende Beobachtungsdaten aus Greenwich, Hawaii, Indien und Kanada. Aus Samoa, Neuseeland, Australien, Moskau und anderen Ecken der Welt. Insgesamt kam er auf 147 Mess-Stationen."
    Angst vor der Eiszeit
    Überlegungen zur Wärmewirkung von CO2 stellte auch der schwedische Chemiker und Nobelpreisträger Svante Arrhenius an. Das war sogar schon Ende des 19. Jahrhunderts. Doch damals ging es darum, die Eiszeiten besser zu verstehen. Callendar dagegen interessierte sich für das Klima der Gegenwart.
    "Für eine Weile hieß der Treibhauseffekt, wie wir ihn heute nennen, sogar 'Callendar-Effekt'."
    Der britische Ingenieur sah in der Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre kein Problem, im Gegenteil: Er hielt sie für einen Segen. Dadurch, so schrieb Callendar wörtlich, "wird die Rückkehr der tödlichen [Eiszeit-]Gletscher hinausgezögert".
    Das ändert aber nichts an Ed Hawkins' Bewunderung für den Klimapionier:
    "Er ist ein wahrer Held!"