""68" von den Ereignissen her ist eigentlich ein non-event.- man wundert sich im Nachhinein immer noch, wie ein Todesfall und sozusagen ein weiterer, der nach einigen Jahren dann stattfand und ein Haufen Demonstrationen solche tiefere Spuren in der kollektiven Erinnerung hinterlassen hat. Denn ich meine, es hast viele andere Kontroversen in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben und anderer westlicher Länder, und es ist ja keine Regierung gestürzt worden in Deutschland, und in Amerika oder auch in Frankreich auch kann man sagen, dass das viel brisanter war, trotzdem kann man sagen, rechnen viele Leute immer noch mit "vor 68" und "nach 68", weil die kulturelle Dimension der Veränderung glaub ich die Entscheidende ist. "
"68" ist nicht nur "kein Ereignis", sondern nicht einmal auf dieses eine Jahr beschränkt. Für Historiker umfasst der Erinnerungsort "68" einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt, vom Ende der 50er bis Mitte der 70er Jahre. Und er ist international, denn die "68er-Bewegung" hat in den USA, in Frankreich, aber auch in Warschau und Prag Spuren hinterlassen.
Mit Blick auf Deutschland wollte der "Arbeitskreis Geschichte und Politik" bei seiner Frühjahrstagung beleuchten, inwiefern diese Vergangenheit für "die Linken" und "die Konservativen" bedeutsam war - und ist.
Andreas Pettenkofer, Soziologe und Doktorand am Max Weber Kolleg in Erfurt, beschreibt, wie sich "68" auf ganz besondere Weise in das kollektive Gedächtnis eingeprägt hat.
"Das ist ja zunächst ein breiter Konsens, dass es zwei Gewaltereignisse gibt, die hier einschneidend wirken, das war einerseits die Erschießung Benno Ohnesorgs am 2.6.67 und das Attentat auf Rudi Dutschke im Frühjahr 68, das wichtige ist nun, dass diese Ereignisse nicht einfach als lokale, beinah zufällige Folgen von Gewalteskalation wirken, sondern dass die als Realsymbol eines absoluten Übels gedeutet wurden, also zunächst als Zeichen dafür, wozu der deutsche Staat insgesamt fähig ist, "
...und es kam, aus Sicht der Prostestierer, noch schlimmer. Nur einen Monat nach dem Attentat auf Dutschke wurden im Mai 1968 die Notstandsgesetze von der damaligen großen Koalition verabschiedet. Sie gaben dem Staat mehr Befugnisse in Krisensituationen. Studenten und die APO sahen die junge Demokratie gefährdet wie 1933! Aber es war nicht nur das Gefühl der Bedrohung, das "68" so erinnerungsträchtig machte.
"Das zweite, was wichtig ist, ist, dass diese Ereignisse trotz ihrer erschreckenden Wirkung zugleich mit positiven euphorischen glücklichen Erfahrungen verbunden waren, was man sieht, wenn man die Beschreibungen der Beteiligten liest, Dutschke sagt zwei Wochen nach dem Attentat auf Ohnesorg bedauernd, die euphorische Stimmung der letzten Wochen ließe sich jetzt leider nicht mehr länger fortsetzen, und auch die Demonstrationen nach dem Anschlag auf Dutschke wurden zugleich als ne einschneidende Gemeinsamkeitserfahrung erlebt. Also alle wussten, dadurch dass sie sich alle auf die eine Person Dutschkle beziehen konnten Sie konnten unterstellen, dass jeder andere das gleiche empfindet wie sie selbst und sie konnten sich in einer Weise, die es vorher nicht gab, als Teile einer einheitlichen Protestgemeinschaft fühlen. "
Aber das Ende dieser eigentlichen "68er" begann schon Ende 68. Ein kleiner Teil radikalisierte sich und wendete sich dem Terrorismus der RAF zu. Andere gingen in die SPD, die seit der Kanzlerschaft Willy Brandts nun nicht mehr so "abseitig" erschien. Und die wesentlichen Protestinhalte wurden aufgefangen von den unterschiedlichen Reformbewegungen der 70er und 80er Jahre: von der Frauenbewegung, der Schwulenbewegung, von den Bürgerinitiativen und Friedensgruppen und vor allem von der Anti-AKW- und Umweltschutz-Bewegung. Gerade in den Anfängen war die Rückbesinnung auf die 68er hier besonders stark.
"Ein wichtiges Ereignis für die militante Linke, also die K-Gruppen, Autonomen, sind nun die drei Demonstrationen in Brokdorf, 76, 77, und hier entstand die Wahrnehmung, unterstützt durch staatliche Beschimpfungen, dass man tatsächlich in einer Kontinuität zur Studentenbewegung steht, was auch ne Rolle spielt, .dass selbst das Thema der Notstandsgesetze, ein wichtiger Protestgegenstand der späten 60er, hier immer noch fortwirkt. d.h. noch im Reden über die nukleare Katastrophe ist zunächst das staatliche Katastrophenschutzhandeln und die staatliche Gewaltanwendung im Zusammenhang mit diesem Katastrophenschutzhandeln, das, was im Vordergrund der Kritik steht."
Ein Beispiel dafür ist Robert Jungks Buch "Der Atomstaat" von 1977. Die Angst vor der Wiederkehr des autoritären Staates, gar des Faschismus, ist etwas, was die frühen Reformbewegungen in der Bundesrepublik mit "68" verbindet - und nicht nur die militanten Anti-AKW-Gruppen. Der Soziologe Andreas Pettenkofer.
"Die ganze AKW-Thematik wird für dieses Spektrum zu einem Protestthema erst über diese staatskritische Metaphorik, und das ganze linke Interesse für Ökologie ergibt sich wiederum aus diesem Interesse für die AKW-Thematik, und es bleibt ja dann auch der nukleare GAU für die deutsche Linke das Paradigma, nach dem technische Risiken überhaupt begriffen werden."
Besonders gut kann man das erkennen bei frühen Mitgliedern der Grünen wie Petra Kelly, die 1980 in einem Interview diese staatskritische Haltung deutlich machte:
"Für mich ist die grüne Partei, eine Anti-Parteien-Partei. Der zivile Ungehorsam und die Gewaltfreiheit sind für mich die Säulen der Grünen, und für mich ist diese Bewegung eine revolutionäre Bewegung, weil sie die Achtung des Menschen ernst nimmt. Das ist für mich eigentlich, wo ich hoffe, dass die Grünen niemals davon abgehen."
Die "68er" - wie Rudi Dutschke - wollten die Welt verändern...
"Wir können eine Welt gestalten, wie sie die Welt noch nie gesehen hat, und zwar eine Welt, die sich auszeichnet, keinen Krieg mehr zu kennen, keinen Hunger mehr zu haben und zwar in der ganzen Welt."
...während die Konservativen naturgemäß vor solchen Veränderungen warnten. Zum Beispiel der Kanzler der großen Koalition, Kurt-Georg Kiesinger 1968 in einer Bundestagsdebatte:
"Deswegen appelliere ich bei dieser Gelegenheit an all diejenigen, von denen ich ja annehme, dass es auch ihnen um das Schicksal unsres Landes und Volkes zu tun ist: Überlegt euch, was ihr anrichtet."
Aber egal welcher politischen Richtung sie angehörten: Für viele Menschen war und ist die 68er-Bewegung im Rückblick der Aufbruch zu wichtigen Veränderungen in der Bundesrepublik - auch wenn manches von damals heute merkwürdig erscheint. Doch die Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit, mit der Elterngeneration, die "Durchlüftung" einer als muffig empfundenen Gesellschaft, eine größere kulturelle Offenheit - das wirkt nach.
Welche Bedeutung "68" für den westdeutschen Konservatismus hatte, untersucht Dr. Markus Payk vom Potsdamer Zentrum für zeithistorische Forschung. Hier fehlte natürlich das "euphorische Gemeinschaftserlebnis", entsprechend negativ hat sich die Studentenbewegung von Anfang an in das politische Gedächtnis der Konservativen eingeprägt:
"Es wurde gedeutet natürlich als erwartbares Debakel, insofern auch als längerfristige Fehlentwicklung zum einen, und zum anderen auch als Durchbruchsphase einer linken Meinungshoheit. "
Tatsächlich zeigten sich außer in den Hochschulen vor allem in den Massenmedien jenseits von Springer große Sympathien für die studentische Revolte. In den Chefredaktionen rückten langsam die 68er selbst ein: Die wichtigsten Säulen eines neuen und ungewohnten regierungskritischen Journalismus wie der "Spiegel" oder die Fernsehmagazine "Panorama" und "Report" erlebten ihren Aufschwung in dieser Zeit.
Und während die 68er selber bald darüber reflektierten - teils nostalgisch, teils überkritisch - dass 68 vorbei sei, gewann die Bewegung für die Konservativen gerade in der Nach-Zeit immer größere Bedeutung...
"Ja, es spielt eine immense Rolle und zwar als Abgrenzungsgegenstand. Man findet es immer noch in einer ganz erstaunlich stereotypen Art zum Teil, dass 68 der Wertewandel eingesetzt habe in ganz dramatischer Form und dass die meisten der heutigen Problemlagen einfach auf 68, auf auch den Marsch durch die Institutionen seitens der 68er zurückgeführt werden muss."
Schon in den 80er Jahren begann eine "offene Kampfansage" mit massiven Schuldzuweisungen: Die 68er hätten mit ihren Utopien und Experimenten die heile Gesellschaft, vor allem die Familie der 50er Jahre zerstört, "Sekundärtugenden" seien dadurch in Vergessenheit geraten. Vor diesem Hintergrund rief Helmut Kohl bei seinem Amtsantritt 1982 die "geistig-moralische Wende" aus, hin zu konservativen Werten und Moralvorstellungen.
Dieser "Anti-68-Impuls" verpuffte zwar bald, aber spätestens mit der rot-grünen Regierungsübernahme wurde die Wut auf die vermeintlichen Revolutionäre von damals weder belebt. Beispielhaft hier die Auseinandersetzungen um Joschka Fischers Vergangenheit.
Und inzwischen sind die "68er", zu einem regelrechten Hass-Objekt der Neokonservativen geworden. Im Magazin der Süddeutschen Zeitung meldete sich im letzten Jahr unter anderem Sophie Dannenberg zu Wort. Die 1971 geborene Autorin des Romans "Das bleiche Herz der Revolution" nennt sich selbst eine "Anti-68erin" und beschreibt die Generation ihrer Eltern als wörtlich "rücksichtslos selbstbezogen, verwahrlost, machtgeil und auf ganzer Linie gescheitert". Und sie klagt: "Den Müll dieser gigantischen Polit-Fete muss meine Generation jetzt wegräumen. Dass uns die Alt-68er dabei auch noch behindern, ist besonders empörend."
"68" ist ein Erinnerungsort, an dem sich die politischen Geister scheiden - und gerade darin wieder begegnen, meint der Historiker Markus Payk:
"Mein Eindruck ist, dass beide Seiten eigentlich darin übereinstimmen, dass es eine ganz entscheidende Wendemarke gewesen sei. Und man könnte jetzt sagen, durch die wirklichen Ereignisse ist das nicht gedeckt. Aber augenscheinlich brauchen beide Seiten das zur Identitätsstiftung und zur Selbstwahrnehmung, dass das ein ganz entscheidender Kampf gewesen sei."
"68" ist nicht nur "kein Ereignis", sondern nicht einmal auf dieses eine Jahr beschränkt. Für Historiker umfasst der Erinnerungsort "68" einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt, vom Ende der 50er bis Mitte der 70er Jahre. Und er ist international, denn die "68er-Bewegung" hat in den USA, in Frankreich, aber auch in Warschau und Prag Spuren hinterlassen.
Mit Blick auf Deutschland wollte der "Arbeitskreis Geschichte und Politik" bei seiner Frühjahrstagung beleuchten, inwiefern diese Vergangenheit für "die Linken" und "die Konservativen" bedeutsam war - und ist.
Andreas Pettenkofer, Soziologe und Doktorand am Max Weber Kolleg in Erfurt, beschreibt, wie sich "68" auf ganz besondere Weise in das kollektive Gedächtnis eingeprägt hat.
"Das ist ja zunächst ein breiter Konsens, dass es zwei Gewaltereignisse gibt, die hier einschneidend wirken, das war einerseits die Erschießung Benno Ohnesorgs am 2.6.67 und das Attentat auf Rudi Dutschke im Frühjahr 68, das wichtige ist nun, dass diese Ereignisse nicht einfach als lokale, beinah zufällige Folgen von Gewalteskalation wirken, sondern dass die als Realsymbol eines absoluten Übels gedeutet wurden, also zunächst als Zeichen dafür, wozu der deutsche Staat insgesamt fähig ist, "
...und es kam, aus Sicht der Prostestierer, noch schlimmer. Nur einen Monat nach dem Attentat auf Dutschke wurden im Mai 1968 die Notstandsgesetze von der damaligen großen Koalition verabschiedet. Sie gaben dem Staat mehr Befugnisse in Krisensituationen. Studenten und die APO sahen die junge Demokratie gefährdet wie 1933! Aber es war nicht nur das Gefühl der Bedrohung, das "68" so erinnerungsträchtig machte.
"Das zweite, was wichtig ist, ist, dass diese Ereignisse trotz ihrer erschreckenden Wirkung zugleich mit positiven euphorischen glücklichen Erfahrungen verbunden waren, was man sieht, wenn man die Beschreibungen der Beteiligten liest, Dutschke sagt zwei Wochen nach dem Attentat auf Ohnesorg bedauernd, die euphorische Stimmung der letzten Wochen ließe sich jetzt leider nicht mehr länger fortsetzen, und auch die Demonstrationen nach dem Anschlag auf Dutschke wurden zugleich als ne einschneidende Gemeinsamkeitserfahrung erlebt. Also alle wussten, dadurch dass sie sich alle auf die eine Person Dutschkle beziehen konnten Sie konnten unterstellen, dass jeder andere das gleiche empfindet wie sie selbst und sie konnten sich in einer Weise, die es vorher nicht gab, als Teile einer einheitlichen Protestgemeinschaft fühlen. "
Aber das Ende dieser eigentlichen "68er" begann schon Ende 68. Ein kleiner Teil radikalisierte sich und wendete sich dem Terrorismus der RAF zu. Andere gingen in die SPD, die seit der Kanzlerschaft Willy Brandts nun nicht mehr so "abseitig" erschien. Und die wesentlichen Protestinhalte wurden aufgefangen von den unterschiedlichen Reformbewegungen der 70er und 80er Jahre: von der Frauenbewegung, der Schwulenbewegung, von den Bürgerinitiativen und Friedensgruppen und vor allem von der Anti-AKW- und Umweltschutz-Bewegung. Gerade in den Anfängen war die Rückbesinnung auf die 68er hier besonders stark.
"Ein wichtiges Ereignis für die militante Linke, also die K-Gruppen, Autonomen, sind nun die drei Demonstrationen in Brokdorf, 76, 77, und hier entstand die Wahrnehmung, unterstützt durch staatliche Beschimpfungen, dass man tatsächlich in einer Kontinuität zur Studentenbewegung steht, was auch ne Rolle spielt, .dass selbst das Thema der Notstandsgesetze, ein wichtiger Protestgegenstand der späten 60er, hier immer noch fortwirkt. d.h. noch im Reden über die nukleare Katastrophe ist zunächst das staatliche Katastrophenschutzhandeln und die staatliche Gewaltanwendung im Zusammenhang mit diesem Katastrophenschutzhandeln, das, was im Vordergrund der Kritik steht."
Ein Beispiel dafür ist Robert Jungks Buch "Der Atomstaat" von 1977. Die Angst vor der Wiederkehr des autoritären Staates, gar des Faschismus, ist etwas, was die frühen Reformbewegungen in der Bundesrepublik mit "68" verbindet - und nicht nur die militanten Anti-AKW-Gruppen. Der Soziologe Andreas Pettenkofer.
"Die ganze AKW-Thematik wird für dieses Spektrum zu einem Protestthema erst über diese staatskritische Metaphorik, und das ganze linke Interesse für Ökologie ergibt sich wiederum aus diesem Interesse für die AKW-Thematik, und es bleibt ja dann auch der nukleare GAU für die deutsche Linke das Paradigma, nach dem technische Risiken überhaupt begriffen werden."
Besonders gut kann man das erkennen bei frühen Mitgliedern der Grünen wie Petra Kelly, die 1980 in einem Interview diese staatskritische Haltung deutlich machte:
"Für mich ist die grüne Partei, eine Anti-Parteien-Partei. Der zivile Ungehorsam und die Gewaltfreiheit sind für mich die Säulen der Grünen, und für mich ist diese Bewegung eine revolutionäre Bewegung, weil sie die Achtung des Menschen ernst nimmt. Das ist für mich eigentlich, wo ich hoffe, dass die Grünen niemals davon abgehen."
Die "68er" - wie Rudi Dutschke - wollten die Welt verändern...
"Wir können eine Welt gestalten, wie sie die Welt noch nie gesehen hat, und zwar eine Welt, die sich auszeichnet, keinen Krieg mehr zu kennen, keinen Hunger mehr zu haben und zwar in der ganzen Welt."
...während die Konservativen naturgemäß vor solchen Veränderungen warnten. Zum Beispiel der Kanzler der großen Koalition, Kurt-Georg Kiesinger 1968 in einer Bundestagsdebatte:
"Deswegen appelliere ich bei dieser Gelegenheit an all diejenigen, von denen ich ja annehme, dass es auch ihnen um das Schicksal unsres Landes und Volkes zu tun ist: Überlegt euch, was ihr anrichtet."
Aber egal welcher politischen Richtung sie angehörten: Für viele Menschen war und ist die 68er-Bewegung im Rückblick der Aufbruch zu wichtigen Veränderungen in der Bundesrepublik - auch wenn manches von damals heute merkwürdig erscheint. Doch die Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit, mit der Elterngeneration, die "Durchlüftung" einer als muffig empfundenen Gesellschaft, eine größere kulturelle Offenheit - das wirkt nach.
Welche Bedeutung "68" für den westdeutschen Konservatismus hatte, untersucht Dr. Markus Payk vom Potsdamer Zentrum für zeithistorische Forschung. Hier fehlte natürlich das "euphorische Gemeinschaftserlebnis", entsprechend negativ hat sich die Studentenbewegung von Anfang an in das politische Gedächtnis der Konservativen eingeprägt:
"Es wurde gedeutet natürlich als erwartbares Debakel, insofern auch als längerfristige Fehlentwicklung zum einen, und zum anderen auch als Durchbruchsphase einer linken Meinungshoheit. "
Tatsächlich zeigten sich außer in den Hochschulen vor allem in den Massenmedien jenseits von Springer große Sympathien für die studentische Revolte. In den Chefredaktionen rückten langsam die 68er selbst ein: Die wichtigsten Säulen eines neuen und ungewohnten regierungskritischen Journalismus wie der "Spiegel" oder die Fernsehmagazine "Panorama" und "Report" erlebten ihren Aufschwung in dieser Zeit.
Und während die 68er selber bald darüber reflektierten - teils nostalgisch, teils überkritisch - dass 68 vorbei sei, gewann die Bewegung für die Konservativen gerade in der Nach-Zeit immer größere Bedeutung...
"Ja, es spielt eine immense Rolle und zwar als Abgrenzungsgegenstand. Man findet es immer noch in einer ganz erstaunlich stereotypen Art zum Teil, dass 68 der Wertewandel eingesetzt habe in ganz dramatischer Form und dass die meisten der heutigen Problemlagen einfach auf 68, auf auch den Marsch durch die Institutionen seitens der 68er zurückgeführt werden muss."
Schon in den 80er Jahren begann eine "offene Kampfansage" mit massiven Schuldzuweisungen: Die 68er hätten mit ihren Utopien und Experimenten die heile Gesellschaft, vor allem die Familie der 50er Jahre zerstört, "Sekundärtugenden" seien dadurch in Vergessenheit geraten. Vor diesem Hintergrund rief Helmut Kohl bei seinem Amtsantritt 1982 die "geistig-moralische Wende" aus, hin zu konservativen Werten und Moralvorstellungen.
Dieser "Anti-68-Impuls" verpuffte zwar bald, aber spätestens mit der rot-grünen Regierungsübernahme wurde die Wut auf die vermeintlichen Revolutionäre von damals weder belebt. Beispielhaft hier die Auseinandersetzungen um Joschka Fischers Vergangenheit.
Und inzwischen sind die "68er", zu einem regelrechten Hass-Objekt der Neokonservativen geworden. Im Magazin der Süddeutschen Zeitung meldete sich im letzten Jahr unter anderem Sophie Dannenberg zu Wort. Die 1971 geborene Autorin des Romans "Das bleiche Herz der Revolution" nennt sich selbst eine "Anti-68erin" und beschreibt die Generation ihrer Eltern als wörtlich "rücksichtslos selbstbezogen, verwahrlost, machtgeil und auf ganzer Linie gescheitert". Und sie klagt: "Den Müll dieser gigantischen Polit-Fete muss meine Generation jetzt wegräumen. Dass uns die Alt-68er dabei auch noch behindern, ist besonders empörend."
"68" ist ein Erinnerungsort, an dem sich die politischen Geister scheiden - und gerade darin wieder begegnen, meint der Historiker Markus Payk:
"Mein Eindruck ist, dass beide Seiten eigentlich darin übereinstimmen, dass es eine ganz entscheidende Wendemarke gewesen sei. Und man könnte jetzt sagen, durch die wirklichen Ereignisse ist das nicht gedeckt. Aber augenscheinlich brauchen beide Seiten das zur Identitätsstiftung und zur Selbstwahrnehmung, dass das ein ganz entscheidender Kampf gewesen sei."