Schriftsteller schreiben Geschichten, die immer auch ein bisschen biografisch sind. Das ist ihr Beruf. Zunehmend erzählen sie aber auch solche Geschichten - im Medien- und Literaturbetrieb. Zur Leipziger Buchmesse lief er zur Hochform auf. Das große Thema - 68. Der Suhrkamp Verlag hatte nun gerade Autoren aus der ehemaligen DDR aufgefordert, sich zu erinnern. Und so erzählte Daniela Dahn zum Beispiel die Geschichte von einer Wandzeitung, die sie und ihre Mitschüler angefertigt hatten:
"Mit Zitaten von den Leuten, die uns interessierten, also Dubcek, Goldstücker. Und haben die heimlich in der Pause aufgehängt. Aber in der nächsten Pause war sie dann schon vom Direktor abgefetzt."
1968, das war für den Osten der Prager Frühling. Doch er durfte nicht Einzug halten in der DDR. Und im August wurde er gewaltsam beendet. Damals war der Lyriker Tomas Rosenlöcher aus Dresden gerade 21 und Soldat. Seine Geschichte ging so:
"Es hieß immer, wir werden eingesetzt. Das war das dramatische. Und ich hatte mir fest vorgenommen: Wenn du schießen musst, erschießt du dich vorher. Das klingt pubertär, und ich war sehr pubertär. Ich hab es vorgezogen, mir dann die Mandeln rausnehmen zu lassen, bin etwa vier Wochen abgetaucht. Das klappte gerade ganz gut."
Rolf Schneider, der damals schon ein gestandener Autor war, hörte die Nachricht von der Niederschlagung des Prager Frühlings im Ostseeurlaub. Seine Pointe war die:
"Ich traf dann eine eben so schöne wie stalinistische Lektorin, und da sagte die: Schön, dass es zu Ende ist. Und ich hab dann nur so vor mich hin gegrummelt."
Auch wenn Schriftsteller nur erzählen, sind ihre Erlebnisse schon aufpoliert. Mit Plot und der Moral von der Geschichte, die Volker Braun so postulierte:
"Eine Wende in einen anderen Zustand, in einen einsamen Trotz. Von hier an datiert der Gegentext der Literatur zu dem Monolog der Macht."
Nicht ganz so verhielt sich Reiner Kunze, der dem tschechischen und slowakischen Volk 1969 seinen Gedichtband "Sensible Wege" widmete. Konnte nur im Westen erscheinen, wohin Kunze dann auch gehen musste. Ihn hätte man gern gesehen bei der Podiumsdiskussion in der Deutschen Bücherei. Oder auch Florian Havemann, der damals als protestierender Schüler festgenommen wurde. Das hätte die Sache zu einem Streitgespräch gemacht. Wie es auch so irgendwie weiterging, erklärte Thomas Rosenlöcher:
"Komischerweise, und das will ich bloß beschreiben, um diesen Mechanismus des Glaub-auf-Glaub-ab irgendwie aufzurufen, wie das so ging, dachte ich dann nach einiger Zeit: Ja, wenn die aber dort angefangen haben, einen richtigen Sozialismus zu machen, die Tschechen, dann muss es ihn ja doch geben."
Ein Traum, der 1989 in der friedlichen Revolution noch einmal aufflammte, um in der Realität der Einheit zu verschwinden. Eine Revolution war das nicht, sagte Leipzigerin Angela Krauß, und auch 1968 war der Funke aus Prag eben nicht übergesprungen:
"Das ist erregend und: Fahren wir wieder mal nach Prag! Aber wollen wir nicht vergessen, wie viele dort hingefahren sind, weil es da Ölsardinen gab und schöne Platten."
Als Rolf Schneider dann noch sagte, 68 habe in der DDR vor allem die intellektuellen Kreise erfasst, hätte Moderator Arno Widmann von der "Frankfurter Rundschau" sagen müssen: Ja, aber eben nur in Gedanken. Aber das tat er nicht. Es gab viele Proteste in der DDR gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings. Die Stasi führte Buch. 70 Prozent gingen auf das Konto von Arbeitern und Angestellten, 20 Prozent auf das von Lehrlingen und Schülern. Die Protestbewegung der Intellektuellen belief sich auf einen Anteil von 1,5 Prozent.
"Mit Zitaten von den Leuten, die uns interessierten, also Dubcek, Goldstücker. Und haben die heimlich in der Pause aufgehängt. Aber in der nächsten Pause war sie dann schon vom Direktor abgefetzt."
1968, das war für den Osten der Prager Frühling. Doch er durfte nicht Einzug halten in der DDR. Und im August wurde er gewaltsam beendet. Damals war der Lyriker Tomas Rosenlöcher aus Dresden gerade 21 und Soldat. Seine Geschichte ging so:
"Es hieß immer, wir werden eingesetzt. Das war das dramatische. Und ich hatte mir fest vorgenommen: Wenn du schießen musst, erschießt du dich vorher. Das klingt pubertär, und ich war sehr pubertär. Ich hab es vorgezogen, mir dann die Mandeln rausnehmen zu lassen, bin etwa vier Wochen abgetaucht. Das klappte gerade ganz gut."
Rolf Schneider, der damals schon ein gestandener Autor war, hörte die Nachricht von der Niederschlagung des Prager Frühlings im Ostseeurlaub. Seine Pointe war die:
"Ich traf dann eine eben so schöne wie stalinistische Lektorin, und da sagte die: Schön, dass es zu Ende ist. Und ich hab dann nur so vor mich hin gegrummelt."
Auch wenn Schriftsteller nur erzählen, sind ihre Erlebnisse schon aufpoliert. Mit Plot und der Moral von der Geschichte, die Volker Braun so postulierte:
"Eine Wende in einen anderen Zustand, in einen einsamen Trotz. Von hier an datiert der Gegentext der Literatur zu dem Monolog der Macht."
Nicht ganz so verhielt sich Reiner Kunze, der dem tschechischen und slowakischen Volk 1969 seinen Gedichtband "Sensible Wege" widmete. Konnte nur im Westen erscheinen, wohin Kunze dann auch gehen musste. Ihn hätte man gern gesehen bei der Podiumsdiskussion in der Deutschen Bücherei. Oder auch Florian Havemann, der damals als protestierender Schüler festgenommen wurde. Das hätte die Sache zu einem Streitgespräch gemacht. Wie es auch so irgendwie weiterging, erklärte Thomas Rosenlöcher:
"Komischerweise, und das will ich bloß beschreiben, um diesen Mechanismus des Glaub-auf-Glaub-ab irgendwie aufzurufen, wie das so ging, dachte ich dann nach einiger Zeit: Ja, wenn die aber dort angefangen haben, einen richtigen Sozialismus zu machen, die Tschechen, dann muss es ihn ja doch geben."
Ein Traum, der 1989 in der friedlichen Revolution noch einmal aufflammte, um in der Realität der Einheit zu verschwinden. Eine Revolution war das nicht, sagte Leipzigerin Angela Krauß, und auch 1968 war der Funke aus Prag eben nicht übergesprungen:
"Das ist erregend und: Fahren wir wieder mal nach Prag! Aber wollen wir nicht vergessen, wie viele dort hingefahren sind, weil es da Ölsardinen gab und schöne Platten."
Als Rolf Schneider dann noch sagte, 68 habe in der DDR vor allem die intellektuellen Kreise erfasst, hätte Moderator Arno Widmann von der "Frankfurter Rundschau" sagen müssen: Ja, aber eben nur in Gedanken. Aber das tat er nicht. Es gab viele Proteste in der DDR gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings. Die Stasi führte Buch. 70 Prozent gingen auf das Konto von Arbeitern und Angestellten, 20 Prozent auf das von Lehrlingen und Schülern. Die Protestbewegung der Intellektuellen belief sich auf einen Anteil von 1,5 Prozent.