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20:60:20 - die neuen Traummaße für Uni-Bewerber

Wir sind uns einig, dass gute Studierende in den allermeisten Fällen auch gute Schulnoten haben. Trotzdem wollen wir nicht die klassischen Streber an unserer Universität versammeln, sondern wir wollen Studierende haben, die wirklich motiviert sind.

Von Jens P. Rosbach |
    Engagierte Hochschulprofessoren, wie Manfred Groß von der FU Berlin, haben es schon lange gefordert: Wir wollen in den ZVS-Fächern noch mehr Abiturienten selbst auswählen können. Nun ist es so weit: Ab dem Wintersemester 2005/2006 dürfen die Unis 60 Prozent ihrer Bewerber für die Studiengänge BWL, Biologie, Medizin, Pharmazie und Psychologie nach eigenem Gusto aufnehmen oder ablehnen. 60 Prozent - bisher waren es lediglich 24 Prozent. Was bleibt, was wird sich ändern?

    Die Abinote wird nach wie vor eine ganz wichtige, eine zentrale Rolle spielen. Das ist auch verfassungsrechtlich, grundgesetzlich so gesichert, dass die Abinote eine ganz hervorragende Rolle spielen muss. Die Universitäten können jetzt für ihr Auswahlverfahren allerdings auch noch andere Noten des Abiturs als nur den Abiturdurchschnitt wählen. Also je nachdem für welches Fach, welche Schulfächer wichtig sind, Unterrichtsfächer wichtig sind, können die dann noch mal in einem gesonderten Verfahren bewertet werden.

    Die Unis dürfen künftig noch weitere Zulassungskriterien einführen, erklärt Florian Frank vom Bundesforschungs- und Bildungsministerium. So kann fortan auch ein bislang ausgeübter Beruf zur Eintrittskarte für die Hochschule werden oder ein fachspezifischer Test. Die Universitäten entscheiden außerdem, ob sie - wie gehabt- persönliche Gespräche mit den Bewerbern führen wollen, so Frank:

    Der Vorteil eines Auswahlgespräches kann darin bestehen, dass sich beide Seiten darüber klar werden können: Ist dieses Fach eigentlich was für mich, denn das kann ja auch passieren, dass man sich plötzlich klar wird - wie auch in einem anderen Bewerbungsgespräch - Medizin das ist gar nichts für mich. das ist ne Chance und die andere Chance ist die, dass man feststellt, genau diese Universität und keine andere ist für mich die richtige und dann kann man sie damit auch so überzeugen, dass man dort studieren kann.

    Auswahlgespräche sind vor allem etwas für Abiturienten mit mittelmäßigen Noten. Medizin-Student Dirk Bernhardt zum Beispiel war bei der ZVS - der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen - abgeblitzt, weil seine Dreien und Vieren in Mathe, Physik und Bio den Durchschnitt "versaut" hatten.

    Also das Auswahlgespräch war die Chance meines Lebens. Ich bin super dankbar den Professoren, dass ich vermitteln konnte, dass ich dafür geeignet bin. Und im Nachhinein würde ich den beiden gern ein Besuch abstatten und würde sagen, sehen Sie, Sie haben mir damals ne Chance gegeben, vielen Dank für die Chance, ich wollte Ihnen nur ein Feedback geben. Ich hab's geschafft, ich werde es auch noch weiter schaffen.

    Im Gespräch mit den Uniprofessoren konnte er seine Abiturnoten ausbügeln.

    Kam die Frage: Nun ja, Sie stehen ja mit den Naturwissenschaften etwas auf Kriegsfuß, wenn ich mir Ihre Zeugnisnoten angucke. Denken Sie denn, dass Sie dann im Studium damit zurecht kommen, es ist ja auch ein naturwissenschaftliches Fach. Wobei ich denn gesagt habe: Wenn einer mit einem verdrehten Knie in der Rettungsstelle kommt und ich bin aufnehmender Arzt und erzähl dem was vom Satz des Pythagoras, dann wird der sich bedanken und mich auslachen. Woraufhin die beiden auch angefangen haben zu lachen und gesagt haben: gute Antwort, gute Antwort, sehr gute Antwort!

    Persönliche Gespräche, Tests und gewichtete Abinoten - die Meßlatte für demnächst 60 Prozent aller Bewerber. Und was bedeuten die anderen Zahlen in der neuen Zulassungs-Formel 20:60:20? Ganz einfach: 20 Prozent der bundesweit limitierten Studienplätze werden weiterhin von der ZVS vergeben. Und zwar ausschließlich nach dem Abi-Durchschnitt. Die restlichen 20 Prozent verteilt ebenfalls die Dortmunder Einrichtung - allerdings nach Wartezeit. Summa Summarum: Die ZVS vergibt fortan rund ein Drittel weniger Studienplätze - die Unis bekommen mehr ab vom Kuchen.

    Die Unis sollen die Chance kriegen, ihre Studierenden mehr selbst auszuwählen, weil sie dadurch mehr Möglichkeiten haben, ihr eigenes Profil zu schärfen und die Studierenden zuzulassen, die tatsächlich auch zur Universität passen. Es ist ja auch ein Ziel, das wir mit dem Wettbewerb der Spitzenuniversitäten verfolgen: Wir wollen profilierte Universitäten. Eine Universität kann nicht in allen Bereichen gut sein, kann aber in ziemlich vielen Bereichen gut sein. Die muss sie identifizieren und ausbauen und ihre Studierenden auf diesem Weg mitnehmen.

    Das Ziel ist klar, allerdings: Bislang haben die Unis nur zu einem geringen Teil die Möglichkeit genutzt, die Bewerber selbst auszuwählen. 88 Prozent der Fakultäten verzichteten darauf und überließen alles wie gehabt der ZVS. Das Verfahren war ihnen zu aufwendig. Nun ist - durch die neuen Möglichkeiten - der Druck auf die Hochschulen größer geworden, selbst aktiv zu werden.