Freitag, 17. Mai 2024

Archiv


20 Jahre ERASMUS: Eine Erfolgsgeschichte

Das europäische Förderprogramm ERASMUS feiert in diesem Jahr 20. Geburtstag. 1987 gingen die ersten Studenten mit europäischer Hilfe ins Ausland. Sie bekamen und bekommen von der EU Unterstützung bei der Organisation und mit rund 100 Euro ein kleines Taschengeld. Bereits 1,5 Millionen Jugendliche haben das Programm genutzt. Die EU-Kommission will das Programm weiter ausbauen und die Zahl bis 2012 verdoppeln.

Von Ruth Reichstein | 11.01.2007
    Geschäftiges Treiben in der Küche von Familie Gasse in Paderborn. Für Lothar Gasse und seine Frau Pam gehört das Teetrinken zu einem gelungenen Nachmittag dazu. Die Teekultur ist ein Überrest aus dem Auslandsstudium von Lothar Gasse, das er vor genau 20 Jahren im englischen Nottingham verbracht hat.

    Damit war der Betriebswirt einer der ersten Studenten überhaupt, die das europäische Austauschangebot genutzt haben. Diese Entscheidung habe er nie bereut, sagt er:

    " Ich habe natürlich auch den Gedanken im Hinterkopf gehabt, bessere Berufsaussichten zu haben. Und ich denke, das hat auch eine Rolle gespielt bei meinem jetzigen Arbeitgeber, der so auf meine Bewerbung aufmerksam geworden ist, weil so aus meiner Bewerbung hervor ging, dass ich im Ausland war. Ausland, das heißt, man erwirbt Sprachkenntnisse und andererseits auch soziale Kompetenzen. Man muss sich in einem fremden Land zurecht finden. "

    Vor 20 Jahren war das noch gar nicht so einfach. Schließlich gehörte das Auslandsstudium damals noch nicht zur Normalität wie heute. Lothar Gasse hatte trotzdem Glück: Die Paderborner Uni hatte nämlich schon vor dem Start von ERASMUS ein Austauschprogramm mit der Universität in Nottingham. Strukturen für deutsche Studenten waren also vorhanden. Seine Universität hatte ihm den Aufenthalt organisiert und bei der Ankunft in Nottingham gab es auch gleich eine Überraschung. Als er sich verfahren hatte, brachte ihn eine Polizeistreife bis zum Studentenwohnheim. Lothar Gasse hatte keine Probleme, sich von Anfang an in der englischen Studentenwelt zurecht zu finden.
    Sich zurecht finden in einer fremden Welt - genau das versucht gerade auch Susanne Kehr. Die 25 Jahre alte Bochumerin studiert gerade im belgischen Antwerpen Theaterwissenschaften. Eher zufällig ist sie in Belgien gelandet. Sie wusste schon nach dem Abitur, dass sie eine Zeitlang im Ausland studieren wollte, aber wo genau, war ihr erst einmal gleichgültig. Auch sie ist zufrieden mit ihrer Wahl:

    " Die Frage wäre: Was gefällt mir nicht an Antwerpen. Es ist eine schöne Stadt, wo viel los ist. Man kann viel machen und sie ist flach, man kann mit dem Fahrrad überall hinkommen. "

    Ein Auslandsaufenthalt lohnt sich in jedem Fall: Die Studenten lernen ein anderes Land kennen, andere Kulturen, eine andere Sprache. Und all das mache das ERASMUS-Programm der Europäischen Union um einiges leichter, sagt Susanne Kehr:

    " Schon alleine mit den ganzen Formularen, dass man jemanden an seiner Uni hat, der da drüber guckt. Und dass man hier empfangen wird und eine Betreuung hat. Da ist schon sehr angenehm, wenn man da Unterstützung hat. "

    Die Universitäten, die an dem europäischen Programm teilnehmen, haben in der Regel einen Verantwortlichen, der sich um die Studenten, die aus dem Ausland kommen, kümmert. Oft helfen diese ERASMUS-Koordinatoren bei der Wohnungssuche, bei den Einschreibeformalitäten und sie leiten auch das Auswahlverfahren der Kandidaten. Beste Chancen haben diejenigen, die gute Noten und Sprachkenntnisse nachweisen können.

    Eher zweitrangig bei dem Programm ist dagegen die finanzielle Unterstützung. Das sind nämlich gerade mal rund 100 Euro im Monat. Susanne Kehr reicht das nicht zum Leben. Sie ist zusätzlich auf (den) Auslands-Bafög angewiesen.

    Dafür erstreckt sich der Nutzen eines Auslandssemesters oft das ganze Leben. Das weiß auch der mittlerweile 42 Jahre alte Lothar Gasse:

    " Meine Kinder profitieren im zweiten Schritt auch davon, dadurch, dass meine Frau, die ja Engländerin ist, Wert darauf gelegt hat, dass sie zweisprachig aufwachsen und sie - also meine Frau - mit den Kindern immer Englisch spricht. "

    Seine Familie ist ein Musterbeispiel für den Erfolg des Programms. Denn Lothar Gasse hat nicht nur seine beruflichen Chancen in Nottingham verbessert. Er hat dort auch seine heutige Ehefrau kennen gelernt. Pam studierte an der gleichen Universität wie er und auch sie hat einst ein Auslandssemester eingelegt - in Deutschland.

    " Jetzt in meinem Alter kann man zurück blicken und kann sagen: Man hat etwas Tolles gemacht. Jetzt sind wir nicht mehr so flexibel. Wir sind an Paderborn gebunden. Wir haben Kinder, die zur Schule gehen. Und man kann sagen: Man hat eine tolle Erfahrung gemacht. Man kann immer sagen: Damals war es schön und dann hat man eine Grundlage fürs Leben. "