Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


20 Jahre Erdgipfel

Umwelt.- 1992 fand die erste UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro statt. Nun trifft sich die Welt erneut am Zuckerhut zum Erdgipfel. Von dem, was vor 20 Jahren beschlossen wurde, wurde das meiste nicht eingehalten.

Von Monika Seynsche | 18.06.2012
    "Die Menschheit steht an einem entscheidenden Punkt ihrer Geschichte". Mit diesem Satz beginnt das 359 Seiten lange Umweltaktionsprogramm der Vereinten Nationen vom Juni 1992. Mittlerweile haben fast alle Staaten der Welt es unterzeichnet. In dieser Agenda 21 wurde beschlossen, die Armut zu bekämpfen, die Erdatmosphäre zu schützen, Wälder zu bewahren, Wüstenbildung abzuwenden, Frauen und indigene Bevölkerungsgruppen zu stärken, Abfälle umweltgerecht zu behandeln und sehr vieles mehr. David Victors Ansicht nach liegt genau hier das Problem der Agenda 21. Der Jurist leitet das Labor für Internationales Recht an der Universität von Kalifornien in San Diego und untersucht, warum einige zwischenstaatliche Abkommen effektiv sind, andere nicht."

    "Mich erinnert die Agenda 21 immer an einen Weihnachtsbaum, an den jeder drangehängt hat, was ihm gefiel. Das Ergebnis war ein furchtbar langes Dokument, das jedermanns Prioritäten enthielt. Deshalb ist es so schwer, den praktischen Einfluss der Agenda 21 auszumachen, denn niemand weiß genau, was sie enthält und da sie eigentlich alles umfasst, fehlt eine Prioritätenliste oder Schwerpunktsetzung."
    Auch 20 Jahre nach dem ersten Erdgipfel ist keines der auf die Agenda 21 gesetzten Probleme gelöst. Allein die weltweite Waldfläche ist um ein Gebiet, größer als Argentinien, geschrumpft, die Weltbevölkerung nahm um annähernd 1,5 Milliarden Menschen zu, von Armut und Unterernährung sind immer noch mehrere Milliarden bedroht.

    Die Probleme heute seien immer noch fast die selben, wie 1992, sagt David Victor. Allerdings seien sie auch so komplex, dass sie sich nicht über Nacht lösen ließen. Für den Politikwissenschaftler Klaus Jacob vom Forschungszentrum für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin ist die Agenda 21 trotz aller Haken das wichtigste Ergebnis des Erdgipfels von 1992. Sie habe viele positive Entwicklungen angestoßen.

    "Es ist sehr viel passiert. Viele Staaten der Welt haben Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt, es gab eine Gründungswelle von Umweltministerien in der Folge von dem Riogipfel '92, wir haben seitdem eine Explosion von internationalen Umweltabkommen, jetzt mittlerweile 500 verschiedene Abkommen."

    In den Jahren nach der Konferenz entstanden in vielen Ländern Nachhaltigkeitsräte, die allerdings in jüngster Zeit zunehmend in Bedrängnis geraten oder ganz wieder abgeschafft werden. Das Thema Nachhaltigkeit habe international an Schwung verloren, beklagt Klaus Jacob. Die akuten wirtschaftlichen Probleme während der Finanzkrise haben die nachhaltige Entwicklung aus dem politischen Fokus verdrängt. Die Agenda 21 aber wirke trotzdem noch nach, sagt er.

    "Also letztlich sind die Länder, die Staaten der Welt, Unternehmen, zivilgesellschaftliche Akteure unter einen Rechtfertigungsdruck gekommen, dass sie jetzt darlegen müssen, ob und inwieweit ihre Politik, ihre Unternehmensstrategie Nachhaltigkeitsprinzipien entsprechen oder nicht."

    Die Agenda 21 fordert von den Industrieländern einen wesentlich schonenderen Umgang mit den weltweit verfügbaren Ressourcen und damit verbunden den Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik. Die Schwellen- und Entwicklungsländer wiederum sind aufgerufen, sich auf Themen wie Armutsbekämpfung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Trinkwasserversorgung und dergleichen zu konzentrieren. Dafür mahnt die Agenda 21 zusätzliche Finanzmittel von den Industrieländern an. Hält sich ein Land nicht an die Absprachen, passiert allerdings nichts.

    "Was die Agenda 21 nicht geschafft hat, ist einen verbindlichen Rechtsrahmen zu schaffen. Einen Rechtsrahmen in dem beispielsweise Länder dafür verklagt werden können, wenn sie die Vereinbarungen nicht einhalten. Es sind ja Länder sogar wieder ausgestiegen aus dem Kyoto-Protokoll, Kanada etwa. Es gibt keinen internationalen Gerichtshof wie es im Welthandelsregime der Fall ist, der in Umweltfragen ähnliche Macht entfalten würde."

    Nur ein solcher aber könnte die Agenda 21 zu einem wirklich wirksamen Dokument machen.


    Weiterführende Links zum Thema:

    Themenportal Rio+20
    Die UN-Konferenz Rio+20