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24 Stunden Sonne

Energie.- Wenn Flaute herrscht und der Himmel wolkenverhangen ist, können weder Wind noch Sonne für die Energiegewinnung genutzt werden. Wissenschaftler haben deshalb einen Reaktor vorgestellt, der einen neuen Weg zur Speicherung der Sonnenenergie weist.

Von Jan Lublinski | 11.01.2011
    Sossina Haile ist Professorin für Materialforschung und Verfahrenstechnik am California Institute of Technology in Pasadena. Eigentlich ist sie Expertin für neuartige Materialien, die in Brennstoffzellen zum Einsatz kommen, also in jenen Geräten, die Wasserstoff in Wasser und Strom verwandeln können, durch eine Art kalte Verbrennung. Seit einiger Zeit aber denkt sie intensiv darüber nach, wie man mit diesen speziellen Materialien Sonnenenergie speichern kann.

    "Vor zwei Jahren war ich auf einer Fachkonferenz und habe einen Vortrag von Kollegen vom Sandia National Laboratory gehört. Sie erklärten, wie sie mit fokussiertem Sonnenlicht Wasserstoff aus Wasser herstellten. Ich hörte mir den Vortrag an und dachte mir: Unser Material, mit dem wir in einem völlig anderen Forschungsgebiet arbeiten, könnte hier nützlich sein. Wir sind also zurück ins Labor gegangen und haben es ausprobiert. Und das Ganze funktionierte auf Anhieb sehr, sehr gut."

    Das besondere Material, mit dem Sossina Haile arbeitet, ist eine poröse Keramik aus Zer-Dioxid. Dieser Stoff hat die Eigenschaft, dass er bei hohen Temperaturen einzelne Sauerstoffatome schnell abgeben und bei niedrigeren Temperaturen wieder aufnehmen kann. Diese Sauerstoffatome machen es möglich, ein Gemisch aus Wasser und Kohlendioxid zu zerlegen in Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Dabei sind Wasserstoff und Kohlenmonoxid Gase, die für die Energiespeicherung besonders geeignet sind.

    "Wir haben mit unseren Experimenten zeigen können, dass man mit dem Material aus Wasser Wasserstoff erzeugen kann und aus Kohlendioxid Kohlenmonoxid. Wasserstoff und Kohlenmonoxid sind sehr gute Energieträger, man kann aus ihnen flüssigen Brennstoff herstellen und mithilfe eines Katalysators sogar Methangas."

    Diese besondere Umwandlung von Wasser zu Wasserstoff und Kohlendioxid zu Kohlenmonoxid ist allerdings nur bei extrem hohen Temperaturen möglich, bei 1600 Grad Celsius. Diese Temperaturen erreichen Haile und Kollegen, wenn sie Sonnenlicht mit vielen Spiegeln einsammeln und bündeln. Im Brennpunkt dieser Strahlen steht ein zylinderförmiger Reaktor, der mit Zer-Dioxid gefüllt ist und den Aldo Steinfeld von der ETH Zürich und vom Paul-Scherrer-Institut in Villingen entworfen hat. Mit dieser Versuchsanordnung konnte das kalifornisch-schweizerische Team knapp ein Prozent des einfallenden Sonnenlichts speichern, in Form von Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Die Keramik aus Zer-Dioxid erwies sich als deutlich geeigneter als alle anderen Materialien, die zuvor in ähnlichen Versuchen getestet wurden.

    "Wir wollten zeigen, dass dieses Konzept wirklich funktioniert. Wir haben mit nur drei Studenten und Technikern zusammengearbeitet und insgesamt nur drei Monate gebraucht. Ein sehr schnelles Projekt also. Um nun den Reaktor weiter zu verbessern, müssen wir ihn besser thermisch isolieren. Und es sind auch einige Tests nötig: Wir müssen die Materialeigenschaften genauer untersuchen. Aber in zwei bis drei Jahren sollten wir deutlich höhere Effizienzen erreichen."

    Eine Speicherung von zehn Prozent der Sonnenenergie in Wasserstoff und Kohlenmonoxid hält Sossina Haile auf jeden Fall für erreichbar. Damit könnte diese neue Art der Energiespeicherung in Konkurrenz treten zu einem anderen Forschungsgebiet: Schon seit längerem bemühen sich Wissenschaftler, Sonnenlicht mit Solarzellen in Strom zu verwandeln und diesen Strom dann dazu zu nutzen, um Wasserstoff aus Wasser zu gewinnen.

    Für Sossina Haile und Kollegen wird es langfristig darauf ankommen, Materialien zu entwickeln, die bereits bei niedrigeren Temperaturen als 1600 Grad Celsius arbeiten. Damit ließe sich diese neue Form der Sonnenenergiespeicherung deutlich effizienter machen.

    Am Ende der Entwicklung könnte dann ein Solarkraftwerk stehen, das tagsüber nicht nur Strom produziert. Es würde gleichzeitig auch Energie in Form von Gas speichern und dieses dann nachts oder an bewölkten Tagen verbrennen. Eine kontinuierliche Energiequelle, die auch sauber wäre: Das Kohlendioxid, das bei der Verbrennung entstünde, könnte dann direkt wieder in den Reaktor geleitet werden.