Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


25 Jahre Öko-Institut

Gegründet wurde es vor 25 Jahren als wissenschaftler Arm der Anti-AKW-Bewegung, als kompetentes Sprachrohr der Umwelt-Bürgerinitiativen. Mittlerweile ist das Öko-Institut mit Sitz in Freiburg und Filialen in Darmstadt und Berlin eine anerkannte Forschungseinrichtung mit 100 Mitarbeitern, darunter 70 Wissenschaftler, und einem Jahresbudget von 6 Millionen Euro geworden. Doch mit der zunehmenden Professionalisierung und der wachsenden Zahl von Auftraggebern wurde auch der politische Spielraum kleiner. Aus dem "Rodeoreiter" ist ein "Pferdeflüsterer" geworden.

Von Hans-Peter Frick | 08.11.2002
    Das südbadische Wyhl im Februar 1975. 30.000 Gegner des geplanten Atomkraftwerkes – Landwirte, Familienmütter, Pfarrer und Studenten - besetzen den Bauplatz und werden von der Polizei ermahnt, das Gelände zu verlassen.

    Das monatelange Ringen hat Erfolg. Zum ersten Mal kann ein Bürgerprotest den Bau eines Atomkraftwerkes verhindern. Und noch eine Erkenntnis trat hinzu: zur reinen Widerstands-Aktion musste auch der Kampf der Sach-Argumente kommen, um den Experten der Landesregierung Paroli bieten zu können. So gründeten 1977 27 Anwälte, Theolgoen, Wissenschaftler und Vertreter von Bürgerinitiativen in Freiburg das Öko-Institut. -- Zwei Festangestellte und zahlreiche Uni-Wissenschafter auf Abruf beackerten Themen zur Energiewirtschaft und Atomkraft. Basisnähe und die Unabhängigkeit von Politik und Wirtschaft waren oberste Gebote in den Anfangsjahren. An dem Ziel der unabhängigen Forschung habe sich im Prinzip bis heute nichts geändert, meint der jetztige und mittlerweile siebte Geschäftsführer des Öko-Instituts, Uwe Ilgemann. Doch die alten Frontstellungen gebe es nicht mehr und die Umweltthematik habe einen anderen Stellenwert bekommen:

    Wir haben es damals mit stärkere Blockadepolitik gehabt...wichtig Sprachrohre zu finden, und das waren die Bürgerinitiativen und Verbände, die das aufgegriffen haben.Heute keine Blockadesituation mehr, das Umweltthema ist etabliert. Insofern heute direkte Gespräche zwischen denen, die neue, wissenschaftlichen Lösungen zu Umweltproblemen erarbeiten und denen, die politisch Maßnahmen umzusetzen haben.

    Etwa die Kommunen, die sich gerne von der anwendungsorientierten Freiburger Einrichtung beraten ließen. Den Energiekonzepte folgten bald Müll- oder Verkehrskonzepte. Mittlerweile gehören vor allem Landes- und Bundesbehörden zu den Auftraggebern, vom Umweltbundesamt bis zur Strahlenschutzbehörde.

    Immer stärker interessieren sich die Leute vom Öko-Institut für das Marktgeschehen und nachhaltige Produkte. So wurde zusammen mit der Firma Grundig der "grüne Fernseher", ein rohstoffschonendes Gerät, entwickelt. Das zeige sehr deutlich den Wandel, den es im letzten Vierteljahrhundert gegeben habe, meint Institutsmitarbeiter Rainer Grießhammer

    Viele der Produkte, die wir in 80er angegriffen haben, wurden vom Markt zurückgezogen oder verboten. Viele Visionen von damals – das 3l-Auto, Kühlschränke mit wenig Stromverbrauch – sind heute erfüllt. Dennoch einige Bereiche, wo wir sehr kritisch sind. Zum Beispiel grüne Gentechnologie.

    Nein zur Genmanipulation in der Landwirtschaft, nein zur Anfrage des SHELL-Konzerns nach einem Umweltbericht, weil der Ölkonzern bestimmte Aktivitäten in Afrika darin verschweigen wollte. Das Öko-Institut ist zwar vielseitiger und professioneller, aber nicht beliebig geworden. Doch es gibt keine Berührungsängste mehr gegenüber der Industrie. Angefangen hatte es mit einer Nachhaltigkeitsstudie für Hoest Mitte der 90er Jahre. Kritiker hielten es für einen Sündenfall, einige Mitglieder traten aus, ein paar Wissenschaftler verließen den Beirat. "Wir haben aber gemerkt", rechtfertigt Uwe Ilgemann dieses Engagement, "dass wir mit Ordnungspolitik allein die Umwelt nicht sichern können. Wir müssen mit den Akteuren des Marktes zusammenarbeiten." Sie setzen auf ihre Praxisnähe, ihren Anwendungsbezug und das fachübergreifende Herangehen an Umweltthemen. Uwe Ilgemann:

    Wir haben Ökonomen, Ingenieure, Juristen. Sodaß wir, wenn wir eine Problemlösung erarbeiten, immer auch verschiedene Perspektiven abdecken können und nicht eine vielleicht technisch interessante Lösung vorschlagen, die aber dann aber ökonomisch oder juristisch nicht umsetzbar ist.

    Im Laufe der letzten 25 Jahre wurde der Atomausstieg beschlossen, Umweltskandale (zumindest in Europa) sind selterner geworden, Mülltrennung ist fast selbstverständlich geworden und die Branche der erneuerbaren Energie boomt. Das Öko-Institut hat auf seine Weise dazu beigetragen.