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250 Jahre Lomonossow-Universität in Moskau

Es ist einer jener neuen Kneipen im Zentrum Moskaus, die in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden sprossen: Modernes Design, überall Computer an den Tischen mit Internet-Zugang – hier kommen Studenten besonders gerne her. Einer von ihnen ist Alexej Knelz, 24 Jahre alt:

Von Thomas Wagner | 24.01.2005
    Auf Deutsch heißt das: ich studiere Journalismus an der Moskauer Staatsuniversität seit 2003.

    Alexej Knelz spricht Russisch und Deutsch perfekt – kein Wunder: geboren wurde er in Russland; seine Eltern waren so genannte "Russland-Deutsche", die sich in der 80er Jahren zur Ausreise nach Deutschland entschlossen. Damals war Alexej 9 Jahre alt und dachte in den Folgejahren im Traum nicht daran, jemals wieder für eine längere Zeit nach Russland zurückzukehren. Dann, nach dem Abitur, stand die Frage im Raum: Wo was studieren und zu welchen Bedingungen ? Alexej traf eine unkonventionelle Entscheidung: Er schrieb sich an der "Staatlichen Lomonossow-Universität" in Moskau ein.

    Also die Kosten hier, so mit 300, 400 Euro pro Monat, kommt man perfekt 'rum, mit Studentenwohnheim, mit Weggehen, mit Essen. Auf der anderen Seite ist hier sehr viel los in Moskau, also auch Theater, Museen.

    Gründe, die nicht nur Alexej Knelz bewogen haben, in Moskau zu studieren. So vergibt der Deutsche Akademische Austauschdienst in Bonn regelmäßig Stipendien für zeitlich befristete Studienaufenthalte in Russland. Voraussetzung dafür sind aber in der Regel Grundkenntnisse der russischen Sprache. Gerade die Zahl derjenigen, die für ein Jahr nach Russland gehen, ist in den vergangenen Jahren enorm in die Höhe geschnellt: von 35 im vergangenen Jahr auf nunmehr etwa 70. Etwa ein Drittel davon studieren an der Staatlichen Lomonossow-Universität; sie werden vom DAAD mit etwa 400 Euro monatlich unterstützt. Für die meisten, die nach Moskau gehen, steht die Verbesserung der russischen Sprachkenntnisse im Vordergrund. Aber auch die Art, wie bestimmte Fächer gelehrt werden, erscheint vielen attraktiv. Thilo Schwaiger hat in Moskau ein Jahr Physik, Tobias Traut ein Jahr Slawistik und Politikwissenschaften studiert:

    Das kann ich nur bestätigen, dass es hier in Moskau und in Russland eine sehr gute Physikschule gibt und die Naturwissenschaften, speziell die Physik, auf einem sehr hohen Niveau betrieben werden. Sehr wichtig ist ein Punkt, der heißt Polit-Technologie. In Russland hat vieles ein bisschen einen praktischeren Hintergrund bei Politikwissenschaft. Das können so genannte 'schwarze Technologien’ sein, wie man seinen politischen Konkurrenten besser ausschaltet und wie Wahlkampagnen geführt werden. Das alles spielt ja eine größere Rolle.

    Allerdings, findet Alexej Knelz: Das Studium an einer russischen Uni läuft erheblich verschulter ab als in Deutschland:

    Hier ist es mehr auf Lernen und nicht so sehr auf Überlegen...Also das russische Studium ist mehr eine Auswändig-Lenrerei. Als irgendwie Beisammensitzen und sich die Hintergründe erarbeiten, also sehr viel Material, das gelernt werden muss, aber manchmal nicht gelernt werden kann.

    Daneben empfinden gerade die deutschen Studenten in Moskau die angespannte Sicherheitslage als unangenehm: Nach den verschiedenen Terroranschlägen kontrollieren alleine in Moskau rund 500.000 Polizisten ständig Ausweise und Aufenthaltserlaubnisse. Auch an den Eingängen zur Uni gibt es Einlasskontrollen. Constanze Probst aus Wuppertal studierte ein Jahr lang Mathematik in Moskau – genau in jener Zeit, als ein Anschlag auf die Moskauer Metro viele Tote und Verletzte forderte.

    Als das mit der Metro war, das hat mich total verunsichert, weil das ein Verkehrsmittel ist, das man in Moskau absolut nicht umgehen kann. Da wird es einem dann schon komisch, wenn man um 9 Uhr morgens in der Uni sein muss und auf jeden Fall zu den Stoßzeiten in der Metro steht, dann ist das schon irgendwie ein merkwürdiges Gefühl.

    Selbst für deutsche Studenten wird es in Moskau zunehmend einfacher, sich mit einem Nebenjob etwas dazuzuverdienen. Der Grund: Die so genannten "neuen Russen", die zu Geld gekommen sind, wollen häufig, dass ihre Kinder Deutsch lernen, Studenten aus Deutschland sind da als Sprachlehrer immer häufiger gefragt. Alexej Knelz:

    Also hier schießen gerade die Sprachschulen wie Pilze aus dem Boden .Ich habe halt einen guten Draht gehabt zum Institut, und da hat eine Bekannte gemeint: Du, ein Freund von mir macht gerade eine Sprachenschule auf, geh mal hin und ruf den an. Da bin ich halt hingegangen, da hat er gesagt: 20 Dollar die Stunde, ist das o.k. Und ich habe gesagt: Na klar! Dann fallen da so 200, 300 Dollar pro Monat noch an. Und das ist ein nettes Kleingeld.

    Hinzu kommt: Wer ganz oder teilweise in Moskau studiert, hat gute Chancen, nach dem Abschluss einen Job zu bekommen. Denn nach Angaben des DAAD steigt die Zahl deutscher Firmen, die mit Russland Geschäfte machen oder in Russland selbst aktiv sind, täglich; da sind Experten mit deutschen und russischen Sprachkenntnissen gefragt. Mittlerweile sind auch die meisten Abschlüsse, die die Lomonossow-Universität anbietet, europaweit anerkannt. Alexander Knelz:

    Für Ausländer gibt es dann einen geregelten Studiengang. Das sind dann 8 Semester, und am Schluss ist es ein Bachelor, ein internationaler Abschluss. Ich will allerdings noch ein Jahr drauflegen, dann hat man das russische Diplom, den so genannten Spezialisten, den es nur hier an der MGU gibt, an dieser Lomonossow-Universität, an der staatlichen, und der ist mit dem deutschen Diplom gleichzusetzen.