Rainer Sternfeld ist mit sich zufrieden, der Stolz steht ihm ins Gesicht geschrieben. Der 26-Jährige hat das neue Freiheitsdenkmal in Tallinn entworfen und schwärmt an diesem Sommernachmittag von seinem Werk:
"Es sieht aus wie eine Skulptur aus Eis, wie eine Säule, die man aus einem Eisblock gehauen hat. Estland befindet sich in Nordeuropa und so haben wir ein Design erarbeitet, das vor allem nachts gut aussieht. Immerhin ist es hier sechs Monate im Jahr dunkel."
Das Freiheitsdenkmal ist 27 Meter hoch, besteht aus böhmischem Glas und wird nachts von Tausenden kleinen LED-Lampen von innen beleuchtet. Auf der Säule thront das "Libertas-Kreuz", der Orden, der im Unabhängigkeitskrieg 1919 an Soldaten verliehen wurde. Damals erkämpfte sich Estland wie Litauen und Lettland die staatliche Unabhängigkeit, die 1940 mit der Besetzung durch die Sowjetunion endete. Erst 51 Jahre später wurden die drei Länder wieder unabhängig. Es folgten Jahre des Booms, aber inzwischen leiden die Staaten des Baltikums und damit auch die 1,3 Millionen Esten an den Folgen der Finanzkrise: die Immobilienblase ist geplatzt, die Arbeitslosigkeit steigt. Sternfeld und sein Partner Andri Laidre hoffen, dass ihr Denkmal gerade in dieser Zeit Mut macht. Andri Laidre:
"Wenn es allen gut geht, konzentrieren sich die Leute nicht auf die wichtigen Dinge. Aber in Krisenzeiten müssen wir zusammenhalten. Die Leute sollten sich daran erinnern, dass es Estland früher viel schlechter ging – und nicht so pessimistisch sein."
Kritiker stören sich weniger am Idealismus der jungen Designer als an der Gestaltung des Monuments. Mit dem riesigen Libertas-Orden erinnert es nicht nur den Architekturhistoriker Mart Kalm an Nazi-Symbolik und das Eiserne Kreuz. Auch Andrus Koresaar findet deutliche Worte:
"Meine Meinung ist: Das ist eine peinliche Erscheinung in Tallinn, dass man so ein Denkmal in diesem Jahrhundert in solcher Art und Weise errichtet. Mich stört dabei die kulturelle Bedeutung des Kreuzes, und mich stört auch die Weise, wie dieser Wettbewerb gestaltet wurde."
Der 34 Jahre alte Koresaar ist einer der bekanntesten Architekten Estlands. Sein Büro habe die Ausschreibung nicht beachtet, denn in der Jury seien Architekten und Städteplaner in der Unterzahl gewesen, stattdessen hätten der Verteidigungsminister und der Erzbischof dominiert. Seit den 30er-Jahren hat es viele Wettbewerbe für ein Freiheitsdenkmal der Esten gegeben, aber nie wurde es gebaut. Doch im Sommer 2007, nach dem Streit um die Verlegung des "Bronzenen Soldaten" aus der Sowjetzeit, wollte die Regierung offenbar ein Zeichen setzen.
Für Koresaar zeigt das Denkmal, wie sehr die Entwicklung in seiner Heimat stagniert. Ähnlich äußern sich auch andere estnische Intellektuelle. Der deutsche Historiker Karsten Brüggemann, der an der Universität Tallinn lehrt, fürchtet eine neue Runde im Denkmalstreit, denn das Libertas-Kreuz schrecke die russisch-sprachigen Bürger ab – immerhin ein knappes Drittel der Bevölkerung. Viele Passanten sind jedoch neugierig: Sie wollen das Glas der Säule berühren und Fotos machen. Ein Mann mit Kinderwagen, etwa 30 Jahre alt, ist angetan:
"Mir gefällt das Denkmal und ich finde es gut, dass wir nach so vielen Jahren einen Ort haben, an dem wir unsere Unabhängigkeit feiern können. Endlich wurde ein Wettbewerb bis zum Ende durchgeführt."
Seine Ehefrau, eine studierte Kunsthistorikerin, widerspricht:
"Ich finde das Ding viel zu dominant. Ich verstehe nicht, weshalb wir nach 90 Jahren ein solches Denkmal bauen. Wir haben doch bisher auch an jene Männer gedacht, die für ein freies Estland gekämpft haben – wir brauchen so ein "Objekt" nicht."
Ein anderes Ehepaar ist ebenfalls uneinig. Sie wollten das Denkmal sehen, bevor der Mann wieder nach England fliegt: Er arbeitet dort in einer Möbelfirma, denn in ihrem Heimatort gibt es keine Jobs. Die Frau, Mitte 50 und Musiklehrerin, ist kritisch:
"Mir gefällt es nicht besonders, als Modell in der Zeitung sah es schöner aus. Außerdem kann ich nicht verstehen, weshalb wir mitten in der Krise sieben Millionen Euro für ein Denkmal ausgeben."
Ihr Mann hingegen hält das Geld für gut investiert und betont, dass immerhin 12.000 Esten den Bau mit Spenden unterstützt hätten – 200.000 Euro wurden so gesammelt. Doch längst nicht alle Esten widmen dem Denkmal so große Aufmerksamkeit. Eine Schülerin kommt auf dem Weg zum Bus am Freiheitsplatz vorbei und beobachtet die Skateboardfahrer. Für sie und ihre Freunde sei das Denkmal nicht wichtig:
"Wir haben nicht viel darüber geredet, sondern uns nur amüsiert, dass es eine so große Diskussion gibt. Das ist doch lächerlich, es geht doch nur um ein Denkmal. Aber ich mag es: Es ist schlicht und schön."
"Es sieht aus wie eine Skulptur aus Eis, wie eine Säule, die man aus einem Eisblock gehauen hat. Estland befindet sich in Nordeuropa und so haben wir ein Design erarbeitet, das vor allem nachts gut aussieht. Immerhin ist es hier sechs Monate im Jahr dunkel."
Das Freiheitsdenkmal ist 27 Meter hoch, besteht aus böhmischem Glas und wird nachts von Tausenden kleinen LED-Lampen von innen beleuchtet. Auf der Säule thront das "Libertas-Kreuz", der Orden, der im Unabhängigkeitskrieg 1919 an Soldaten verliehen wurde. Damals erkämpfte sich Estland wie Litauen und Lettland die staatliche Unabhängigkeit, die 1940 mit der Besetzung durch die Sowjetunion endete. Erst 51 Jahre später wurden die drei Länder wieder unabhängig. Es folgten Jahre des Booms, aber inzwischen leiden die Staaten des Baltikums und damit auch die 1,3 Millionen Esten an den Folgen der Finanzkrise: die Immobilienblase ist geplatzt, die Arbeitslosigkeit steigt. Sternfeld und sein Partner Andri Laidre hoffen, dass ihr Denkmal gerade in dieser Zeit Mut macht. Andri Laidre:
"Wenn es allen gut geht, konzentrieren sich die Leute nicht auf die wichtigen Dinge. Aber in Krisenzeiten müssen wir zusammenhalten. Die Leute sollten sich daran erinnern, dass es Estland früher viel schlechter ging – und nicht so pessimistisch sein."
Kritiker stören sich weniger am Idealismus der jungen Designer als an der Gestaltung des Monuments. Mit dem riesigen Libertas-Orden erinnert es nicht nur den Architekturhistoriker Mart Kalm an Nazi-Symbolik und das Eiserne Kreuz. Auch Andrus Koresaar findet deutliche Worte:
"Meine Meinung ist: Das ist eine peinliche Erscheinung in Tallinn, dass man so ein Denkmal in diesem Jahrhundert in solcher Art und Weise errichtet. Mich stört dabei die kulturelle Bedeutung des Kreuzes, und mich stört auch die Weise, wie dieser Wettbewerb gestaltet wurde."
Der 34 Jahre alte Koresaar ist einer der bekanntesten Architekten Estlands. Sein Büro habe die Ausschreibung nicht beachtet, denn in der Jury seien Architekten und Städteplaner in der Unterzahl gewesen, stattdessen hätten der Verteidigungsminister und der Erzbischof dominiert. Seit den 30er-Jahren hat es viele Wettbewerbe für ein Freiheitsdenkmal der Esten gegeben, aber nie wurde es gebaut. Doch im Sommer 2007, nach dem Streit um die Verlegung des "Bronzenen Soldaten" aus der Sowjetzeit, wollte die Regierung offenbar ein Zeichen setzen.
Für Koresaar zeigt das Denkmal, wie sehr die Entwicklung in seiner Heimat stagniert. Ähnlich äußern sich auch andere estnische Intellektuelle. Der deutsche Historiker Karsten Brüggemann, der an der Universität Tallinn lehrt, fürchtet eine neue Runde im Denkmalstreit, denn das Libertas-Kreuz schrecke die russisch-sprachigen Bürger ab – immerhin ein knappes Drittel der Bevölkerung. Viele Passanten sind jedoch neugierig: Sie wollen das Glas der Säule berühren und Fotos machen. Ein Mann mit Kinderwagen, etwa 30 Jahre alt, ist angetan:
"Mir gefällt das Denkmal und ich finde es gut, dass wir nach so vielen Jahren einen Ort haben, an dem wir unsere Unabhängigkeit feiern können. Endlich wurde ein Wettbewerb bis zum Ende durchgeführt."
Seine Ehefrau, eine studierte Kunsthistorikerin, widerspricht:
"Ich finde das Ding viel zu dominant. Ich verstehe nicht, weshalb wir nach 90 Jahren ein solches Denkmal bauen. Wir haben doch bisher auch an jene Männer gedacht, die für ein freies Estland gekämpft haben – wir brauchen so ein "Objekt" nicht."
Ein anderes Ehepaar ist ebenfalls uneinig. Sie wollten das Denkmal sehen, bevor der Mann wieder nach England fliegt: Er arbeitet dort in einer Möbelfirma, denn in ihrem Heimatort gibt es keine Jobs. Die Frau, Mitte 50 und Musiklehrerin, ist kritisch:
"Mir gefällt es nicht besonders, als Modell in der Zeitung sah es schöner aus. Außerdem kann ich nicht verstehen, weshalb wir mitten in der Krise sieben Millionen Euro für ein Denkmal ausgeben."
Ihr Mann hingegen hält das Geld für gut investiert und betont, dass immerhin 12.000 Esten den Bau mit Spenden unterstützt hätten – 200.000 Euro wurden so gesammelt. Doch längst nicht alle Esten widmen dem Denkmal so große Aufmerksamkeit. Eine Schülerin kommt auf dem Weg zum Bus am Freiheitsplatz vorbei und beobachtet die Skateboardfahrer. Für sie und ihre Freunde sei das Denkmal nicht wichtig:
"Wir haben nicht viel darüber geredet, sondern uns nur amüsiert, dass es eine so große Diskussion gibt. Das ist doch lächerlich, es geht doch nur um ein Denkmal. Aber ich mag es: Es ist schlicht und schön."