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28.4.1754 - Vor 250 Jahren

Venedigs große Zeit war bereits Legende, als Giovanni Battista Piazzetta im Jahre 1682 zur Welt kam. Maler wie Bellini, Carpaccio, Giorgione, Tizian und andere hatten der Lagunenstadt ihre Bilder und ihren Ruhm hinterlassen. Die Nachgeborenen schienen erschöpft. Und doch stehen auch für die Malerei des 18. Jahrhunderts Künstlernamen wie Tiepolo, Canaletto, Guardi, die gerade in Zeiten des unaufhaltsamen Entmachtungsprozesses noch einmal die große Vergangenheit der Stadt beschwören und ihre Schönheit und ihr unverwechselbares Licht zum Ausdruck bringen.

Von Sigrid Nebelung |
    Erst heute, wo die Kunsthistoriker ein Stück fortgeschritten sind bei der Sichtung des 18. Jahrhunderts, sieht man in Piazzetta einen der kühnsten und kraftvollsten Maler seiner Epoche. Er steht im Gegensatz zu der eleganten, verfeinerten Malerei des Rokoko, die überall in Europa Triumphe feierte.

    In Venedig hat er, mit kurzen Unterbrechungen, sein ganzes Leben verbracht. Sein Vater war ein Bildhauer und Holzschnitzer, in dessen Werkstatt Piazzetta schon als Kind mit der Kunst in Berührung kam. Seine Ausbildung als Maler erhielt er zuerst in Venedig und später in Bologna bei Giuseppe Crespi.

    1711 kehrte Piazzetta nach Venedig zurück, heiratete, hatte sieben Kinder. Ein Zeitgenosse berichtet:

    Er besaß einen scharfen und keineswegs ungeschulten Geist, dazu höfliche und angenehme Umgangsformen, obschon er die Einsamkeit liebte und auch ein wenig schwermütig war. Er legte keinen Wert auf Ehrungen und war ebenso wenig auf den eigenen Vorteil bedacht. Er lebte ganz in der Liebe für die Kunst, der er im wahrsten Sinne des Wortes alle Tage und alle Gedanken seines Lebens widmete.

    In seiner Frühzeit bevorzugte Piazzetta dramatische Hell-Dunkel-Kontraste, wie sie für die Schule der "Tenebrosi" charakteristisch sind. Doch gibt es aus seinen Anfängen kein sicher datiertes Bild. Erst um 1720 findet man in den Kirchen Venedigs einige große Altarbilder von seiner Hand. Bei der "Apotheose des Hl. Dominikus" in der Kirche der Heiligen "Giovanni und Paolo" entfaltet er neue Lichtwirkungen:

    Das ovale Deckengemälde ist so aufgebaut, dass schräge Kompositionslinien den Blick nach oben lenken, hin zur lichtüberströmten Darstellung der Madonna. Die Heiligen steigen aus hellen Wolkenformationen auf – gleißender als alles, was Piazzetta zuvor gemacht hatte.

    Doch mehr als alle Heiligen – und Historienbilder liebte er Szenen aus dem alltäglichen Leben, Genrebilder, auch Porträts und pastorale Landschaften.

    Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum besitzt mit dem "Ländlichen Spaziergang" ein Hauptwerk Piazzettas:

    Das in dunklen Brauntönen gehaltene Bild scheint einen ländlichen Ausflug vornehmer Städter zum Inhalt zu haben. Auf einem hellen Erdwall, einer Düne vielleicht, hat sich eine Dame mit einem Sonnenschirm niedergelassen. Die wendet dem Betrachter den Rücken zu als blicke sie aufs Meer. Hinter ihr steht ihre Zofe. Vor der Düne hat es sich ein Bauernbursche bequem gemacht (Piazzettas Sohn Giacomo saß dem Maler für diese Figur Modell). Er als einziger fixiert den Betrachter und weist, nicht sehr ehrerbietig, mit der Linken über die Schulter zu den beiden Damen hin.

    Will Piazzetta hier den Gegensatz von Armut und Reichtum in sozialkritischer Absicht darstellen? Wohl kaum. Das Licht fällt voll auf die beiden Damen im Hintergrund. Die Feinheit der Züge, die Eleganz und Empfindsamkeit verleihen dem Werk eine vorausweisende Modernität bis hin zu Goya und Manet.

    Der Auftraggeber dieser Pastorale war Feldmarschall von der Schulenburg, ein Deutscher, 1717 von den Venezianern als oberster Feldherr angeworben. Seine Verteidigung Korfus gegen die Türken trug ihm die lebenslange Dankbarkeit Venedigs ein. Vivaldi widmete ihm ein Militäroratorium.

    Ab 1724 machte sich Schulenburg als Kunstsammler einen Namen, Piazzetta wird für ihn tätig, auch als Restaurator und Berater mit schriftlichen Bild-Expertisen. Mit 13 Gemälden und 19 ausgearbeiteten Zeichnungen besaß Schulenburg die größte Piazzetta-Sammlung seiner Zeit.

    Schulenburgs Wunsch, seine Sammlung nach seinem Tod geschlossen zu erhalten, wird von den Erben nicht erfüllt. Die meisten Gemälde wurden 1775 in London durch Christie´s verkauft.

    Der Künstler überlebte seinen Mäzen um sieben Jahre. Bei seinem Tod, 1754, soll Piazzetta so arm gewesen sein, dass sich die Familie mit einem schriftlichen Gesuch um Unterstützung an den Dogen in Venedig wandte.