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28.5.1779 - Vor 225 Jahren

Tis the last rose of summer

Von Joachim Scholl | 28.05.2004
    Left blooming alone
    All her lovely companions
    Are faded and gone

    Die letzte Rose des Sommers, alleine sie blüht noch, all ihre liebenswerten Gefährten sind verwelkt – bis heute ist dieses zarte Stück Musik und Poesie ein Welthit, gedichtet und komponiert vor über 200 Jahren von einem jungen Iren, der auszog, um berühmt zu werden. Und er schaffte es! Mit dreißig Jahren zählte Thomas Moore neben Lord Byron, Shelley, Keats und Sir Walter Scott zu den bekanntesten Dichtern Großbritanniens, die deutschen Romantiker verehrten ihn, auch Goethe zollte ihm höchstes Lob. In der Gesellschaft Londons war er ein Star, am englischen Königshof ein gern gesehener Gast. Wenn der Poet zur Gitarre griff und seine anmutigen Verse sang, seufzten die Damen, und zahlreiche hohe Herren subskribierten willig den neuesten Band mit Gedichten. Alle liebten Thomas Moore.

    Es war die unbeschwerte und so fröhliche Zeit meiner Kindheit, die in mir jenen Geist der Freude schuf, der mein Wesen prägte und – dem Herrn sei Dank – mich fortan treu begleitete. Aber ebenso früh entstand ein starkes Gefühl und Interesse für die politischen Erregungen der Epoche, die mich schon als kleinen Jungen in ihren Bann zogen und tief bewegten.

    Thomas Moore kam in Dublin zur Welt. Obwohl sein Vater nur ein kleiner Ladenbesitzer war, herrschte in seiner Familie ein ausgesprochen geistvolles Klima. Man las und musizierte, dichtete und diskutierte. Schon als Kind war Thomas Moore hochbegabt, spielend bewältigte er die Schule und später, mit einem Stipendium versehen, das renommierte Trinity College in Dublin. Dort geriet der Katholik in die Kreise irischer Nationalisten, wurde sein Sinn für "the Irish cause", die Unabhängigkeit Irlands, geschärft. Von den gewaltsamen Unruhen, die 1798 ausbrachen, hielt er sich fern, später warf man ihm mangelnden Patriotismus und sogar Verrat vor. Denn ein Jahr nach dem Aufstand ging Thomas Moore nach England, um in London ein Jura-Studium zu beginnen. Ein erstes dichterisches Werk befand sich in seinem Gepäck, die "Oden des Anakreon", die er übersetzt hatte. Das Büchlein machte ihn bekannt, er durfte es dem Prince of Wales persönlich widmen. Adlige Gönner verschafften dem jungen Mann einen Posten bei der Königlichen Admiralität, der Weg zum Erfolg war geebnet. Bald erschienen weitere Bände mit eigenen Gedichten und selbstkomponierten Liedern, die rasch populär wurden. Der Durchbruch zum europäischen Ruhm erfolgte 1808 mit den "Irish Melodies", irischen Volksweisen, die Thomas Moore neu entdeckte und über die Jahre in insgesamt zehn Bänden herausgab. Er verstand diese Arbeit auch als politisches Engagement für die "irische Sache". In einem Brief an seinen Verleger schrieb der Dichter:

    Ich sehe mit großer Spannung auf dieses Unternehmen. Wir haben allzulange dieses Talent vernachlässigt, das einzige, das unsere englischen Nachbarn als solches anzuerkennen sich jemals herabließen. Unsere Volksmusik ist nie systematisch gesammelt worden, und während die Komponisten des Kontinents ihre Opern und Sonaten mit den Melodien Irlands bereicherten – allzu oft, ohne dies überhaupt kenntlich zu machen - , haben wir selbst diese Schätze in beklagenswerter Weise verkümmern lassen.

    Um 1815 war Thomas Moore nicht nur einer der beliebtesten Dichter, sondern auch der bestverdienende seines Landes. Für sein orientalisches Vers-Epos "Lalla Rookh" erhielt er sensationelle 3000 Pfund, noch bevor überhaupt eine Zeile geschrieben war – die höchste Summe, die damals für ein literarisches Werk gezahlt wurde. Die Nachricht wurde in London zum Tagesgespräch. Befreundet mit vielen großen Dichtern der Epoche, pflegte Thomas Moore vor allem mit dem Dichtergott Lord Byron enge Vertrautheit – was dann zu jenem Ereignis führte, das Anglisten das größte Desaster der englischen Literaturgeschichte nennen. Kurz vor seinem tragischen Tod übergab Byron dem Freund seine Memoiren. Doch Byrons Familie bat den erschütterten Moore, das Manuskript, nicht zu veröffentlichen. Zuviel drastische Erotik, munkelt man bis heute. Feierlich verbrannte Thomas Moore die Handschrift. Eine Biographie, die er bald darauf über den Gefährten Byron schrieb, wurde ein Bestseller. So groß Thomas Moores dichterischer Erfolg auch war – seine letzten Jahre waren von schweren Depressionen überschattet. Er musste den frühen Tod aller seiner fünf Kinder erleben, am Ende hat er diese Schicksalsschläge nicht mehr verkraftet. Die ganze Welt summte inzwischen seine Melodien, doch dieser Ruhm drang nicht mehr zu ihm durch. Thomas Moore starb am 25. Februar 1852 in geistiger Umnachtung.