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29. Februar 1904 - Vor 100 Jahren

Er war schüchtern, ausgleichend und gerecht; und trotz einer Neigung zum Alkohol kollegial bis zur Selbstaufgabe. Damit hatte er all jene Eigenschaften, die man im knallharten Swing-Geschäft als Bandleader besser nicht haben sollte: und doch wurde Jimmy Dorsey einer der erfolgreichsten weißen Bandleader der Swing-Ära.

Von Günther Huesmann | 29.02.2004
    Als Klarinettist war er eine freundliche Konkurrenz für den King of Swing, Benny Goodman. Seine wahre Bestimmung aber fand er im virtuosen Altsaxophonspiel. Jimmy Dorseys Ton hatte überhaupt keine Kanten. Dieser Sound durchschnitt die Luft nicht, er floss, er glitt dahin wie eine Feder auf der spiegelglatten Oberfläche eines Sees. Dieser Hang zur milden Eleganz, zum polierten Glanz machte Jimmy Dorsey zum Vorbild der Jazz-Modernisten. Von Charlie Parker bis Ornette Coleman sangen sie ein Loblieb auf ihn. Und Lester Young meinte:

    Jimmy gehörte zu denjenigen, die eine Geschichte erzählen können. Eine, die ich hören möchte.

    Geboren in Shenandoah, Philadelphia, wächst Jimmy Dorsey im Arbeiter-Mileu auf. Sein Vater, ein Bergarbeiter, sorgt dafür, dass seine beiden Söhne, Tommy und Jimmy, Instrumente lernen. Jimmy ist ein Wunderkind. Mit 9 spielt er Zugtrompete in einem New Yorker Varietéorchester. 17jährig wird er Mitglied der Jean Goldkette Band, wo er an der Seite des Trompeters Bix Beiderbecke musiziert. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Tommy, der Posaune spielt, gründet er ein Studioorchester. Im New York der zwanziger Jahre spricht sich ihre technische Meisterschaft in den Plattenstudios schnell herum. 1934 beschließen die beiden Brüder, mit ihrem Studioorchester öffentliche Konzerte zu geben. Als Dorsey Brothers sind sie ein Sensationserfolg.

    Tommy ist der Zuchtmeister und Choleriker in der Band, Jimmy der Milde und Kollegiale. Freunde wundern sich, wie es die beiden bei ihren ständigen Streits miteinander aushalten. Dann 1935, im Glen Island Casino: Ein Bruderzwist auf offener Bühne über das richtige Tempo des Songs "I'll Say Never, never again'". Er bewirkt, dass Tommy mitten im Konzert die Band verlässt. Familiäre Funkstille, 13 Jahre lang werden die beiden nicht mehr gemeinsam auftreten.

    Aber Jimmy obwohl alles andere als ein Organisationstalent - übernimmt das Orchester. Und er führt es zu einer der erfolgreichsten Big-Bands der Swing-Ära. Den Hardlinern der improvisierten Musik war er zu kommerziell, sie witterten in seinem Jazz:

    Massenkonfektion in Sweet.

    Doch sein Gespür für Sänger war so groß, dass er sie nicht wie das die meisten Swing-Bands taten lieblos in Einzelstücken abfeierte. Seine Vokalisten standen gleichberechtigt neben der Band auf der Bühne, und Dorsey bildete ganze Arrangements um seine Vokalisten. Sein Hang zu unvermittelten Rythmuswechsel brachte den Chef einer großen Plattenfirma so sehr in Rage, dass dieser sich weigerte, Dorseys Markenzeichen aufzunehmen:

    Die Leute werden sich die Beine brechen, wenn sie nach all diesen Tempowechseln tanzen sollen.

    Dass er es als weißer Bandleader wagte, eine afro-amerikanische Sängerin - die Vokalistin June Richmond - in die Band zu holen, war im damaligen Amerika der Rassentrennung eine Provokation. Dabei empfand Dorsey sich selbst als unpolitisch. Bis zu seinem Tod 1957 blieb er ein Meister der Freundlichkeit, der Verbindlichkeit und des swingenden Humors.

    Wenn du dich schlecht fühlst, hör' auf, über dich nachzudenken und wachse einfach darüber hinaus.