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3.500 Unterschriften für ein Fernsehprogramm

Deutschland ist Kulturnation, auch im Fernsehen, aber ja doch, zumindest, wenn man das Programm mit dem italienischen vergleicht. Wir haben 3sat, wir haben Arte, wir haben den Grimme-Preis, und es ist möglich, trotz hierarchieträchtiger ARD-Strukturen eine Sendung wie "Bunte-TV" abzusetzen und einen Sportchef, der product placement für die Firma seiner Frau betreibt, zum Rücktritt zu bewegen. Italien hat von allem das Gegenteil: einen Regierungschef, der ziemlich schamlos Gesetze zum Wohl der eigenen Senderfamilie durchpeitscht; eine vom privaten Fernsehen dominierte Fernsehlandschaft – und kein ARTE. Das sollte anders werden, der Kuturkanal sollte ins italienische Kabelnetz eingespeist werden, doch dann kam es anders…

Von Thomas Migge |
    Silvio Berlusconi ist seit einigen Monaten nicht gut auf den deutsch-französischen Kulturkanal Arte zu sprechen. Hatten sich die Redakteure doch tatsächlich erlaubt, eine Reportage auszustrahlen, die kritisch die dunklen Seiten in der Biographie des italienischen Unternehmers unter die Lupe nimmt - seine dubiose Vergangenheit, als er, so vermutete die Reportage aufgrund langer Recherchen, Geld der Mafia gewaschen haben könnte und auf diese Weise reich wurde. Berlusconi intervenierte bei Arte und bat kraft seines Amtes als italienischer Regierungschef darum, den Film aus dem Programm zu nehmen. Bei Arte dachte man gar nicht daran, diesem Wunsch nachzukommen. Berlusconi reagierte prompt. Über seine Leute bei der öffentlich-rechtlichen RAI ließ er den bereits geplanten Vertrag auf Zusammenarbeit zwischen dem italienischen Staatsfernsehen und Arte platzen.

    Die Italiener, das war Berlusconis Botschaft, sollen den seiner Meinung nach subversiven Kulturkanal nicht zu sehen bekommen - jedenfalls nicht über jene Kabel, die auch die Programme der RAI ausstrahlen. Wer in Italien Arte sehen will muss sich eine Satellitenschüssel auf das Dach setzen und französisch oder deutsch sprechen. Eine italienische Ausgabe, auch nur mit Untertiteln, wird es bis auf weiteres nicht geben. Gegen dieses Verdikt des Medienzaren begehren nun italienische Bürger auf. Allen voran der weltberühmte Dirigent Claudio Abbado. Er wettert in zahlreichen Interviews gegen die medienpolitische Arroganz von Berlusconi. Er gehört auch zu den ersten Unterzeichnern einer Bürgerinitiative für Arte in Italien. Unter dem Motto "Difendiamo Arte", verteidigen wir den Kanal Arte, taten sich Intellektuelle wie die Schriftstellerin Dacia Maraini und Künstler wie der Sänger Placido Domingo sowie Regisseure wie Nanni Moretti und Roberto Benigni zusammen. In den letzten zwei Wochen sammelten die Mitglieder dieser Bürgerinitiative fast dreitausend Unterschriften, die jetzt an den Regierungschef in Rom geschickt wurden - mit der Aufforderung, dem Bürgerwillen nachzukommen und auch das italienische Fernsehpublikum am deutsch-französischen Kulturkanal teilhaben zu lassen. Unterstützt wird diese Aufforderung vom italienischen Verband der Fernsehzuschauer und von Bürgermeistern linksregierter Städte wie zum Beispiel Parma. Auch die Präsidenten einiger Regionen - vergleichbar den deutschen Bundesländern - fordern eine nationale Ausstrahlung von Arte, um, so der Präsident der Region Emilia-Romagna, dem "immer dümmer werdenden TV-Klamauk des Italo-Fernsehens endlich etwas Positives entgegenzusetzen”. Selbst die Präsidentin der RAI, Lucia Annunziata, hat ihre Unterschrift unter den Aufruf "Verteidigen wir Arte" gesetzt.

    Wie nun die Regierung reagieren wird ist unklar. Weil damit gerechnet wird, dass Berlusconi sich taub stellt, plant die Bürgerinitiative eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof. Die hohen Richter sollen klären, ob der Regierungschef wirklich so allmächtig ist, dass er die Meinungsvielfalt unterbinden und das Ausstrahlen von Arte verbieten kann oder aber ob er die Zulassung von Arte genehmigen muss.