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3-D-Minimalismus

Sie ist Bildhauerin und gilt als eine der bedeutenden deutschen Künstlerinnen der Gegenwart: Isa Genzken. Mit unkonventionellem Materialeinsatz hat Isa Genzken wesentlich zur Erweiterung der Skulptur der letzten Jahrzehnte beigetragen. Ihr Werk umfasst neben der Plastik auch Foto und Video, Collagen und Bücher. Ein überwiegend kühles, oft formal argumentierendes Werk - zwischen Autonomie der Form, minimalistischer Strenge und existentieller Melancholie. In einer Parallel-Aktion sind in diesem Sommer zwei Ausstellungen der Künstlerin zu sehen, und zwar in Innsbruck und in der . Dort zeigt Isa Genzken eine eigens für Kiel konzipierte Werkschau.

Von Carsten Probst |
    "New Buildings for Berlin" - Neue Bauten für Berlin: Natürlich Hochhäuser, schätzungsweise mindestens vierzig Stockwerke. Die riesigen Blöcke wirken, wenn sie je gebaut würden, alle ein wenig wie das World Trade Center vor seiner Zerstörung: glatt und mit einer völlig gleichförmigen Außenhaut, man fragt sich, ob sie Fenster haben, oder ob sie nicht vielmehr alle nur aus Fenstern bestehen. Das Licht scheint hindurch, denn die Hülle ist aus geriffeltem, farbigem Epoxidharz, und im Grunde sind diese Gebäude ohnehin nichts als Hülle, ohne geplantes Innenleben und leer. Je länger man vor diesen Objekten steht, desto unwirklicher erscheinen sie einem. Isa Genzken schuf sie 2001. Auf der letzten documenta sahen nicht wenige darin ein Art architektonisches Modell für eine Gedenkstätte, sozusagen Genzkens Beitrag weniger für Berlin, als für Ground Zero, "gläserne Särge" für die Opfer, so hieß es damals, als sei man bei Schneewittchen und den sieben Zwergen angelangt. Möglich, dass diese eigentümlichen Skulpturen eine Reaktion auf den 11. September waren, aber man weiß es nicht. Es entspräche auch nicht dem Temperament und Selbstverständnis der 1948 geborenen Bad Oldesloerin, große Betroffenheitsadressen zu formulieren. Pathos ist nicht Isa Genzkens Stil. Gerade das stellt ihr Publikum manchmal vor schwierige Fragen. Was sollen zum Beispiel die beiden überdimensionalen Regiestühle, die wie Disko-Kugeln mit kleinen Spiegelplättchen beklebt sind und sich um die eigenen Achsen drehen? Oder was soll diese überdimensionierte Designerstehlampe, die ganz einfach so dasteht mit ihrem Epoxidharz-Lampenschirm, als sei er eigentlich auch ein "Neubau für Berlin"? Gentzken macht es ihrem Publikum manchmal schwer, weil sie nie völlig abstrakt ist. Immer erkennt man etwas wieder. Irgendeine Form, die, leicht verfremdet, doch fast alltäglich daherkommt: Möbel, Häuser, Körperteile. Das verführt dazu, die Geschichten hinter den Dingen lesen zu wollen. Doch dafür gibt Genzken wiederum selten klare Anhaltspunkte. Dafür ist ihre Kunst wiederum zu abstrakt.

    1991, zehn Jahre vor ihren gläsernen Berliner Hochhaustürmen, ließ sie eine Röntgenaufnahme ihres eigenen Kopfes machen und stellte sie als Bild aus. Und dieses schlichte Werk mit seiner einfachen Idee bündelt alles in sich, was Genzkens Kunst ausmacht: Es ist ein Selbstportrait ebenso wie die Aufnahme einer durchscheinenden Textur. Sie deutet auf die noch viel unfaßbarere Vernetzung der Gehirnstrukturen und ist dabei doch auch immer noch so etwas wie ein klassisches Memento mori. So gesehen wirken etwa die geriffelten, durchscheinenden Oberflächen aus Epoxidharz, die Genzken so gern verwendet auch wie eine Textur aus Licht. Die Hochhäuser für Berlin sind so betrachtet wie "Gehirne" der Neuen Republik, jedoch in einer höchst rationalisierten Form. Die Designerlampe wird zu einem Mischwesen zwischen Objekt und Lebewesen, die ebensogut als Collage von Körperteilen gedeutet werden kann. Die mit kleinen Spiegelmosaiksteinchen beklebten Sessel haben dieselbe strenge und zugleich endlos lichtbrechende Oberfläche wie die Lampe oder die Hochhausmodelle, doch weil sie dabei auch noch langsam rotieren, haben sie doch etwas Meditatives an sich. Wenn man dazu noch weiß, dass diese Sessel einmal in Genzkens Atelier standen, verwandeln sie sich prompt in Objekte der Kontemplation, jener Art durchaus nicht nur künstlerischer Versenkung, die eine fundamentale Grundlage für Isa Genzkens Werk zu sein scheint.

    Ihre Ausstellungen sind selbst verdichtete, poetische Gesamtinstallationen. Das einzige, was man dieser Kieler Schau vorwerfen kann, ist dass sie so klein geraten ist. Ursprünglich war eine viel umfassendere Präsentation geplant, aber dann verhinderte, wie es heißt bei der Kunsthalle, der volle Ausstellungskalender Genzkens weitere Leihgaben. Statt zu warten, hat man sich dann mit deutlich weniger zufriedengegeben. Eigentlich ein Armutszeugnis, denn gerade für das Ausstellungspublikum erschließt sich Genzkens Werk am besten, wenn man es sich ausbreiten und die Verbindungen der einzelnen Arbeiten untereinander wuchern lässt. So bleibt es fast zwangsläufig eine reduzierte Schau für die Kenner und Liebhaber und damit genau das, was Genzkens Werk und eigentlich auch die Kunsthalle gerade nicht darstellen wollen.