Einen "Feldzug durch Leipzig" nennt der Leipziger Intendant Wolfgang Engel seine Wallenstein-Inszenierung, für die mit dem Slogan "3 Teile - 3 Orte - 1 Tag" geworben wird. Schillers dramatisches Gedicht in drei Teilen war bei der Weimarer Uraufführung zwischen Oktober 1798 und April 1799 auf drei Tage aufgeteilt, und spätere Inszenierungen behalfen sich oft mit radikalen Kürzungen. Zuletzt hat die Gruppe Rimini Protokoll mit ihrem Wallensteinprojekt gezeigt, dass Schillers altes Drama durchaus aktuelle Probleme verhandelt. 0bwohl hier nicht Schillers Text gespielt wurde, sondern so genannte "Experten des Alltags" von Lebenserfahrungen und Haltungen berichteten, die denen von Schillers Figuren ähnelten: In Leipzig begann es bereits am Nachmittag in einer leer stehenden, heruntergekommenen Baumwollspinnerei mit "Die Piccolomini", dem zweiten Teil der Trilogie, und endete kurz vor Mitternacht vor dem monumentalen Völkerschlachtdenkmal mit "Wallensteins Lager", dem eigentlich ersten Teil. Shuttle-Busse transportierten die rund 700 Zuschauer von Spielort zu Spielort, und in einer großen Pause wurden im Theater leibliche Genüsse aus Landsknechtstagen geboten. Zuvor aber bestimmten in der Spinnerei die Zeichen des Krieges das Geschehen. Tarnnetze und Sandsackverhaue wiesen den Weg in einen maroden, weiten Saal. Vor einer durchbrochenen, schmutzig-weiß verputzten Wand, links lodert ein Kaminfeuer, rechts hängt ein Kronleuchter, stehen ein Schreibtisch für Wallenstein und ein paar Stühle für die Offiziere: Bühnenbildner Horst Vogelgesang hat die Halle zum atmosphärischen Konzentrationsraum für die Stückfiguren gemacht. Denn Schillers Geschichte aus dem 30jährigen Krieg zeigt nicht den Krieg auf der Bühne, sondern erzählt von ihm in der Psychologie seiner Figuren. Schillers Geschichte um den Feldherrn Wallenstein, der durch Politik und Macht deformiert wird und sich als Subjekt verloren geht, wird in Leipzig als Suchbewegung eines Menschen nach Selbstbestimmtheit gezeigt. Wallenstein ist hier weder ein großer, heroischer Held noch ein schwankender Charakter, dem der Krieg oder die Einigung Deutschlands wirklich am Herzen liegen. Wallenstein kämpft wie alle in dieser Inszenierung darum, sein eigener Herr sein zu können. Der recht junge Stefan Schießleder, ein Darsteller von großer Energie und körpersprachlich-gestisch gebändigter Kraft, ist weniger Politiker als Manager der Macht, zugleich ein Spieler und ein Denker mit auch krimineller Energie. Er ist das überzeugende Zentrum einer Inszenierung, in der der Krieg nur eine Metapher für die Konkurrenz unter den Männern ist. Die zwar als Militärs kenntlich sind, aber doch alle recht individuell und fast zeitlos gekleidet daherkommen. Hier geht es weniger um Werte als um Macht, man verhandelt nicht so sehr einen industriell-militärischen Problemkomplex, sondern den von menschlichen Beziehungen. Letztere werden ausgestellt, dabei ihrer Fallhöhe beraubt und individuell verständlich (wie es Claus Peymann in seiner Inszenierung von Kleists "Die Hermannschlacht" vorgemacht hat). In dieser Männerwelt haben die Frauen wenig Chancen, wenn sie sich nicht wie die Gräfin Terzky (gespielt von der famosen Heidi Ecks) innerlich und äußerlich, mit einem Lederwams und "männlicher" Körperhaltung, panzern. Wallensteins Ehefrau kann dagegen nur jammern, während seine Tochter Thekla sich mit offener Lebenssehnsucht in die Liebe zu Max Piccolomini wirft. Die Szenen zwischen den beiden Liebenden überzeugen schauspielerisch durch ihre anrührende Kraft, doch die Liebe ist kein Gegenmodell. Das normale Männerleben heißt Kampf, letztlich scheint hier die Beziehung zwischen Max und Wallenstein als die wichtigere.
"Wallensteins Tod" spielt dann im Schauspielhaus auf einer Bühne, die eine Art schwarz wattiertes, bunkerartiges Machtzentrum zeigt. Absperrseile weisen die Wege oder versperren sie, und der heruntergehende Eiserne Vorhang wird als Metapher für verhängnisvolle End-Situationen genutzt. Die Intrigendramaturgie des Stückes wird kräftig ausgemalt: Hier wird im doppelten Sinne tödliches Theater gespielt. Wallensteins Mörder sind Theaterfiguren, die sich zwischen Turnhallenbänken aus als Requisitenkammern dienenden Spinden zwängen.
Enttheorisiert, entpathetisiert, ganz ohne die üblichen Einsprengsel von zeitgeistigen, coolen Sprüchen oder wohlfeilen Heiner-Müller-Zitaten: so kommen Schillers Verse in Wolfgang Engels Inszenierung daher. Und sie klingen bei dem vorzüglichen Leipziger Ensemble so lebendig wie selbstverständlich; sind nicht Zitate, sondern benennen menschliche Haltungen. Dennoch: dieser Mittelteil wirkt doch arg gedehnt, sehr ausgestellt, - die dramatische Spannung verfliegt in den ausgepinselten Figurentableaus.
Der dritte Teil, "Wallensteins Lager", findet auf einem Ponton statt, im Wasserbassin vor dem Völkerschlachtdenkmal. Dieser ans Ende gesetzte, eigentlich erste Teil von Schillers dramatischem Gedicht stellt die lebendige, hoffnungsfrohe Soldatenschar dem übermächtig drohenden Totendenkmal des Leipziger Völkerschlachtdenkmals gegenüber. Eine wild rappende, auf Tonnen trommelnde bunte Soldatenschar hält zu Wallenstein, weil dieser sie "sie selber" sein lässt. Bei ihm dürfen sie saufen, raufen, Mädchen haben, da können, wir sind beim Freilichttheater, die tatsächlich berittenen kaiserlichen Werber ebenso wenig ausrichten wie ein mahnender Priester. Wir sehen noch einmal das Aufbäumen der Soldaten im anarchischen Wollen des "lasst uns jetzt leben: "Und trifft es morgen, so lasset uns heut/Noch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit."
Was aus all diesen Sehnsüchten wird, hat der Zuschauer jedoch bereits zuvor erlebt. Ein Zuschauer, dem die Natur noch eine Mondfinsternis bescherte, die ihn den bindfädrigen Dauerrregen vergessen ließ.
Insgesamt überzeugte die Leipziger Wallenstein-Inszenierung konzeptionell und schauspielerisch. Zwar war sie kein großer Wurf, aber doch ein Theaterspektakel mit großem Atem.
"Wallensteins Tod" spielt dann im Schauspielhaus auf einer Bühne, die eine Art schwarz wattiertes, bunkerartiges Machtzentrum zeigt. Absperrseile weisen die Wege oder versperren sie, und der heruntergehende Eiserne Vorhang wird als Metapher für verhängnisvolle End-Situationen genutzt. Die Intrigendramaturgie des Stückes wird kräftig ausgemalt: Hier wird im doppelten Sinne tödliches Theater gespielt. Wallensteins Mörder sind Theaterfiguren, die sich zwischen Turnhallenbänken aus als Requisitenkammern dienenden Spinden zwängen.
Enttheorisiert, entpathetisiert, ganz ohne die üblichen Einsprengsel von zeitgeistigen, coolen Sprüchen oder wohlfeilen Heiner-Müller-Zitaten: so kommen Schillers Verse in Wolfgang Engels Inszenierung daher. Und sie klingen bei dem vorzüglichen Leipziger Ensemble so lebendig wie selbstverständlich; sind nicht Zitate, sondern benennen menschliche Haltungen. Dennoch: dieser Mittelteil wirkt doch arg gedehnt, sehr ausgestellt, - die dramatische Spannung verfliegt in den ausgepinselten Figurentableaus.
Der dritte Teil, "Wallensteins Lager", findet auf einem Ponton statt, im Wasserbassin vor dem Völkerschlachtdenkmal. Dieser ans Ende gesetzte, eigentlich erste Teil von Schillers dramatischem Gedicht stellt die lebendige, hoffnungsfrohe Soldatenschar dem übermächtig drohenden Totendenkmal des Leipziger Völkerschlachtdenkmals gegenüber. Eine wild rappende, auf Tonnen trommelnde bunte Soldatenschar hält zu Wallenstein, weil dieser sie "sie selber" sein lässt. Bei ihm dürfen sie saufen, raufen, Mädchen haben, da können, wir sind beim Freilichttheater, die tatsächlich berittenen kaiserlichen Werber ebenso wenig ausrichten wie ein mahnender Priester. Wir sehen noch einmal das Aufbäumen der Soldaten im anarchischen Wollen des "lasst uns jetzt leben: "Und trifft es morgen, so lasset uns heut/Noch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit."
Was aus all diesen Sehnsüchten wird, hat der Zuschauer jedoch bereits zuvor erlebt. Ein Zuschauer, dem die Natur noch eine Mondfinsternis bescherte, die ihn den bindfädrigen Dauerrregen vergessen ließ.
Insgesamt überzeugte die Leipziger Wallenstein-Inszenierung konzeptionell und schauspielerisch. Zwar war sie kein großer Wurf, aber doch ein Theaterspektakel mit großem Atem.