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30 Jahre Eiszeit

Seit es die Islamische Republik Iran gibt, sind ihre Beziehungen zu den USA angespannt. Ein deutlichen Zeichen dafür war die Besetzung US-Botschaft in Teheran im November 1979. Ein Blick zurück auf die Wurzeln einer schwierigen Beziehung.

Von Ulrich Pick |
    Die Stimmung in Teheran an jenem 4. November 1979 war gereizt. Keine drei Tage war es her, dass Revolutionsführer Ayatollah Ruollah Khomeini von seinen Anhängern - wie er es nannte - eine Aktion gefordert hatte. Eine Aktion, die der Welt einmal mehr demonstrieren sollte, dass Iran endgültig eine islamische Republik geworden war und der Schah ein für alle Mal abgesetzt. Jener Schah, der ein Jahr zuvor noch Hunderte von Demonstranten hatte niederschießen und eine Militärregierung einsetzen lassen.

    "Tod Amerika!" skandierten deshalb revolutionstreue Demonstranten, von denen dann gegen 10:45 Uhr einige Dutzend auf das Gelände der amerikanischen Botschaft drangen und zum Schrecken der Weltöffentlichkeit 66 US-Bürger in ihre Gewalt brachten. Denn die Washingtoner Vertretung - so erklärte Staatssekretär Sadegh Tabatabae später der ARD - sei ein Hort der Spionage.

    "Da es nachgewiesen worden ist, dass diese Leute in der amerikanischen Botschaft schon nach der Revolution an vielen Unruhen im Lande beteiligt waren, und dies sogar geplant hatten, so kommt man mit Recht auf die Schlussfolgerung, dass es sich dort nicht um ein regelrechtes Diplomatiezentrum handelte, sondern um ein Spionagezentrum."

    Ayatollah Khomeini ließ die Botschaftsbesetzer gewähren: Weder befürwortete er die Aktion, noch verurteilte er sie. Denn er wusste, dass mit jedem Tag, den die Geiselnahme andauerte, seine Autorität wuchs und damit zugleich der Druck auf Washington. Da Verhandlungen erfolglos blieben, sah US-Präsident Jimmy Carter nur einen Ausweg. Und so startete er am 24. April 1980 eine militärische Befreiungsaktion - mit verheerenden Folgen, wie er einräumen musste.

    "Nachdem sich das Team nach meiner Anordnung zurückgezogen hatte, sind zwei Hubschrauber am Boden zusammengestoßen, nachdem sie in einer Tankstation in der iranischen Wüste aufgetankt hatten. Es gab keine Kampfhandlungen, aber zu meiner Bestürzung kamen acht Besatzungsmitglieder um's Leben. Aber wir werden nicht aufgeben."

    Die missglückte Rettungsaktion lies Carters Popularität sinken und an seiner statt wurde im November 1980 Ronald Reagan ins Weiße Haus gewählt. Doch am Tag, an dem dieser in sein Amt eingeführt wurde, kam auch Carter noch einmal ins Rampenlicht. Denn am 20. Januar 1981 konnte der abgewählte US-Präsident seine freigelassenen Landsleute in Frankfurt am Main in Empfang nehmen - nach genau 444 Tagen Geiselhaft:

    "Ich möchte es ganz deutlich sagen, dass die iranische Regierung und alle die dafür verantwortlich sind, auf alle Zeiten verdammt sein mögen für diese Behandlung, die sie unseren Mitbürgern haben angedeihen lassen."

    Die Besetzung der Botschaft zerrüttete die Beziehungen zwischen beiden Staaten und hinterließ bei den Amerikanern ein ähnliches Trauma wie bei den Iranern der Putsch gegen ihren Präsidenten Mohammad Mossadeq 1953, der maßgeblich durch die CIA durchgeführt wurde. Dabei war die Besetzung der US-Botschaft in Teheran eher eine Art Spontan-Aktion. Das jedenfalls sagt Abbas Abdi, der damals einer der Hauptinitiatoren war und heute innenpolitischer Gegner des Regimes:

    "Es gab keine Planung für eine längere Aktion. Es war gar nicht beabsichtigt. Wir dachten an eine kurze Protestaktion. In dem Fall hätte man nach einer Weile alles vergessen. Ein Grund, dass es doch solange gedauert hat, war die große Unterstützung. Das bedeutet, dass grundsätzlich und potenziell weitere ähnliche Aktionen möglich waren. Deshalb kann ich auch nicht sagen, was wäre passiert, wenn wir es nicht getan hätten. In einer anderen Form hätte es sich sicher ereignet. Aber die Studenten wollten auf jeden Fall nicht länger als fünf Tage dort bleiben und dachten daran, die Botschaft nach fünf Tagen zu verlassen."

    Auch wenn Ende 1986 die US-Regierung unter Ronald Reagan, um US-Geiseln im Libanon freizubekommen, Waffen an Iran verkaufte - offiziell herrschte zwischen Washington und Teheran Eiszeit. Die USA hatten eine Importsperre für iranische Güter beschlossen, und als Khomeini 1989 den Schriftsteller Salman Rushdie wegen seines Buches "Satanische Verse" zum Tode verurteilte, wurde Iran zum geächteten Staat erklärt.

    Tauwetter zog erst 1997 auf, als Mohammed Khatami zum iranischen Präsidenten gewählt wurde. Der Reformer vermied das Wort vom "großen Satan USA", sprach vor der UNO über den Dialog der Kulturen, und in Washington hieß es bereits, bald würden die Bürger Irans öffentlich ihre Sympathie für die USA erklären - eine Bemerkung, die der regierungskritische Soziologe Fariboz Raisdana aus Teheran für übertrieben hielt.

    "Ich halte die Aussage, dass die Iraner nichts sehnlicher wollen als Kontakt mit den USA und darüber pausenlos reden, für schlichte Propaganda. Allerdings, wenn Sie fragen, ob die Menschen friedliche Beziehungen zu Amerika haben wollen, werden wohl 80 Prozent 'ja' sagen."

    Auch wenn es die Weltöffentlichkeit kaum wahrnahm, Washington und Teheran sprachen sogar wieder direkt miteinander. In Genf trafen sich Unterhändler zu geheimen Gesprächen - allerdings ohne durchgreifenden Erfolg. Und als ob der Abbruch dieser Kontaktaufnahme ein schlechtes Vorzeichen gewesen wäre, verhärteten sich unter George W. Bush die Fronten abermals. So bezeichnete der US-Präsident in seiner State-of-the-Union-Rede im Januar 2002 den Iran zusammen mit Irak und Nord-Korea als "Achse des Bösen".

    Doch so unnachgiebig die Haltung Bushs gegenüber Teheran auch war, als Weihnachten 2003 ein Erdbeben die südostiranische Stadt Bam erschütterte und mehr als 30.000 Menschen tötete, schickten selbst die USA Helfer. Erstmals nach einem Vierteljahrhundert dufte eine offizielle Delegation Washingtons in die Islamische Republik einreisen. 81 Soldaten, die respektvoll empfangen wurden und auch selbst überwältigt waren.

    "Die Zusammenarbeit ist bislang hervorragend. Schon als wir in Kerman landeten, wurden wir von Regierungsoffiziellen begrüßt. Sie gaben uns einen Terminal am Flughafen, wo wir die Nacht verbrachten. Es war sehr angenehm. Wir trafen uns mit einigen Ministern und sie waren sehr kooperativ. Wann immer wir Hilfe in Form von Fahrzeugen oder Transportmöglichkeiten wollten, bekamen wir sie. Es ist ein sehr gutes Arbeitsverhältnis."

    Die Annäherung zwischen Washington und Teheran, die so tief menschliche Züge angenommen hatte, blieb nur eine Episode. Denn bereits Anfang 2003 war bekannt geworden, dass Iran neue Atomreaktoren baut und somit den Weg einschlagen kann, möglicherweise Kernwaffen zu produzieren. Während Teheran stets betont, man habe als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages das Recht auf die friedliche Nutzung von Atomtechnik, war Washington so tief beunruhigt, dass Präsident Bush sogar einen Militärschlag gegen die Islamische Republik in Erwägung zog – ein Vorgehen, von dem sein Nachfolger Barack Obama zwar nicht Abstand nahm, aber erst einmal auf eine andere Strategie setzte. Er schlug einen Weg der Annäherung vor:

    "Diesen Prozess kann man nicht durch Drohung vorantreiben. Wir suchen ein ehrliches Engagement, das auf gegenseitigem Respekt fußt. Auch Sie haben die Möglichkeit. Die Vereinigten Staaten möchten, dass die Islamische Republik Iran ihren rechtmäßigen Platz in der Völkergemeinschaft einnimmt. Sie haben darauf ein Recht. Aber dieser Platz kommt durch wirkliche Verantwortung."

    Anfang Oktober bei den Gesprächen über Irans Atomprogramm saßen sich in Genf erstmals seit 30 Jahren Vertreter aus Washington und Teheran wieder direkt gegenüber. Ein gutes Zeichen? Möglicherweise. Doch die Spannungen sind nicht geringer geworden. Denn Iran verfügt mittlerweile über eine zweite Urananreicherungsanlage und könnte vielleicht – darüber sind sich Experten aber uneinig – schon in Bälde seine erste Atombombe bauen. Und die USA halten gerade gemeinsame Manöver mit Israel ab, in denen man möglicherweise einen Angriff auf die Islamische Republik vorbereitet.