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30 Jahre Gorleben

Genau heute vor 30 Jahren benannte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht Gorleben zum Standort für ein "Nukleares Entsorgungszentrum". Ob aus dem Zwischenlager für radioaktive Abfälle irgendwann tatsächlich ein Endlager werden soll, ist allerdings bis heute ungeklärt. 30 Jahre Gorleben bedeuten auch 30 Jahre Widerstand.

Von Dirk Drazweski |
    "Wir waren total vor den Kopf geschlagen, da keiner von uns mit Gorleben rechnete - das war ein riesiger Schock."

    Lilo Wollny, heute 80 Jahre alt, erinnert sich: Um 18 Uhr benannte der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht im Fernsehen Gorleben zum Standort für das Nukleare Entsorgungszentrum.

    Auf einem 16 Quadratkilometer großem Waldstück sollte ein atomares Zentrum mit Wiederaufbereitungsanlage, mehreren Zwischenlagern, eine Brennelemente-Fabrik und ein Endlager entstehen.

    In dem konservativen Landkreis Lüchow Dannenberg hatten einige wenige Intellektuelle - Lehrer, Pastoren und Ärzte - schon 1973 eine Initiative gegen ein geplantes Atomkraftwerk an der Elbe gegründet.

    Jetzt informierten die Atomkraftgegner der ersten Stunde ihre Nachbarn über Atommüll, Wideraufbereitung und Endlagerung. Tagelang fuhren sie mit einem Lautsprecherwagen über die Dörfer - mit dabei die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete:

    "Der das Lied vom Tod spielend, alle paar 100 Meter anhielt und der die Leute einlud zu einer Demonstration gegen das Entsorgungszentrum."

    1500 Menschen protestierten Mitte März 77 gegen das mögliche Nukleare Entsorgungszentrum in Gorleben:

    "Ich war nicht dabei."

    Lilo Wollny - damals 50 Jahre alt, wollte sich erst informieren - Risiken und Nutzen abwägen, die möglichen Gefahren analysieren. Genau diese Diskussion regte auch die damalige CDU-Landesregierung an - denn bislang lag nur die Standortentscheidung vor, konkrete Umsetzungspläne gab es noch nicht. Einzelne Projekte wurden im so genannten Gorleben-Hearing erörtert.
    Ernst Albrecht - seiner Zeit Ministerpräsident Niedersachsens:

    "Es war ein Wagnis. Wir haben Wissenschaftler eingeladen, 25 Kritiker, aber auch Befürworter. Wir haben erhofft, dass mehr Klarheit kommt. Wir haben jetzt das notwendige Material. um zu entscheiden."

    Im Laufe der Jahre wurden die Pläne zur Wiederaufbereitung fallen gelassen, da sie gegen den Willen der Bevölkerung nicht durchsetzbar waren - so Albrecht. Aber das Zwischenlager wurde gebaut, der Salzstock als mögliches Endlager erkundet.
    Und auch Lilo Wollny, die nur ein paar Dörfer von Gorleben entfernt wohnt, hat im Laufe der Jahre Klarheit gewonnen - sie lehnt noch heute die Anlagen zur Entsorgung von Atommüll ab:

    "Das ist kein Müll, den man wegkehren kann. Das ist hochradioaktives Zeug, was wirklich viele Generationen bedroht."

    Menschen aus unterschiedlichsten Gruppen demonstrieren seit 30 Jahren im Landkreis Lüchow Dannenberg gegen die geplanten Atomanlagen und gegen die Castortransporte, die seit 1996 in das Zwischenlager Gorleben rollen.

    Großgrundbesitzer Andreas Graf von Bernstorf und die örtlichen Kirchengemeinden weigern sich seit 77, ihr Land für das geplante Entsorgungszentrum zu verkaufen, auf der Straße protestieren vor allem Bauern - mit ihren Treckern fahren sie bis Hannover - mit Familie:

    "Drei Generationen mittlerweile. Wir, die Alten, mussten bei Null anfangen, das war ganz erfolgreich - die zweite Generation waren schon viel mehr Leute, und heute sind es deren Kinder."

    Zum Beispiel Hans Jürgen Schwarz, 50 Jahre alt, Nebenerwerbslandwirt und Johannes sein Sohn, 20. Beide haben sich 2005 an einem Trecker auf der Castor-Transportstrecke angekettet:

    "Da haben wir uns an einen Betonklotz angekettet - beide an einen Klotz.

    So war's und ich fand es schon gut, dass Johannes mitgemacht hat."

    Auch 30 Jahre nach der Standortbenennung Gorleben wird weiter protestiert. Vor allem gegen die Castortransporte in das Zwischenlager. Dann gehen mehrere Tausend Menschen auf die Straße. Ihr Widerstand richtet sich auch gegen das geplante Endlager-Bergwerk. Noch immer ist keine definitive Entscheidung getroffen, ob der hochradioaktive Atommüll im Salzstock Gorleben gelagert wird.