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30 Jahre „Loom“
Töne, die die Welt verändern

Vor 30 Jahren ist der Computerspielklassiker „Loom“ erschienen – ein Titel, der bis heute relevant geblieben ist, denn er hat den Einsatz von Musik im Computerspiel nachhaltig beeinflusst. Dabei wollten die Entwickler ursprünglich nur ein Designproblem lösen.

Von Tim Baumann | 07.03.2020
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Ein Ausschnitt aus dem Computerspiel "Loom" (Lucasfilm Games)
Fragt man nach Meilensteinen in der Computerspielmusik, dann denken wohl die meisten zuerst an ikonische Musikstücke wie das Titel-Thema des NES-Klassikers "Super Mario Bros.".
Oder an die adaptiven, dynamischen Soundtracks von epischen Spielen wie "No Man's Sky", die nie störend, unpassend oder langweilig werden dürfen und deshalb die Entwicklung vollkommen neuer Kompositionstechniken nötig gemacht haben.
An das vor 30 Jahren erschienene Point&Click-Adventure "Loom" dürften bei dieser Frage aber nur Kenner denken – obwohl die Entwickler von LucasArts mit "Loom" die Geburtsstunde einer der spannendsten und gleichzeitig schönsten Techniken einläuteten, Musik in Videospielen zu implementieren.
Musik als Bedienelement
Denn neben einer klassischen Vertonung der Fantasy-Handlung durch Musik aus Tschaikowskis Schwanensee und dem Aufgreifen von Motiven des Balletts für die Story – ebenso schön wie konventionell – nutzt "Loom" Musik in erster Linie als Bedienelement.
Und das war seinerzeit revolutionär: Denn in den klassischen Textadventures der 80er-Jahre hatten die Spieler ihre Aktionen noch eintippen müssen. Wollten sie beispielsweise eine Tür öffnen, mussten sie "open door" in eine Kommandozeile eintippen.
Und auch später, als gegen Ende der 80er-Jahre die ersten grafischen Point&Click-Adventures aufkamen und die reinen Textspiele verdrängten, blieb der Text das zentrale Bedienelement: In Spielen wie "The Secret of Monkey Island" oder "Zak McKrakken" steht den Spielern eine Reihe von Wörtern zur Verfügung – wollen sie eine Tür öffnen, klicken sie erst auf das Wort "Open" am unteren Bildschirmrand und dann auf die Tür in der Spielwelt.
In "Loom" hingegen agieren die Spieler über ein magisches Musikinstrument mit ihrer Umwelt. Jeder Aktion im Spiel ist eine bestimmte Tonfolge zugewiesen, die sich aus dem Tonumfang einer Oktave ergibt: So können die Spieler etwa über die Tonfolge e-c-e-d eine Tür öffnen...
...und sie über die Umkehr dieser Tonfolge, also d-e-c-e, wieder schließen.
Durch diese musikalische Steuerung löste Chefentwickler Brian Moriarty eines der gravierendsten Probleme des Adventure-Genres seiner Zeit – die Asynchronität zwischen Spieler und Spielfigur.
Denn während die Spieler ein textbasiertes Kommando geben, ist die Spielfigur untätig. Sie wartet nur auf Anweisung und führt sie danach aus – während wiederum die Spieler auf das Ende der Animation warten müssen.
Pragmatische Lösung für ein abstraktes Designproblem
In "Loom" hingegen werden die Bewegungen synchron übertragen – während der Spieler die benötigten Noten auf der Tonleiter anklickt, werden diese bereits von der Spielfigur gespielt. Spieler und Avatar befinden sich erstmals in der Geschichte des Adventure-Games auf einer Zeitebene.
Was für Moriarty allerdings eine pragmatische Problemlösung für ein eher abstraktes Designproblem war, hat in den drei Jahrzehnten seit dem Erscheinen von "Loom" etliche Nachahmer gefunden – und zwar aus völlig anderen Gründen.
Mit Musik die Welt verändern
Denn wenn die Spieler etwa in "The Legend of Zelda – Ocarina of Time" Melodien spielen, um den Pfad zum nächsten Level zu öffnen oder im Heavy-Metal-Spiel "Brütal Legend" Powerchords auf ihren E-Gitarren greifen, um böse Glamrocker ins Jenseits zu befördern, dann hat das nichts mit dem Synchronitäts-Problem der Point&Click-Adventures zu tun, sondern vielmehr damit, dass "Loom" vor 30 Jahren ein uraltes Menschheitskonzept für die Computerspielwelt erschlossen hat:
Denn schon in der griechischen Sage von Orpheus drückt sich der Wunsch des Menschen aus, mit Musik die Welt zu verändern. Sei es durch das Bekämpfen von Feinden, das Beruhigen eines stürmischen Ozeans oder dadurch, die Steine zum Weinen zu bringen. Und eine ästhetisch befriedigendere Erfahrung dürfte für Musikliebhaber im Computerspiel schwer zu finden sein.