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30 Räume für 30 Künstler - Ein Kunstfestival in Nürnberg

In Nürnberg richten vier Institutionen gemeinsam die Ausstellung "30 Künstler - 30 Räume" aus. Zurück geht die Idee auf einen der großen Visionäre des deutschen Kunstbetriebes der Nachkriegszeit: Dietrich Mahlow.

Von Carsten Probst |
    Einst, man erinnert sich kaum, war Nürnberg eine ziemlich interessante Adresse in der Kunst - und gemeint ist damit nicht die Dürerzeit, sondern die der sechziger, siebziger Jahre.

    Damals wirkte hier mit Dietrich Mahlow einer der großen Visionäre des deutschen Kunstbetriebes der Nachkriegszeit als Gründungsdirektor der Nürnberger Kunsthalle. Mahlow initiierte 1969 in Nürnberg unter anderem auch die erste Kunstbiennale auf deutschen Boden, als "Mitspieler" neben Venedig und Sao Paulo, in deren Komitees er saß. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Eberhard Roters, dem späteren Direktor der Berlinischen Galerie hat Mahlow damals ein Manifest für ein Museum der 30 Räume verfasst, das in den vier Jahrzehnten seines Bestehens nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.

    "Niemand stellt sich mehr ein Museum im herkömmlichen Sinne vor", heißt es in dem Text von 1970, "eher einen Demonstrationsort, ein Haus, in dem man sich Eindrücken ausgesetzt findet, die über das Erlebnis hinaus zu kreativem Denken und Verhalten anregen."

    Es gibt ein deutlich spürbares Fernweh in der Nürnberger Kunstszene zurück zu dieser glorreichen Zeit, man fühlt sich im deutschen Kunstgeschehen ein wenig unterbewertet, und das völlig zu Recht.

    So hat man vor drei Jahren den kühnen Plan gefasst, insgesamt fünf Institutionen für Gegenwartskunst zu einem gemeinsamem Großprojekt zusammenzuschalten. Es ist sympathisch, dass man sich deswegen nicht gleich wieder "Biennale" nennt: Bloß nicht, beteuert Kathleen Rahn, Direktorin des Kunstvereins, die das Konzept der Provinz-Biennalen ausgelutscht findet, man würde der Nürnberger Idee damit nur schaden. Womit sie mehr als Recht hat und zugleich die Ernsthaftigkeit des Vorhabens unterstreicht. 30 Künstler - 30 Räume soll zunächst einmal eine einmalige Veranstaltung bleiben, man zielt auf die documenta-Stimmung in diesem Jahr und ein verbreitetes Interesse an Gegenwartskunst. Das tun freilich auch andere, weshalb man schon im März eröffnet, um die Aufmerksamkeit für sich zu haben, ehe sich die Kunstwelt auf Kassel, Hannover oder Berlin stürzt.

    Der Geist der sechziger Jahre ist auch wieder in den heutigen Ausstellungen zu spüren, der Geist von Installationskunst und Performance, raumbezogenen, raumgreifenden Aktivitäten, aber nicht historisch museal, wie vor einigen Monaten beim Jubiläum des Ludwig-Forums in Aachen, stattdessen von Künstlern der nachfolgenden Generationen interpretiert und aktualisiert. Das gibt dem historischen Rahmen einen immensen aktuellen Reiz.

    Viele der Arbeiten sind eigens für die Schau entstanden, wie die klaustrophobische und zugleich äußerst vielgestaltige Rauminstallation "Kopfbahnhof" von Markus Friesinger oder eine auf Wasser gebettete Drehskulptur von Michael Beutler. Mariechen Danz steckt eine ihrer Performance-Bühnen als Ausstellung in der Ausstellung ab, Michaela Melián überzeugt mit einer überaus vielschichtigen illuminierten Silhouette aus kleinen Glasarchitekturen, die aus lauter Alltagsgegenständen bestehen und sich nicht zuletzt auf die Zeit der Nürnberger Stadtplanung der Nazizeit bezieht. Eindrucksvoll das erotisch-märchenhaft aufgeladene Environment von Marc-Camille Chaimowicz, das im Nürnberger Kunstverein Platz gefunden hat, ebenso wie auch eine Installation des derzeit beliebtesten Jünglings im Ausstellungsbetrieb, Petrit Halilaj, eines 26-Jährigen Kosovaren, der seit einiger Zeit Biennalen und Festivals mit Mitbringseln aus seiner kriegszerstörten Heimat bestückt und das Publikum anrührt. In diesem Fall durch eine Reihe kleiner Vitrinen mit aufgespießten Schmetterlingen, die er aus dem Trümmerschutt des Naturkundemuseums von Pristina gezogen hat. Wobei von den Schmetterlingen kaum noch etwas zu sehen ist.

    Emotionsintensive Gefälligkeiten gehören sicher dazu, um sich als Kunstort beim Publikum wieder ins Gespräch zu bringen. Dass man dennoch den eigenen Anspruch dabei nie aus den Auge verliert, zeichnet das Nürnberger Festival aus.