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300 Jahre Schulpflicht
Bildungshistoriker: Schule muss sich selbst neu erfinden können

Schon im frühen 18. Jahrhundert hätten die preußischen Könige gesehen, dass es notwendig sei, ihre Bürger zu erziehen, sagte der Bildungshistoriker Heinz-Elmar Tenorth im Dlf. Dass Schule heute ein Ort sei, in den man gehen muss, sei eine starke Zumutung. "Man muss ganz viel tun, damit Schule erträglich wird".

Heinz-Elmar Tenorth im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Ein kleine Tafel mit der Aufschrift "Viel Spaß in der Schule" steht am 11.08.2017 in München (Bayern) in der Fensterauslage eines Buchhandels.
    Schule und Spaß: Nicht für alle Kinder gehört das zusammen. 300.000 Schulschwänzer gibt es in Deutschland (dpa / Peter Kneffel)
    Manfred Götzke: Soldatenkönig, so wird Friedrich Wilhelm der Erste landläufig genannt. Man könnte ihn vielleicht aber auch Bildungskönig nennen, denn er war es, der in Preußen eine Art Unterrichtspflicht erlassen hatte. Und er hat das so begründet:
    "Wir vernehmen missfällig, dass die Eltern absonderlich auf dem Lande in Schickung ihrer Kinder zur Schule sich sehr säumig erzeigen und dadurch die arme Jugend in große Unwissenheit, sowohl was das Lesen, Schreiben und Rechnen betrifft, als auch in denen zu ihrem Heil und Seligkeit dienenden höchstnotwendigen Stücken aufwachsen lassen."
    Ja, und weil das so war, verpflichtete Friedrich die Eltern, ihre Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren zur Schule zu schicken, wenn sie nicht zu Hause von Eltern oder Privatlehrern unterrichtet werden. Welche Relevanz dieses Dekret für die Bildung breiter Schichten hatte und wie sich die Schulpflicht in Deutschland entwickelt hat, das möchte ich jetzt mit dem Bildungshistoriker Elmar Tenorth besprechen. Guten Tag!
    Heinz-Elmar Tenorth: Guten Tag!
    Götzke: Herr Tenorth, wie wichtig war dieses Friedrich'sche Dekret von 1717?
    Tenorth: Es war wichtig und ist bis heute wichtig, um zu zeigen, dass die preußischen Könige im frühen 18. Jahrhundert sehr deutlich sehen, dass es notwendig ist, ihre Bürger zu erziehen und auf einen allgemeinen Stand der Kulturtechniken zu bringen. Er ist nicht so bedeutsam für die Tatsache, dass wir heute 300 Jahre Schulpflicht oder Unterrichtspflicht feiern könnten, denn die Wirkung dieses Edikts von 1717, vom 28. September, ist weitgehend gering einzuschätzen. Wir müssen davon ausgehen, dass der absolutistische Staat auch in Brandenburg, Preußen weder die Mittel noch die konkreten Strategien noch das Personal hatte, den Schulzwang, den der König hier dekretiert, auch tatsächlich umzusetzen.
    Er überlässt das einerseits den Eltern, vor allem aber den jeweiligen Grundherren, die auf dem Lande das Volk regieren und dann auch die Schulen einrichten müssten, die dafür sorgen müssten, dass die Kinder nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer gelegentlich da hingehen und dass sie das regelmäßig tun und für lange Zeit. Das ist ein Papier ohne weitgehende Breitenwirkung in der Sozialgeschichte selbst. Nicht zufällig wird 1763 im Generallandschulreglement zum gleichen Thema mit den gleichen Klagen wiedereröffnet. Das kann man Ende des Jahrhunderts erneut beobachten, wenn das Preußische Allgemeine Landrecht das dekretiert. Also es ist ein Signal, dass man den Wert von Bildung sieht, man will ordentliche, qualifizierte Untertanen haben, aber es ist nicht der Beginn einer großen Schulbewegung und der Einrichtung von Schulen und des Schulbesuchs für alle.
    "Das Allgemeine Landrecht macht zuerst die Eltern dafür haftbar"
    Götzke: Sie haben 1794 auch genannt, das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten. Da will ich auch noch mal ein kleines Zitat bringen: "Jeder Einwohner, welcher den nötigen Unterricht für seine Kinder in seinem Hause nicht besorgen kann oder will, ist schuldig, dieselben nach zurückgelegtem fünften Jahre zur Schule zu schicken." Klingt ganz ähnlich.
    Tenorth: Hat aber diese schöne Zwischenbemerkung, dass er, wenn er dafür nicht selbst sorgen kann, verpflichtet ist, die Kinder in die Schule zu schicken, und das ist diese – rechtlich gesehen – bis 1918 wesentliche und für Preußen ganz zentrale Differenz zwischen der Unterrichtspflicht und der Schulpflicht, der alle Kinder in öffentlichen Schulen unterworfen werden. Das Allgemeine Landrecht macht zuerst die Eltern dafür haftbar. Wenn sie nämlich ihre Kinder selbst unterrichten und erziehen können oder einen Privatlehrer haben oder wie dann im 19. Jahrhundert mit vielen Eltern gemeinsam private Vorschulen gründen, dann ist der Staat zufrieden, da wird die Unterrichtspflicht gesichert. Nur die Eltern, die das nicht können, denen das Geld fehlt, die dazu keine Lust haben, die sich für ihre Kinder nicht interessieren, für die werden dann vom 19. Jahrhundert an öffentliche Schulen eingerichtet, in die dann die Kinder gehen, deren Eltern nicht fähig sind, die Kinder selbst zu unterrichten.
    Götzke: Aber kann man sagen, Ende des 18. Jahrhunderts wurde so was wie Unterrichtspflicht auch durchgesetzt in Preußen?
    Tenorth: 1794, das ist eine Zeit, da ist ganz Europa mit Napoleon beschäftigt und mit der Französischen Revolution, von der Durchsetzung würde ich erst ab 1820 und danach reden. Da kann man sehen, wie dann der Staat tatsächlich dafür sorgt, dass in den Dörfern Schulen eingerichtet werden und dass die Kinder zumindest während des Winters, aber auch ein bisschen im Sommer, wenn sie nicht bei der Ernte helfen müssen, dann tatsächlich in die Schule gehen – anfangs vier Jahre, dann später ein bisschen länger, so weit, bis sie vor dem Pfarrer zeigen, dass sie in den Kulturtechniken halbwegs gebildet sind und auch den Katechismus kennen, und dann werden sie von der Schule entlassen. Dann kann man tatsächlich sagen, dass Preußen eines der ersten Länder ist in Mitteleuropa, die tatsächlich auch die Unterrichtspflicht und den Schulbesuch für vier bis sechs Jahre durchgesetzt haben.
    Götzke: Wie muss ich mir Schule damals vorstellen? Blicken wir vielleicht noch mal auf Anfang des 19. Jahrhunderts.
    Tenorth: Wenn Sie reisen könnten und in Berlin lebten, würde ich Ihnen empfehlen, nach Reckahn zu fahren, das ist ein Ort bei Brandenburg. Da war einer der frühen Landherren, der dafür gesorgt hat, dass Landschulen für seine bäuerliche Bevölkerung errichtet werden, der Herr von Rochow. Das Schulhaus steht heute noch. Das ist ein großer Raum, in den 50, 60, 70, 80, in manchen Orten auch mehrere Hundert Kinder untergebracht waren, über alle Lehrgangsstufen hinweg mit einem Lehrer, der in dem gleichen Gebäude auch noch seine Lehrerwohnung hatte. Und da sitzen die Kinder zusammen und machen in einer altersheterogenen Gruppe, die alle Jahrgänge umfasst, ein tägliches Schulpensum von vier bis acht Stunden, und die erwerben dann die Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen, und sie werden gleichzeitig zu ordentlichen Staatsbürgern erzogen – mit dem Rohrstock, den der Lehrer schwingt und der aufpasst, dass da anständig Disziplin herrscht. Sie müssen lernen, sich selbst der Anstrengung einer Aufgabe zu unterziehen, sie müssen auch die zentralen bürgerlichen Tugenden lernen – Ordentlichkeit, Pünktlichkeit, Fleiß, Genauigkeit –, und das passiert in der Disziplinierung in der Schule.
    "Die Mädchen der Familien konnten meist mehr lesen als die Jungens"
    Götzke: Wie war das vorher, also bevor diese Reformen eingeführt wurden, wie muss man sich den Bildungsstand der preußischen Bevölkerung vorstellen?
    Tenorth: Wir haben wahrscheinlich seit der frühen Neuzeit, also 15., 16. Jahrhundert, in den sich allmählich verbürgerlichenden Städten eine durchaus alphabetisierte Bevölkerung. Die Beamten konnten natürlich lesen und schreiben, die Mädchen der Familien konnten meist mehr lesen als die Jungens, aber die Unterschichten waren analphabetisch. Die Alphabetisierung als der zentrale Indikator für die Durchsetzung von Bildung geschieht in Preußen auch im Laufe des 19. Jahrhunderts. Und dann ist Preußen, zumal in den westlichen Provinzen, also im Rheinland, in Westfalen, in Sachsen, sehr früh alphabetisiert, sehr viel früher als Frankreich und überhaupt nicht zu vergleichen mit Russland. Russland wird erst alphabetisiert in den 1930er-Jahren, genauso wie Italien erst unter Mussolini richtig alphabetisiert wird. Also die Preußen setzten schon eine Grundbildung auf alphabetisiertem Niveau relativ gut im 19. Jahrhundert bis zum Ende des Jahrhunderts durch.
    Götzke: Sie haben ganz klar unterschieden in unserem Gespräch bislang zwischen Schulpflicht und Unterrichtspflicht. Wenn man sich diese Unterscheidung anschaut, klingt ja der Besuch einer staatlichen oder kirchlichen Schule fast wie eine gesellschaftliche Diskriminierung, weil diese Kinder eben keine private Bildung, keine Bildung zu Hause bekommen konnten. War das so und wurde das auch so wahrgenommen?
    Tenorth: Das muss man auch so sehen. Es wird zum Beispiel in den Verfassungsberatungen 1848 ausführlich diskutiert, ob man eine Schulpflicht festsetzen soll und die Pflicht zum Besuch der Schule, und da sind alle bürgerlichen Politiker von links bis rechts sich einig, nein, das ist zunächst das Recht der Eltern. Und dann werden ganz ausführlich verfassungstheoretische, politische und grundlagentheoretische Fragen erörtert, wie sich der Staat ein Erziehungs- und Beschulungsrecht anmaßen kann – also das ist ganz eindeutig eine Misstrauenserklärung. Wer in die Volksschule geht oder in die Kindergärten, der signalisierte, dass er selbst nicht erziehungsfähig war und dass er im Grunde ein defizitäres Elternhaus hatte.
    Götzke: Dann wurde das ja Pflicht, sozusagen gab es die Schulpflicht, in der Weimarer Verfassung wurde sie festgelegt, allgemein eingeführt, auch durchgesetzt. Muss man sich da kontroverse Debatten vorgestellt haben zu dieser Zeit?
    Tenorth: Massive kontroverse Debatten. Die ganze Beratung der Weimarer Verfassung 1918/19 ist ganz stark davon belastet, dass die konservativen Parteien, vor allem die katholische Zentrumspartei, das Elternrecht sehr stark gesichert haben wollen in der Verfassung, und zum Elternrecht gehörten zwei Dinge: über den Schulbesuch der Kinder selbst entscheiden zu dürfen und die Konfessionalität. Was wir jetzt in der Verfassung haben, sind ja zwei Paragrafen: einerseits die Durchsetzung der Schulpflicht, dass jeder auch in die Schule seines Wohnbezirks gehen musste, sich also auch die Schule nicht mal mehr aussuchen durfte, und dass das Konfessionsprinzip gewahrt bleibt, dass also Schulen eingerichtet werden dürfen nach der Konfession und dass das Recht zur Einrichtung privater Schulen gesichert wird. Erst mit dieser Mischung von Schulpflicht, Privatschulprivileg und Konfessionsprivileg war die Weimarer Verfassung für die Zentrumspartei akzeptabel.
    Götzke: Diese Debatten um den Schulbezirk, die haben wir bis heute.
    Tenorth: Ja.
    Götzke: Und bis heute gibt es in Deutschland Familien, die sich der Schulpflicht widersetzen wollen, das auch teilweise erfolgreich tun, weil sie anders und schulunabhängig unterrichten wollen. Freilerner nennen die sich, und einige von ihnen leben in Leipzig, wo meine Kollegin Katrin Albinus für uns war.
    Freilerner - Wider die Schulfplicht
    Ein Beitrag über die rund 1.000 Kinder, die ihren Neigungen lieber in Projekten statt hinter der Schulbank nachgehen
    Götzke: Herr Tenorth, Beugehaft, Bußgelder, hohe Strafen, weil Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schicken wollen, ist das aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?
    Tenorth: Gerechtfertigt, das ist ganz schwierig zu sagen, weil nach unserem Verfassungsverständnis das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgehalten hat, dass das sogenannte Homeschooling, also das Unterrichten zu Hause, verfassungswidrig ist und dass die Eltern gezwungen werden dürfen, ihre Kinder auch bei konfessionellen Differenzen und allen anderen Einwänden gegen die öffentliche Schule in die öffentliche Schule zu schicken, mit einer Begründung – weil Sie mich fragen, ob ich das für gerechtfertigt halte –, die ich zumindest für diskutierbar halte: Denn die Begründung des Bundesverfassungsgerichts geht davon aus, dass die Schule der einzige Ort ist, der verhindern kann, dass in unserer Gesellschaft im Aufwachsen der Kinder Parallelgesellschaften entstehen – das ist der Ausdruck des Bundesverfassungsgerichts. Und die Parallelgesellschaften würden entstehen, wenn sich Milieus bilden könnten, die nicht mehr mit den Erfahrungen anderer Welten und Milieus konfrontiert werden, sondern sich in ihrer eigenen Welt so einspinnen können, dass sie für eine plurale, tolerante, offene Gesellschaft nicht mehr handlungsfähig sind. Genau dem baut die Schule vor, das ist die Begründung, und die ist für Deutschland relativ singulär, denn in den anderen westlichen Staaten – Frankreich, England, USA – gibt es nach wie vor Homeschooling, und die haben das Problem nicht. Und deswegen ist auch diese Bewegung der Freelearner und der Homeschooling-Befürworter … die erste Prämisse für die ist immer: Wir werden kriminalisiert.
    Götzke: "Campus & Karriere" im Deutschlandfunk, und bei uns geht es heute um die Schulpflicht, mit der nicht alle Kinder, alle Schüler in Deutschland einverstanden sind. Sie verweigern sich, sie schwänzen, schwänzen dauerhaft, zum Teil bis sie das Ordnungsamt abholt.
    "Ich hab’ mich einfach abgemeldet"
    Ein Beitrag über notorische Schulschwänzer
    Götzke: Schulverweigerer, Schulschwänzer, in Deutschland 300.000, Herr Tenorth, eine ziemlich hohe Zahl. Wie erklären Sie sich das?
    Tenorth: Das sind nur 300.000, hätte ich jetzt bald gefragt. Es ist tatsächlich ein ganz verbreitetes Phänomen, und auch das ist etwas, was der Bildungshistoriker nicht erfreut jetzt feststellt, sondern das ist das traditionell gerade, Schulverweigerer. Die Schule ist ein Ort – das muss man ganz deutlich sagen –, in den man gehen muss, und das ist, zumal wenn man das in großen Gruppen erlebt und mit wenig sensiblen Lehrern, angesichts von Themen, die einen nicht interessieren, schon eine starke Zumutung, und man muss ganz viel tun, damit Schule erträglich wird. Das geschieht meist über die Peergroup und über vernünftige und verständige Lehrer und vernünftige Didaktik und Pädagogik, aber das reicht nicht für alle. Insofern gibt es diesen Teil von Schulverweigerern, von denen Sie sprechen.
    Ich kann mich noch an meine eigene Schulzeit erinnern, in einer bestimmten Phase hatte ich auch anderes zu tun, als täglich in die Schule zu gehen, und fand dann zum Glück verständige Lehrer, die mich dann auf der Straße trafen und fragten, was machst du dann hier. Ach nee, ich hab im Moment keine Lust. Aber nächste Woche kommst du mal wieder. Und dann bin ich wieder hingegangen. Ich kenne das Phänomen und sehe von daher die Schwierigkeit der Aufgabe, die Schule hat, denn Sie müssen sich ja mal vergegenwärtigen, Schule ist eine Institution, die glaubt, man könnte zur gleichen Zeit am gleichen Ort ganz unterschiedliche Kinder in den gleichen Themen in der gleichen Zeit mit den gleichen Lehrern zu den gleichen Ergebnissen führen wollen. Das ist ja eine unglaubliche Ambition, und dass das nicht gutgehen kann, dauerhaft und für jeden, völlig verständlich.
    Götzke: Die Kultur, die sich viele Schulen zumindest äußerlich geben, ist ja heute eine andere: Man spricht ja weniger von Zwang und Gewalt, stattdessen von individueller Förderung.
    Tenorth: Das schöne Wort von der Individualisierung des Unterrichts ist vielfach nur Propaganda. Es gibt sogar umgekehrt das Phänomen, dass Schüler nicht gern in die Schule gehen, weil sie sie langweilig finden, nicht intellektuell inspirieren und dass diese Tut-was-ihr-wollt-Pädagogik dazu führt, dass Schule sich selbst um den Anspruch bringt, den sie hat. Was ich wesentlich anders sehen würde als zu älteren Zeiten, ist, dass die Schule in ihrer Didaktik, in ihrer Lernorganisation sehr viel förderlicher tatsächlich auf die Interessen und Lernlagen und Lernmöglichkeiten der Kinder eingeht, man auch auf Lehrer trifft, die sich engagieren, die einen Unterricht machen, der selber interessant ist. Dann bleiben immer noch Schüler, denen Intellektualität, bestimmte Formen kognitiver Arbeit unzulässig sind, und dafür gibt es ja auch andere Lernangebote, bei denen man Schule in einer anderen Form macht, dass man nicht nur straft und diszipliniert und die Polizei holt, sondern eine Lerngelegenheit anbietet, wo man etwas baut.
    Mein schönstes Beispiel ist immer eine Berliner Hauptschule, die die Schüler der achten und neunten Klassen, die nicht in die Schule wollten, dadurch faszinierte und zum Schulbesuch brachte, dass die gemeinsam ein Auto gebaut haben. Und die stellten dann fest, um das Auto anständig zu bauen, mussten sie schreiben, lesen, rechnen können. Die sind jeden Tag gekommen. Es gibt eine solche Klientel, die andere als schulische Formen braucht, aber trotzdem Lernsituationen sucht. Und für die Zahl, wenn wir nur bei den 300.000 blieben, das ist eine so verschwindend kleine Gruppe, wenn man das regionalisiert, für die solche anderen Lerngelegenheiten bereit zu halten, das halte ich für wirklich notwendig und wichtig, denn sonst versündigen wir uns an diesen Kindern. Die gehen ohne alle Kompetenzen aus ihrer Lernphase raus und bleiben ewig von Hartz IV abhängig, und das darf nicht sein. Denen müssen wir Lerngelegenheiten anderer Art bieten. Schule muss da sich selbst neu erfinden können.
    Götzke: Herr Tenorth, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch!
    Tenorth: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.