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3D-Bildsynthese für virtuelle Räume

Informatik. - Unter hundert Vorschlägen wurde ein Experte für Computergrafik am Max-Planck-Institut für Informatik ausgewählt und bekommt den Gottfried Wilhelm-Leibniz-Preis, mehr als anderthalb Millionen Euro für die nächsten fünf Jahre. Fliessen soll das Geld in bessere Rechenformeln für noch bessere Computergrafik. Denn der Forscher gilt als Fachmann für dreidimensionale Bildsynthese.

    Von Klaus Herbst

    Er ist weder Maler noch Hobbyfilmer, seine Begeisterung für Computergrafik begann vor zwanzig Jahren mit einem Forschungsaufenthalt als junger Wissenschaftler in Berkely an der University of California. Seit etwa einem Jahrzehnt nun setzt Professor Hans-Peter Seidel, Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken, seine gesamte Arbeitskraft für Computergrafik ein. Trotzdem habe sich die Computergrafik seitdem beim Design und der Herstellung von Fahrzeugen, Unterhaltungselektronik und Mobiltelefonen, gemessen an ihrem Potenzial, langsam entwickelt:

    Es gibt, glaube ich, eine Reihe von Beispielen, die zeigen, dass wir eigentlich in dem Bereich erst ganz am Anfang stehen. Ich denke zum Beispiel an den Bereich CAD, CIM, wo es zwar inzwischen Insellösungen gibt für einzelne Teilbereiche, wo aber das Endziel einer durchgängigen Verarbeitungskette eigentlich immer noch sehr weit weg ist. Es liegt darin, dass eben auch grundlegende Fragestellungen bis jetzt noch nicht wirklich gelöst sind, die richtigen Beschreibungsverfahren für Oberflächen beispielsweise, ist immer noch ein Thema, an dem sehr viele Leute arbeiten. Dann auch in der Medizin, denke ich, sind wir jetzt gerade dabei, die Anfänge hier dieses Gebietes aufzubauen.

    Die beweglichen, sich verändernden Oberflächen von Organen des menschlichen Körpers während einer Operation beispielsweise sollte der Rechner in Zukunft noch besser darstellen können. Sofort erkennt jeder heute noch ein vom Computer generiertes Antlitz zum Beispiel an dessen Künstlichkeit.

    Simulation und Animation von Gesichtern, und da beginnen die Schwierigkeiten natürlich in der Modellbildung. Sie müssen im Prinzip nun das komplexe menschliche Gesicht, bestehend aus Haut, Muskeln und so weiter versuchen, im Rechner nachzubilden. Da müssen also eingehen zum einen Grundkenntnisse aus der Physik, dann Grundkenntnisse aus der Anatomie, und Sie können jetzt dieses Modell aber auch nicht beliebig komplex machen, denn Sie wollen ja ein System bauen, das interaktive Antwortzeiten hat, das heißt also in Echtzeit dem Benutzer die Möglichkeit gibt, mit diesen Daten in Wechselbeziehung zu treten.

    Immer bessere Algorithmen zu entwickeln und diese mit den Möglichkeiten und Perspektiven moderner Grafiksoftware zu verzahnen, dazu will Hans-Peter Seidel das Geld aus dem Leibnizpreis verwenden. Wie aufwendig Computergrafik sein kann, zeigt ein Experiment aus Italien: Antike Statuen sind erfasst und modelliert worden, nur mit ihrer Geometrie, ohne jede Zusatzinformation sowie über das Inventar ihrer theoretischen Bewegungen.

    Beispielsweise hat eine dieser Statuen ein Volumen von mehreren Milliarden Polygonen, und Sie können sich vorstellen, wenn Sie also eine Szene haben, wo Sie eben versuchen zum Beispiel, alleine im Gebäude mit beteiligten Personen nun abzugreifen aus der Realität, dann haben Sie da ein Datenvolumen, das völlig unbeherrschbar ist. Und Sie müssen eben nun, um die Sachen in Echtzeit darzustellen, mit einer Frame-Rate von sechzig, wenigstens dreißig Frames pro Sekunde darstellen, müssen in dieser Zeit die ganzen Berechnungen durchführen, müssen die Personen animieren, müssen die Beleuchtung berechnen, müssen Wechsel in der Beleuchtung, müssen Schatten berechnen.

    Eine Herausforderung an Algorithmen und Hardware. In Zukunft sollen 3D-Bildanalyse und -synthese über die gesamte Verarbeitungskette durchgängig automatisiert werden: von der Gewinnung der Daten über die Modellierung, also das Erzeugen einer geeigneten digitalen Szenenbeschreibung, bis zur hin Bildsynthese, zur Erzeugung von digitalen Ansichten - ein weiteres Anwendungsbeispiel: digitales Fernsehen.

    Dreidimensionales Fernsehen, wo diese ganzen Techniken aus der Computergrafik nun eben auch in dem Kontext zur Anwendung kommen. Wir haben also auch da sozusagen das Zusammenwachsen von Bildverarbeitung und Computergrafik, dass Sie eben eine Szene aus verschiedenen Ansichten aufnehmen, abtasten und dann idealerweise wieder in Echtzeit versuchen, hieraus neue Ansichten zu generieren.

    Bislang hat sich die Schere zwischen ständig besserer Hardware und Grafik-Softwarelösungen immer noch weiter geöffnet, sagt Hans-Peter Seidel. Dieser Konflikt wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Dafür sorge schon:

    Der ganze Bereich der Sensorik, ich denke hier an digitale Kameras, ich denke an die Entwicklungen im Videobereich, ich denke an die medizinische Bildverarbeitung, das sind alles Bereiche, wo wir heute im Prinzip mit Datensätzen von einer Größe überschwemmt werden, teilweise können Sie diese Datensätze gar nicht mehr in die Maschine reinladen. Und das Ziel ist natürlich nun, aus diesen Daten das Wesentliche zu extrahieren und diese Information sichtbar zu machen.

    Links zum Thema

    Max-Planck-Institut für Informatik, Saarbrücken

    Homepage Prof. Dr. Hans-Peter Seidel