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3D-Druck
Manuskript: Revolution aus dem Replikator

In der Zukunft ist 3D-Drucken so einfach: Ein kurzes Kommando und schon spuckt der Replikator das Gewünschte aus. Was im Star Trek-Universum für alles mögliche herhalten muss, von der Tasse Tee bis zum Hightech-Lasergewehr, ist in der heutigen Zeit auf Witziges für Zuhause und Bauteile für die Industrie beschränkt. Doch die Branche hat Zukunft.

Von Bernd Schuh | 02.02.2014
    Esa testet 3D-Drucker für den Bau einer Mondbasis.
    Druck mir einen Ehering, Schatz!
    Das Auto aus dem Drucker.
    Auf den Leib geformt: 3D-Drucker in der Modebranche angekommen.
    Flugzeugbauer testen Titan für 3D-Druck.
    Revolution in 3D!
    Spaghetti auf Knopfdruck!
    "Das bestehende Wirtschaftssystem könnte sich komplett verändern."
    "I think we’ve only seen the tip of the iceberg of this technology."
    "Wissenschaftler sehen in 3D-Druckern eine Technik mit traumhaften Zukunftsaussichten."
    "Alles wird schon bald möglich sein und in einigen Branchen für eine völlige Umwälzung sorgen."
    "Damit steht das 3D-Drucken in einer Höhe mit Bill Gates und den anderen wegweisenden Erfindungen."
    Euromold 2013, eine der weltgrößten Messen für Werkzeugfertigung, Design und Produktentwicklung im Dezember in Frankfurt. Eine der drei Messehallen ist komplett der "additiven Fertigung" gewidmet. An den Ständen Software, Scanner und "Drucker". Manche sind groß wie ein Container, andere klein und bunt wie der heimische Deskjet.
    Im Zwischengeschoss reihen sich im "diggifab" kleine Ausstellerbuden wie Marktstände aneinander, in denen diverse Varianten handlicher 3D-Drucker emsig arbeiten. Nach Vorlagen des Publikums lassen sie bunte Abbilder der Besucher oder andere nette Spielereien Schicht für Schicht entstehen.
    Udo Behrendt: "Der richtige Hype, der im Moment entsteht, entsteht eher im Low end-Bereich. Warum? Weil jeder Bürger sich quasi so ein System kaufen kann. Der untere Bereich ist das, was in der nächsten Zeit die Masse bewegen wird"
    Frank Thomas Piller: "Gesellschaftlich ist das für mich die Killerapplikation, das heißt die Applikation, die einer großen Masse von normalen Menschen, die keine technischen Nerds sind, die Potenziale aufzeigt."
    An den großen Ständen in der Halle kann man erahnen, dass das Potenzial der spannenden Maschinen noch weiter reicht. Hier stehen Anlagen, die eine halbe Million kosten. Als Blickfang dienen Turbinenschaufeln, schicke Sportwagen oder aufgeschnittene Motoren.
    Piller: "In manchen Bereichen wird der 3D-Druck wirklich unser wirtschaftliches System verändern."
    Die Exponate suggerieren, was Innovationsforscher wie Frank Thomas Piller dem 3D-Druck prophezeien: Das Zeug zu einer weiteren industriellen Revolution. Die Nasa hat bereits 3D-Drucker in der Schwerelosigkeit erprobt. Im Herbst dieses Jahres soll das erste Modell auf der Raumstation ISS Ersatzteile drucken. Peanuts gegen das, was die europäische Raumfahrtbehörde Esa plant: Sie will eine komplette Mondbasis per 3D-Druck bauen – und zwar mit den auf dem Mond vorhandenen Materialien. Architektonische Vorstudien gibt es bereits.
    Im europäischen Forschungsverbund "Amaze" wird der 3D-Druck auf seine Tauglichkeit geprüft Hightech-Bauteile herzustellen: Komponenten für die Fusionsforschung, größere Flugzeugteile bis hin zu kompletten Raumfahrzeugen. Letztlich soll alles aus dem 3D-Drucker kommen: vom kleinen Einzelteil bis zum kompletten Produkt - Autos, Flugzeuge, Häuser. In den ambitioniertesten Visionen wird das dreidimensionale Drucken von der Kleinserienfertigung bis zur Massenproduktion die gesamte industrielle Produktion übernehmen.
    Der herkömmlichen Massenproduktion in einer Fertigungsstraße, auf der gegossen, gefräst oder umgeformt wird, in der viele Einzelteile entstehen, die anschließend zum fertigen Produkt verschweißt, verklebt oder verschraubt werden, stände nun die schöne neue Produktionswelt des 3D-Drucks gegenüber: Der Entwurf eines Produkts entsteht in Rekordzeit am Computer; der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, kein Ingenieur sagt: "Das geht so nicht, dafür können wir kein Werkzeug bauen". Dann den Entwurf als Computerfile abspeichern, ein Klick, und den Rest erledigt das Wunderwerk 3D-Drucker. Aus dessen Ausgabeschacht braucht man nur noch das fertige Produkt zu entnehmen.
    Maximal ein Kotflügel
    Soweit die Vision. Für maßgeschneiderten Zahnersatz oder kleine Serien von Motoren- und Turbinenteilen ist sie bereits Realität. Doch das Größte, das die auf der Messe ausgestellten Maschinen im Schichtdruck bislang fabrizieren können, ist ein Kotflügel oder ein Armaturenbrett. Die zugehörigen Drucker haben schon fast Bauwagengröße.
    "Das ist die VX 2000, die hat einen Bauraum von zwei auf einen auf einen Meter."
    Stolz zeigt Verkaufsdirektor Tobias King vom deutschen Druckerhersteller Voxeljet das Prunkstück der Firma auf der Messe.
    "Wir verdrucken Pulvermaterial, hauptsächlich einen PMA-Kunststoff für Feingussmodelle, Architektur- oder Designmuster, zum anderen haben wir Sande, die wir verdrucken für Sand-Anwendungen. Wir drucken quasi negative Formen, die dann direkt für den Abguss von Metallteilen negativ verwendet werden können."
    Stolz auch beim amerikanischen Konkurrenten am Nachbarstand. Marketing-Managerin Deniz Okur von 3D Systems:
    "Wir stehen jetzt hier vor der größten Stereo-Lithographie Anlage, die wir anbieten. Der Bauraum ist 1,50 Meter in der Länge, etwa 75 Zentimeter in der Tiefe, ich kann in diesem Bauraum ein gesamtes Armaturenbrett in einem Stück bauen."
    Am Stand von 3D-Systems spielt eine Live-Band. Angelockt durch die Klänge staunen die Besucher weniger über die Virtuosität der Band als über deren Instrumente: Die Klangkörper der Gitarren und der Korpus der Trommeln stammen aus einem Kunststoff-Drucker. Das amerikanische Unternehmen wurde vor mehr als 30 Jahren von Charles Hull, dem Erfinder der Stereo-Lithographie – der allerersten 3D-Drucktechnik - gegründet. Es fertigt und verkauft Drucker aller Größenklassen, für den Heimbereich ebenso wie für industrielle Anwendungen. Börsenwert: Knapp sieben Milliarden Dollar. 3D-Systems ist nicht der einzige Druckerhersteller mit traumhaften Börsennotierungen. Die Kurse steigen. Circa acht Milliarden Dollar wird die Branche im Jahr 2020 umsetzen, so die Marktprognosen, derzeit sind es mehr als zwei Milliarden.
    Das Rieseninteresse an der gar nicht mehr so neuen Technologie bemerkt auch Mathematikprofessor Hartmut Schwandt, der an der TU Berlin schon seit Jahren ein "3D-Labor" betreibt, eine Mischung aus Lehrwerkstatt, 3D-Copyshop und Drucker-Showroom. Wer verstehen will, dass Drucken nicht gleich Drucken ist, kann sich hier die Vielfalt der Techniken und Materialien vorführen lassen. Die industriellen Anwendungen arbeiten mit pulverbasierten Verfahren.
    "Und zwar gibt es eine Druckertechnologie, die arbeitet mit einem angereichertem Gipspulver, die Technik läuft in etwa so ab, dass mit einer Walze eine sehr sehr feine Schicht Gips aufgetragen wird und dann wird dazu ein Binder, eine Art Kleber aufgespritzt, eventuell auch mit Farbe versetzt, und dann wird bei Schichtdicken von unter 0,1 Millimeter, werden entsprechend der Höhenlinien die Gipspartikel zusammengeklebt."
    Der Drucker, der das leistet, ist groß wie ein Kleiderschrank in einem Standardhotelzimmer. Durch ein Glasfenster kann man den Druckprozess beobachten. Laborleiter Joachim Weinhold:
    "Hier ist es ja jetzt so, dass wir einen großen Tank haben, aus dem immer eine Portion ausgeschüttet wird, und die wird dann glatt gestrichen. Der Schlitten fährt vor und zurück, schiebt eine neue Schicht Material, was gleich passiert ist, das dann zwischen diesen Arbeitsschritten noch einmal gedruckt wird, wie wir es vom Tintenstrahldrucker kennen, das gleiche Verfahren, es sind auch ganz normale Tintenstrahldruckerknöpfe, nur dass diese Köpfe ein Klebemittel drucken."
    So geht es Schicht für Schicht: Neue Gipsschicht, die Druckköpfe verspritzen eine neue Lage Kleber und gleich wird wieder eine neue Schicht Pulver darüber verteilt, bis der steuernde Computer sein Programm abgearbeitet hat. Doch das dauert, obwohl man das Ganze auch "rapid prototyping" nennt.
    Joachim Weinhold: "Rapid Prototyping funktioniert nicht so wie in Science-Fiction Filmen, dass ich dem Computer sage: 'Hallo, ich möchte einen Kuchen und eine Tasse Kaffee haben.' Das geht nicht innerhalb von zehn Sekunden, eine Klappe in der Wand geht auf und da ist dann der Kuchen, sondern rapid prototyping dauert ein bisschen."
    Im Gegensatz zum Replikator in der Star Trek Serie braucht der Gipsdrucker einige Stunden, oft die ganze Nacht. Am nächsten Morgen ist durch das Fenster im Druckerschrank lediglich wieder eine weiße Gipspulverfläche zu sehen. Wo ist das Druckerzeugnis?
    Hartmut Schwandt: "Sie haben dann hinterher einen Behälter mit Gipspulver, und irgendwo da drin ist dann ihr Modell."
    Ist das Modell aus dem Pulverbett befreit, muss es noch gehärtet werden.
    Schwandt: "Und dann hat man ein Objekt, das sehr lange hält."
    Joachim Weinhold: "Im Moment hätte ich einen Knochen anzubieten. Das ist der Beckenknochen eines Dackels, das ist eine Anwendung, die schon praktisch läuft, wir arbeiten mit einem Institut zusammen, und mit einem Tierarzt, der bei uns dann solche Knochen herstellt als Modell, um seine Operationen vorzubereiten."
    Materialeffizienter als Fräsen
    Wäre der Beckenknochen das Modell eines, sagen wir, Heckspoilers für ein neues Fahrzeug, läge der Vorteil des 3D-Drucks auf der Hand.
    Schwandt: "Worin liegt der Vorteil? Bei der Produktentwicklung muss man für die Anschauung erst einmal einen Modellbauer beauftragen. Das dauert Wochen. Das wird dann dem Vorstand vorgelegt, dem gefällt das nicht, dann baut man wieder drei Wochen. Mit einem 3D-Drucker entwickeln Sie das Modell auf dem Computer, und man kann gleich ohne großen Mehraufwand zehn oder 20 Modelle herstellen."
    Oder auch 100 oder 1000. In manchen Branchen ist das nötig, weil die Prototypen selbst aus vielen Teilen bestehen - die ihrerseits gefertigt, montiert und getestet werden müssen. Bei 60 Prozent der Industrie-relevanten Prototypen, dauert die Entwicklung der Modelle mehrere Monate. Diese Entwicklungsphase kann 25 Prozent des gesamten Herstellungszyklus verschlingen. Die Zeit von der Idee bis zum fertigen Serienprodukt wird durch rapid prototyping enorm verkürzt. Der 3D-Druck kann also schon in dieser Produktentwicklungsphase erhebliche Kosten sparen. Doch die Industrie will mehr. Letztlich sollen nicht nur die Prototypen, sondern die Produkte selbst aus dem Drucker kommen. Doch dazu braucht man Maschinen, die nicht nur Gips verarbeiten. Maschinen, die aus Kunststoff- oder Metallpulvern Gebrauchsfähiges zaubern. Auch solche Anlagen stehen im Berliner 3D-Labor. Hartmut Schwandt.
    "Die Vorgehensweise ist ähnlich: man trägt in sehr sehr feinen Schichten das Pulver auf, und dann verwendet man keinen Binder oder Kleber, sondern einen Laser. Das Material wird zunächst erwärmt, damit eine gewisse Grundtemperatur gegeben ist, und dann kommt noch der Laser dazu. Und der Laser sintert oder schmilzt dann entsprechend den Schichten an den geeigneten Stellen das Pulver."
    Für das Verfahren hat sich der Ausdruck "Laser-Sintern" eingebürgert, obwohl es sich eigentlich nicht um einen Sinterprozess, sondern um eine Art Laserauftragschweißen handelt. "Laserschmelzen" ist eine weitere gängige Umschreibung. In Deutschland gibt es einige Firmen, die sich auf die Herstellung solcher Anlagen spezialisiert haben. Eine der größten ist die Firma Eos in Krailling bei München. Auch sie wirbt gern mit Musik, hier gespielt von Simon Hewitt Jones, auf einer Geige aus einem Stück, und die ist – natürlich - mit einem 3D-Drucker, pardon: einer Lasersinteranlage hergestellt. Eos verkauft und entwickelt solche Drucker hauptsächlich für Kunden in der Automobil- und Luftfahrtindustrie. Mehr als 1000 Anlagen hat sie weltweit bereits abgesetzt.
    "Wir sind ein Maschinenhersteller, wir produzieren etwa 200 Systeme pro Jahr, wir planen einen Umsatz von etwa 140 Millionen Euro, es sind 500 Mitarbeiter, das ist so die Größe, in der man sich die Firma Eos vorzustellen hat."
    Und dabei soll es nicht bleiben. Mit 15 bis 20 Prozent Wachstum pro Jahr rechnet Diplomingenieur Udo Behrendt. Er leitet die Abteilung Geschäftsentwicklung Luftfahrtindustrie. In dieser Branche sitzen die meisten Interessenten für die Laserprinter. Warum?
    "Im Luftfahrtbereich ist es ganz wichtig, dass Sie Gewicht einsparen, denn Gewicht kostet Geld. Entweder Sie erhöhen die Reichweite, oder sie reduzieren die Betriebskosten."
    Gewicht sparen kann man mit dem schichtweisen Drucken deshalb gut, weil sich so auch komplexe Teile, zum Beispiel solche mit vielen Hohlräumen in einem Stück fertigen lassen. Keiner der herkömmlichen Fertigungsprozesse könnte einen Schweizer Käse aus einem Stück fabrizieren. Für den schichtweise arbeitenden Drucker wäre das kein Problem. Der legt einfach – bildlich gesprochen – Käsescheibe auf Käsescheibe und verschmilzt sie. Auf diese Weise kann man massive Körper durch Schäume ersetzen, durch filigrane Strukturen mit vielen Hohlräumen– ohne Einbuße an Stabilität, wie man vom tierischen Knochenbau weiß, aber einer erheblichen Gewichtsersparnis.
    Behrendt: "Mit unseren Anlagen werden hoch qualifizierte Teile hergestellt. Zum Beispiel Bauteile für Triebwerke, wenn Sie sich ein Triebwerkssystem anschauen, dann haben Sie Umgebungstemperaturen von 700, 800 Grad, und da müssen die Teile viele 1000 Betriebsstunden das aushalten. Da müssen Sie sicher sein, dass das Bauteil die Belastung aushält, nicht ausfällt und die gesamten Qualitätsanforderungen erfüllt."
    Qualitätssicherung ist aufwändig und zeitraubend.
    "Zum Beispiel wenn Sie Feingussteile nehmen, dann geht es schon mal los, dass Sie Ausschussraten von 40 Prozent haben, die schmeißen Sie erst einmal weg. Das müssen Sie erst einmal feststellen, welche Teile das überhaupt sind, das heißt, Sie müssen eine hundertprozentige Qualitätskontrolle durchführen. Und dann haben Sie ganz gewaltige Kosten."
    Der 3D-Druck bietet auch hier gewaltige Vorteile.
    "Ich kann die Qualität der Bauteile während des Bauprozesses kontrollieren. Ich baue schichtweise auf, und kann mir jede Schicht anschauen. Das heißt, ich kann in das Bauteil reinschauen, während es entsteht. Wenn ich es also geschickt mache, kann ich sämtliche Qualitätskontrollen, Röntgen et cetera kann ich in Zukunft ersetzen.W
    Auch Umweltverträglichkeit gilt als Plus der 3D-Fertigung. Das eingesetzte Material kann zu einem hohen Prozentsatz und mit wenig Aufwand recycelt werden.
    "Wenn Sie die Maschinen sauber voll machen, dann verbrauchen Sie auch nur das Material, das sie später als Teil entnehmen. Wenn Sie das mit der Frästechnik vergleichen, ist es so, in der Luftfahrt sind die Teile extrem leicht, Sie haben einen Riesenträger und sie verwandeln 90 Prozent in Späne. Sie fräsen das meiste weg, was Sie schon wieder recyceln können, aber der Aufwand dafür ist erheblich."
    Geradezu unschlagbar ist das additive Fertigen, wenn es darum geht, Produkte schnell zu verändern, etwa an spezielle Kundenwünsche anzupassen.
    Udo Behrendt: "Also zum Beispiel, wenn Sie die Mittelkonsole von einem Auto sehen, und wenn der Kunde sagt, ich möchte das anders haben, dann können Sie es in der heutigen Fertigung nicht abbilden, weil sie die Werkzeuge nicht verändern können. Aber wenn der Kunde sagt, ich will die Mittelkonsole so und so haben, dann ändern Sie das im Design, belegen die mit Kunstleder und die sieht aus wie jedes Serienteil auch. Passt wunderbar, geht überall rein."
    Produktivität muß steigen
    Warum, wenn das alles so rosig aussieht, wird nicht längst viel mehr auf diese Weise produziert? Ein Grund: Die Technik ist noch zu langsam für die Massenproduktion.
    Behrendt: "Unsere Endkunden fordern von uns eine Produktivitätssteigerung von sagen wir mal Faktor 10."
    Das klingt unerreichbar ambitioniert. Aber in den Verfahren ist noch Luft. Beispielsweise kann man mehrere Laser gleichzeitig am selben Bauteil arbeiten lassen.
    "Wir haben das für unser Kunststoffsystem schon vor über zehn Jahren gezeigt: wir haben einfach zwei Belichtungsköpfe in eine Maschine gepackt, die die Produktivität verdoppeln. Alle Köpfe arbeiten an einem Teil, oder jeder Kopf arbeitet an seinem Teil, Sie haben schon einmal doppelte Produktivität, ohne dass Sie viel gemacht haben."
    Auch kann man mehrere Teile gleichzeitig im selben Bauraum produzieren – vorausgesetzt, der wäre groß genug. Auch daran hapert es noch. Das größte System, das Eos derzeit anbietet, druckt in einem Würfel von 40 Zentimeter Kantenlänge. Damit lassen sich Kleinteile wie medizinische Implantate, Hüft- oder Kniegelenke problemlos im selben Arbeitsgang in größerer Stückzahl fertigen. Aber zum Beispiel ein ganzer Motorblock, wie es Autohersteller Daimler plant? Daimler arbeitet mit einem Fraunhofer-Institut und einem anderen Lasersinter-Hersteller zusammen. Auch dieses Joint Venture muss derzeit noch mit einer Anlage auskommen, deren Bauraum gerade mal 63 mal 40 mal 50 Zentimeter misst. Was also soll man von den Versprechungen halten, dereinst ganze Flugzeugtragflächen oder Häuser auf dem Mond mithilfe der additiven Fertigungstechnik herstellen zu können?
    Udo Behrendt: "Ich glaube, dass das übertrieben ist. Wird man größere Bauteile in Zukunft herstellen können? Ja. Wird man ein Bauteil herstellen, was zehn Meter lang ist? Das glaube ich nicht. Ein Triebwerk drucken, das ist schon eine deutliche Überschreitung. Wir werden vielleicht 40 bis 60 Prozent eines Triebwerks drucktechnisch herstellen können, also wenn Sie 50 Prozent der Bauteile in einem Triebwerk machen können, dann ist das gewaltig. Dann gibt es einen Artikel, wo die Navy sagt, sie wollen ein ganzes Schiff oder so was printen, das ist, Entschuldigung, eine deutliche Übertreibung. Unser Anspruch ist aber gar nicht, 10-Meter-Teile zu fertigen, unser Anspruch ist, kleinere Bauteile in der endgültigen Geometrie zu machen, ohne dass ich viel Bearbeitung hinterher machen muss. Das werden Bauteile sein, die werden sich in einem Bereich von maximal einem Meter befinden. Wenn Sie ein Triebwerk anschauen, Sie werden ganz wenige große Teile finden, den größten Teil der Bauteile werden wir in dieser Dimension fertigen können."
    "Wir sind hier im Bereich generative Fertigung. Wir haben sechs generative Fertigungsanlagen installiert, mit denen wir verschiedene Bauteile und auch schon erste Serienbauteile herstellen."
    Sechs Anlagen der Firma EOS stehen im benachbarten München, bei der MTU Aero Engines. Dr. Karl-Heinz Dusel, der die Abteilung generative Fertigung bei der MTU leitet, führt durch den Bereich. Anders als in einer lärmenden Produktionshalle hört man hier nur das gedämpfte Rauschen von Pumpen und Klimaanlagen.
    "Unsere Anlagen betreiben wir mit einer Nickelbasislegierung, ein typischer Werkstoff im Triebwerksbau, der sehr hohe Temperaturen aushält. Sie sehen den Laser, der den Pulverwerkstoff verschmilzt. Sie haben einen feinen Pulverwerkstoff, der in dünner Schicht aufgetragen wird. Anschließend verschweißt der Laser an den Stellen, die ihm das Bauprogramm vorgibt, den Werkstoff, Sie haben sozusagen einen Schweißprozess. Das geschieht Schicht für Schicht. Die Bauplattform fährt um eine Schichtdicke nach unten, Sie rakeln neues Pulver auf, verschweißen es wieder, solange bis Sie das Bauteil von oben nach unten aufgebaut haben."
    Hier entstehen Bauteile, die in ein echtes Flugzeug eingebaut werden, den Airbus 320 neo, der in zwei Jahren erstmals abheben soll. Sechzehn Werkstücke kann die Maschine in einem Arbeitsgang drucken.
    Dusel: "Wir haben hier ein so genanntes Boroskopauge, das ist ein Anbauteil, das außen an die Niederdruckturbine angeschraubt wird, an das Gehäuse, und dazu dient, im Servicefall die Möglichkeit zu haben, ins Innere der Turbine reinzusehen."
    Zum Stichwort Boroskopauge findet Google rekordverdächtig wenige Einträge. Es ist quasi eine fingergroße Guckröhre, eine Art Spion, durch die man im Bedarfsfall Kameras oder andere Sensoren einführen kann. Ein unspektakuläres Teil, aber typisch dafür, wie sich die Industrie Schritt für Schritt an größere Herausforderungen herantastet.
    Dusel: "Wir gehen hier den ersten Schritt, die generative Fertigung in der Serie einzuführen. Der zweite Schritt wird sein, die Möglichkeiten der generativen Fertigung zu nutzen, das heißt Leichtbau, komplexe Strukturen umsetzen zu können."
    MTU ist nicht der einzige Turbinenhersteller, der erste Kleinteile in Serie für ein reales Flugzeug druckt. Auch die Luftfahrtsparte des amerikanischen Konzerns General Electric ist an der Entwicklung des Triebwerks beteiligt, mit dessen Hilfe der Airbus 320 neo im Jahr 2016 abheben wird. 85.000 Einspritzdüsen werden bei GE gedruckt. Die Vorarbeiten laufen seit Jahren. Auch bei der MTU begann man mit der Entwicklung schon 2006. Die Probefertigung der Boroskopaugen startete 2010. Die industrielle Revolution, wenn es denn eine wird, braucht also Zeit. Erst recht wohl die Visionen von ganzen Flugzeugen oder Tragflächen aus dem Drucker.
    Karl-Heinz Dusel: "Bei solchen Aussagen ist mit Sicherheit viel Marketing dabei. Wobei die Grundaussage gar nicht so falsch ist. Wenn man sich anschaut, was man heute an Technologie hat, kann man nur einen kleinen Teil dessen abbilden, was möglich ist. Aber es geht ja nicht nur um die heutigen Verfahren, also die beschränkten Bauräume, sondern mit der Grundidee des generativen, schichtweisen Aufbaus gibt es noch weitere Entwicklungsmöglichkeiten, später auch sehr große Bauteile herzustellen."
    Das wird aber mit der Technologie des Laserschmelzens allein nicht gehen. Und auch nicht, ohne das Spektrum der Werkstoffe zu erweitern.
    "Wir haben schon viele Metalle, die wir verarbeiten können. Aluminiumstähle, Titan, Nickelbasislegierungen, bis hinauf zu Wolfram; trotzdem steht man in Sachen Qualität an vielen Stellen noch am Anfang",
    sagt Carolin Körner in Erlangen. Dort wird im Sonderforschungsbereich 814 "Additive Fertigung" Grundlagenforschung an Materialien und Methoden betrieben. Unter anderem untersucht die Professorin eine Alternative zum Laser: das Aufschmelzen mit einem Elektronenstrahl, electron beam melting, kurz EBM genannt. Auch diese Methode arbeitet mit einem Pulverbett. Statt des Lasers bringt ein Elektronenstrahl das Material zum Schmelzen. Der Energieeintrag ist höher, und außerdem lässt sich der Strahl durch elektromagnetische Felder und damit präziser führen. So kann die Anlage in kürzerer Zeit größere Teile aufbauen. Nachteilig ist der höhere Aufwand: Im Bauraum herrscht Vakuum, und zum Schutz vor Strahlung ist er von Bleiabschirmungen umgeben. Doktorandin Vera Juechter zeigt die Anlage, die sich äußerlich kaum von den Laserschmelzanlagen unterscheidet.
    "Wir haben hier die EBM-Anlage von Arcam, die Arcam S12. Die ist aufgebaut aus zwei größeren Einheiten, in der linken Einheit ist alles drin, was mit Steuerung zu tun hat. Und der rechte Schrank ist die Anlage an sich, da ist die Elektronenkanone, der Bauraum, also alles wo der eigentliche Bau stattfindet."
    Vera Juechter experimentiert mit einem neuartigen Material, den Titanaluminiden.
    "Titanaluminide sind Hochtemperaturwerkstoffe, die sind vor allem dort interessant, wo auch Nickelbasislegierungen eingesetzt werden, zum Beispiel Turbinenschaufeln oder ähnliche Anwendungen. Man könnte sich vorstellen Nickelbasislegierungen durch Titanaluminide zu ersetzen, weil man da nur die halbe Dichte hat wie bei Nickelbasislegierungen, es ist viel leichter."
    "Es kommt nicht nur darauf an, dass man am Ende ein Bauteil herstellt, das aus dem Material besteht, sondern es kommt auch darauf an, wie man das tut, damit kann man die Eigenschaften extrem beeinflussen",
    erläutert Carolin Körner. Die Forscher wollen zum Beispiel wissen, wie Temperatur und Strahlführung die Materialeigenschaften des fertigen Bauteils beeinflussen. Bis hin zu Feinheiten der Kristallstruktur – eine wichtige Eigenschaft für die Festigkeit des fertigen Bauteils. Die Erlanger sind auch beim europäischen Forschungsverbund "Amaze" mit seinen hoch fliegenden Plänen für Raumfahrt und Fusionsforschung dabei. Deren Ziel: Große Bauteile aus Titan. Carolin Körner glaubt allerdings nicht, dass Laser- oder Elektronenstrahlschmelzen dafür ausreichen.
    "Beim großen Bauteil, wenn Sie ein 2-Meter-Bauteil herstellen wollten, dann brauchten Sie eine Pulverschicht mit 40 Mikrometer, die Sie auf eine Fläche von 2 mal 2 Meter aufbringen, homogen, das ist schon mal eine Herausforderung. Das zweite ist, dass Sie einen Strahl haben, der auch ausgelenkt werden muss über diese Länge, der verliert an Strahleigenschaften. Also die Größe an sich, der Strahl und dann ist es auch einfach die Zeit, die das kostet. Also man muss sich überlegen, ob ein großes Bauteil nicht besser anders hergestellt werden kann als über ein Pulver. Also die additive Fertigung ist vor allem dann interessant, wenn Sie relativ kleine komplexe Bauteile haben, die Sie anders sehr sehr schlecht herstellen können."
    Für die großen Werkstücke sind andere Technologien wie das Laser-Cladding in Entwicklung. Dabei wird ein Werkstück zwar auch schichtweise aufgebaut, aber als Ergebnis kommt eine sehr grobe Urform heraus. Die muss so aufwändig in Form gefräst werden, dass man schon von einem Zwitter zwischen alter und neuer Fertigungstechnologie sprechen kann. Was bleibt, von den Reisen in die Realität der additiven Fertigung, ist gedämpfter Optimismus. Zwei Megatrends sind derzeit zu erkennen: Zum einen der Heimdrucker-Hype mit seinem Mythos vom "Jedermann sein eigener Fabrikant". Der wird sich vermutlich schnell relativieren, beim Blick auf begrenzte Vorlagen und anspruchsvolle Anforderungen an Programmierkünste. Den Heimdruck als umweltfreundliche Alternative zum klassischen Konsum zu preisen, kann auch nicht überzeugen. Statt der Produkte würde dann das Material zu ihrer Herstellung in die Haushalte transportiert. Und wie so mancher Papierausdruck im Abfall landet werden wohl auch die kreativen Fehlschläge der "Revolution in 3D" massenhaft im Müll landen.
    Auf der anderen Seite die Aufbruchstimmung in der Industrie. Massenfertigung aus dem 3D-Drucker mit Millionenstückzahlen wird wohl unrentabel bleiben. Kleine Serien dagegen, wie sie in speziellen Branchen, in der Luft- und Raumfahrt zum Beispiel, an der Tagesordnung sind, kommen schon heute aus den Druckeranlagen. Sie werden sicher wirtschaftlich noch vorteilhafter werden. Auch die Fachleute sehen die Entwicklung verhalten optimistisch.
    "Um unseren Markt zu vergrößern, ist das wichtigste noch schnellere Maschinen zu bauen. Weil schnellere Maschinen sich in niedrigere Kosten für die Fertigung übersetzen, und das bedeutet, dass wir eine größere Breite in den Anwendungen bekommen können."
    So umreißt Magnus René, CEO der schwedischen Firma Arcam, die EBM-Anlagen herstellt, seine Zukunftserwartung. Und auch Tobias King, der Vertreter von Voxeljet, sieht die größte Herausforderung derzeit in der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der additiven Fertigung.
    "Wir können schon sehr sehr groß drucken, wir machen auch mehrere 100 oder vielleicht auch 1000 oder 2000 Teile, in die Bereiche geht es schon, aber ab einer gewissen Anzahl fährt der Kunde einfach besser über Werkzeug. Es ist auf jeden Fall ein sehr großes Potenzial in dem Bereich, aber ich denke es wird noch Zeit vergehen, bis wir wirklich so weit sind."
    Carolin Körner: "Oft sagen die Leute: 'Man kann doch alles drucken, es geht doch alles!' Aber das stimmt eigentlich überhaupt nicht. Es geht sehr viel schon, aber wenn man allerhöchste Qualität haben will, dann sind noch sehr sehr viele Fragen einfach offen."
    Die ganz großen Ambitionen – Tragflächen, Mondstationen, Raumfahrzeuge – sind vorerst noch mehr Fiction als Science. Der Star Trek Replikator lässt grüßen.