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40 Jahre Informatikstudium München

1967 wurde an der Münchner TU ein Studienzweig aus der Taufe gehoben, der hierzulande vielleicht erst das Tor zur virtuellen Welt aufgestoßen hat. Es war das Jahr, in dem Professor Friedrich Bauer seine erste Vorlesung in Informationsverarbeitung gehalten hat. Damit war der Grundstein für das Studium der Informatik in Deutschland gelegt. Zum 40. Jahrestag lassen die Münchner Informatiker die Sektkorken knallen und blicken in die Vergangenheit.

Von Birgit Fenzel |
    An seine erste Vorlesung vor 30 Studenten erinnert sich der heute 83jährige Gründervater des deutschen Informatikstudiums Professor Friedrich Bauer noch sehr gut.

    " Die war noch ziemlich stark algebraisch. Aus dem Gebiet der Algebra und aus dem Gebiet der Differenzialgleichungen, der partiellen Differenzialgleichungen – also der schwierigen Differenzialgleichungen, die da damals für viele Mathematiker der Inbegriff des Rechnens, des komplizierten Rechnens waren."

    Dass er einmal als Mathematikprofessor an der Technischen Uni eine Vorlesung halten würde, hätte sich Bauer zu Beginn seiner Wissenschaftslaufbahn nicht träumen lassen. Denn studiert und promoviert hatte er im Fach Physik an der Münchner LMU –

    " ... bin aber dann meinem Doktorvater entwichen und hab mich an die TU angehängt an einen Professor namens Robert Sauer – auch ein Mathematiker, von dem ich aber wusste, dass er mit einem Ingenieur, mit einem Nachrichtentechniker, namens Piloty zusammen eine Maschine baute (– also in den erlauchten Kreis der wenigen, die damals selbst Maschinen bauten hab ich mich mich hineingeschmuggelt und durfte dann bei Sauer als Assistent dienen.)"

    Diese Maschine war ein Rechner – vom Kaliber einer altdeutschen Schrankwand und nach Fertigstellung für ein paar Wochen die schnellste Rechenmaschine der Welt. Bauers Job war es damals zusammen mit zwei Kollegen die Programme für das PERM genannte Rechenmonster zu schreiben.

    " Bei dieser Gelegenheit haben wir gemerkt, dass die Programmierung nicht etwa was Triviales ist, wo man Befehlchen an Befehlchen hintereinanderklebt, sondern dass es darauf ankommt, dass man tiefere Gesetzmäßigkeiten erkennt und auf diese Weise auch die Programmierung effizient macht."

    Und genau um diese Gesetzmäßigkeiten und darum, wie man System in die Programmierung bringt, ging es auch in den ersten Vorlesungen, die Friedrich Bauer mit seinem Kollegen Klaus Samelson in den ersten Jahren abwechselnd hielt. Die ersten Vorlesungen Bauers hat Manfred Broy zwar verpasst – er war noch am Gymnasium. Aber vier Jahre später war der heutige Lehrstuhlinhaber für Software und Systems Engineering am Institut für Informatik dabei. Es ging damals mehr um Kernfragen der Informatik und nicht wie heute um ihre Anwendungen in der Medizin, Biologie oder Industrie.

    " Ich denke, der ganz entscheidende Unterschied ist erstmal, dass die Informatik heute allgegenwärtig ist. Damals saßen unsere Rechner in den Labors hinter mehreren Türen verschlossen. Man kam mit dem Rechner unmittelbar kaum in Kontakt, man hat seine Programme angefertigt, man hat sie dann abgegeben, dass sie dann von anderen eingegeben und dann gerechnet wurden. Heutzutage sitzen die Studenten mit ihren Laptops im Hörsaal. Also ist ein ganz anderes Selbstverständnis. Informatik ist allgegenwärtig."

    Dass der ursprünglich als Nebenfach der Mathematik eingeführte neue Studiengang eine derartige Karriere machen würde, sei schon überraschend, meint Friedrich Bauer angesichts dieser Omnipräsenz der Informatik:

    " Es ist viel mehr geworden als wir beide – Samelson und ich ahnen konnten. Aber wir haben eine ganze Menge geahnt, was uns damals die Leute schon nicht abnehmen wollten und gesagt haben ihr spinnt ja. Das wird ja nie gehen. Das kostet ja zuviel. Das dauert zu lang."

    Doch nicht nur Skeptiker machten den Pionieren anfangs das Leben sauer. Da gab es auch noch ein Copyright, das quasi als böse Fee an der Wiege die Taufe des neuen Studienzweiges beinah verhindert hätte.
    Das Wort Informatik war nämlich schon anders besetzt gewesen.

    " Weil eine Firma – Stahlelektrik – ein Warenzeichen hatte auf ein Produkt und dann muss man vorsichtig sein ein Warenzeichenrecht. Aber dann gelang es uns, einem damaligen Bundesminister für Forschung das Wort in ein Manuskript zu schmuggeln, und das war Stoltenberg. Und Stoltenberg hat das Wort mit einer Selbstverständlichkeit wie es einem Minister gebührt verwendet, mindestens sieben mal hat er von der Informatik geredet."

    Und damit sei das Wort in aller Munde und das Warenzeichen erledigt gewesen.

    " Alle Presseleute, die da saßen haben das gehört und
    gesagt: Aha, das ist was Neues und damit war die Angelegenheit Warenzeichen erledigt. Und jetzt war es ein fester Begriff, ein wissenschaftlicher Begriff. Wir haben ja nicht behauptet, dass wir es erfunden haben – der Stoltenberg hat es ja erwähnt."

    Friedrich Bauer hat einen großen Teil der Erfolgsgeschichte seines Studienganges als Professor aus direkter Nähe miterleben dürfen. Beim großen Hype 2000 und 2001, als sich 1000 Studierende in den Hörsälen drückten, war er allerdings nicht mehr dabei, denn er hat 1989 seinen Lehrstuhl in den Ruhestand verlassen. An der Erfolgsgeschichte der Informatik ist natürlich immer noch interessiert und felsenfest davon überzeugt, dass da noch genug Stoff auch für die nächsten 40 Jahre drin ist.

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    Hintergrundinfo:

    1967 startete die erste Informatikvorlesung an der TU München und damit entstand der Studienzweig "Informationsverarbeitung" in Deutschland. Die TU München feiert gemeinsam mit ihren Partnereinrichtungen aus der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Universität der Bundeswehr München am 26. Oktober 2007 dieses 40-jährige Jubiläum der Münchener Informatik.

    Während der Festveranstaltung wird der mit 25.000 EUR dotierte Friedrich L.
    Bauer- Preis an Sir Charles Antony Richard Hoare vergeben.