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40 Jahre schräg-schöne Musik

Premiere beim JazzFest in Berlin. Eine Band aus Armenien. Arto Tunçboyaciyan hat sie gegründet. Geboren einst bei Istanbul als Sohn einer armenisch-anatolischen Familie, ging er Anfang der Achtzigerjahre nach Amerika, suchte Anschluss dort vor allem bei Musikern des Ethno-Jazz.

Von Georg Friedrich Kühn |
    Vor fünf Jahren bei einem Besuch in der Heimat seiner Familie beschloss er, in Jerewan eine eigene Band zu gründen. Zwölf Musikerinnen und Musiker gehören zu dieser Formation. Kombiniert sind hier tradierte Jazz-Instrumente mit solchen der autochthonen Folklore: Kniegeige, Flöte, Rohrblattinstrument und Hackbrett mischen sich da mit Trompete, Posaune und Saxophon.

    "Armenian Navy Band" nannte Tunçboyaciyan sie. Und sie zeigen sich in ihren sandfarbenen Hemden mit den bunten Mustern auch leicht uniformiert. Der Name steht freilich vor allem für die Sehnsucht der Bewohner dieses Landes am Kaukasus, auf Glückssuche in die Fremde zu streben.

    Mit den Musikern aus Armenien hat man auch wieder ein neues Quartier erprobt. Erstmals spielte man im Palais der Kulturbrauerei am Prenzlauer Berg.

    Rein zum Zuhören ist die Atmosphäre dort zwar nicht die aller besucherfreundlichste. Nur wenige Leute finden in diesem Club Platz an kleinen Tischchen und Hockern. Die meisten müssen auf der Tanzfläche stehen. Die Luft ist rauchgeschwängert. Aber das Publikum ist merklich jünger, geht direkter mit.

    Und entsprechend ist auch die Auswahl der Bands, etwa mit der Szene-Formation "Yakou Tribe", die auch eine Mischung aus Folklore und hartem Beat versucht.

    Ansonsten feiert das "JazzFest Berlin" vor allem sich selbst. 40 Jahre ist es alt geworden. Entstanden aus kleinen Anfängen als "Jazztage" mit dem Guru Joachim-Ernst Berendt als langjährigem Präzeptor. Leicht pädagogisierend wollte man den "schwarzen Kulturen" damals ein Forum bieten, wie man betonte.

    Eine Festschrift ist dazu erschienen mit vielen schönen Fotos und Texten. Die Kulturstaatsministerin Christina Weiss steuerte ein Grußwort bei, in dem sie das "JazzFest" als die Perle an Innovation in ihrem Festspiele-Bouquet rühmte.

    Zur Feier des Tages ging man für die Eröffnung auch an den Ort, wo das Festival einst begonnen hatte und den man sich heute gar nicht mehr leisten kann: in die Philharmonie. Sogar der Bundespräsident kam zu der opulenten Festgala, um etwa dem launigen Jazztheater des langjährigen Festival-Chefs George Gruntz mit NDR-Bigband zu lauschen.

    Das Erinnern spülte auch einige weitere Musiker in die Programme, wie etwa Zbigniew Namysłowski. Der polnische Saxophonist war auch schon vor vierzig Jahren dabei, diesmal freilich mit einer verjüngten Combo. Oder auch das "ICP Orchestra", vor fast vierzig Jahren in den Niederlanden gegründet von dem aus der Ukraine stammenden Pianisten, heute doch schon sehr gebrechlich wirkenden Misha Mengelberg.

    Willem Breuker, bei der Fest-Gala mit einem eigenen Akt vertreten, spielte mal mit in dieser Band. Mengelberg und seine Musiker versuchten eine Art Crashkurs in traditionellem und modernem Jazz, manchmal doch etwas gequält wirkend.

    Insgesamt war das Jazzfest 2004 kein so sehr inspirierender Jahrgang. Es fehlte entgegen der Euphorie der Ministerin doch etwas an Innovation. Als Problem erweist sich immer wieder das Haus der Berliner Festspiele als zentrale Spielstätte. Es ist außer mit den weitläufigen Foyers kein Ort der Kommunikation. Und dass die Musiker auf der Bühne so mitreißend wären, dass man den Raum darüber vergessen kann - es ist nicht die Regel.