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40 Jahre "Vogue"
Magazin im Museum

Die Münchner Villa Stuck zeigt 40 Jahre Magazingeschichte der deutschen "Vogue". Der Mix ist wild, manches will nicht so recht ins Museum passen, aber am Ende taucht ein wichtiger Zusammenhang auf.

Von Julian Ignatowitsch |
Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist das schon. Da stehen drei knallbunte Mannequins im alt-ehrwürdigen Atelier des Malerfürsten Franz von Stuck. Dazu 40 magazinig abgezogene und an die Wand gepinnte Aufnahmen von Star-Fotografen wie Helmut Newton oder Peter Lindbergh, die Star-Models wie Kate Moss oder Claudia Schiffer zeigen:
"Also, alles was man hier sieht ist für die deutsche Vogue produziert. Und jetzt war am Anfang bei uns im Museum die Denke - genau das wird das Thema sein: Fotografie, Gestaltung, Magazingestaltung, Typografie…"
Filmklassiker und Nuklearkatastrophen
Aber: Es kam alles anders. Und so geht Museumsdirektor Michael Buhrs weiter, durch einen Raum mit unzähligen Vogue-Titelblättern, bis er vor der Zahl 1979, groß an die Wand gemalt, stehen bleibt. Vor 40 Jahren ging das Modemagazin in Deutschland an den Start, nach US-amerikanischem Vorbild.
Michael Buhrs: "Die Vogue hat tatsächlich die Archive geöffnet. Wir konnten alles anschauen und konnten durch alle Magazine, die dort in der Bibliothek stehen, durchblättern."
Und so kann man hier eine Chronik, eine Magazingeschichte der vergangenen vier Jahrzehnte verfolgen. Eine Chronik, die sich, ja, teilweise etwas seltsam liest, wenn auf den Filmklassiker "Paris, Texas", der deutsche Nr. 1 Hit "Cheri Cheri Lady" und dann die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl folgt - und das alles unkommentiert nebeneinander steht. Aber das gibt eben genau den Vogue-Kosmos wieder. Chefredakteurin Christiane Arp glaubt,…
"… dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen dem was weltpolitisch passiert, welcher Film der Hit war, welche Musik wir gehört haben. Das prägt uns, auch das Bild von uns und wie wir uns anziehen."
Von der Foto-Reportage über Punk-Prinzessin Gloria von Thurn und Taxis über magersüchtige Mädchen bis hin zum Designer, der wenige Tage vor den Anschlägen des 11. Septembers arabisch inspirierte, verhüllende Mode auf der Fashion Week in New York zeigte. Der Mix von Glamour, Betroffenheit, Ästhetik und Voyeurismus, von Sensation und Ernsthaftigkeit ist so wild, wie die Playlist des Vogue-Lieblings Karl Lagerfeld, und ihm, dem Vogue-Liebling Karl Lagerfeld, ist ein ganzer Raum gewidmet, nicht nur musikalisch:
Christiane Arp: "Das Großartige an Karl Lagerfeld war sein Humor und diese Schlagfertigkeit - und ich konnte bei ihm so viel Dinge lernen, weil er eben dieses wandelnde Lexikon war, nicht nur über Mode."
Selbstbezogene Blicke
Ein Film zeigt Lagerfeld, wie er sich selbst zeichnet, mit Sonnenbrille, Hut und Anzug. Und natürlich sind seine Kleider, Fotos und Briefe zu sehen. Musealer sind die Räume mit Bildern von Juergen Teller und die sehr sehenswerten, androgynen Fotomontagen des Schweizers Udo Rondinone. Also doch Kunst! Da wird Museumsdirektor Buhrs gleich etwas gesprächiger:
"Selbstbezogener Blick auf dieses Bild, was in der Modewelt übermittelt wird, gespiegelt durch das eigene Konterfei, durch ganz unterschiedliche Gesten, Haltungen. Am Ende wenn man länger im Raum ist, glaubt man auch, es schaut einen immer die gleiche Person an, obwohl es ganz unterschiedliche Arbeiten sind."
Sind das nicht auch irgendwie Merkmale von Mode, von Models: Scheinindividualität, Oberflächlichkeit, Austauschbarkeit.
Christiane Arp: "…und jedes Modebild ist ein Spiegel der Zeit in der es entstanden ist, das sage nicht ich, sondern F.C. Gundlach"
Also der legendäre Fotograf und Kunstsammler. Aber bevor wir uns in allzu philosophische Gedankenspiele verlieren, besser in den zweiten Stock der Ausstellung. Dort zu sehen: ein Set für ein Fotoshooting, einen Redakteursschreibtisch und die Planung zur nächsten Vogue-Ausgabe, November 2019.
Michael Buhrs: "Ist ein Riesengeheimnis normalerweise, also nicht mal wir haben in der Ausstellungskonzeption dann erfahren, wer auf dem nächsten Cover ist. Stillschweigen - wird nicht verraten!"
Museum der Zukunft
Hier bricht die Redaktion das Stillschweigen, hier sollen Fotografen shooten und Cutter schneiden. Im Auftrag des Magazins. Ein realer Einblick in den Arbeitsalltag - ist das das Museum der Zukunft? Oder einfach nur Werbung? Kommerz im Deckmantel der Hochkultur? Michael Buhrs weiß, das wird nicht jedem gefallen. Kritik,
Michael Buhrs: "die wird kommen. Dem müssen wir uns stellen, wir sind in das Projekt reingegangen und wir werden auch während der Ausstellung darüber sprechen."
Auch darüber: Mode und Umweltverschmutzung. Nur zwei Zahlen: Die Modeindustrie verursacht 20 Prozent des industriellen Abwassers und 10 Prozent der Kohlenstoffemissionen. Das deckt die Schau - eine Stärke - am Schluss ganz deutlich auf und legt den Finger in die Wunde. Sie zeigt alternative Wege, Materialien, Herstellungsprozesse und Projekte von Künstlern, die Recycling-Mode herstellen. Das ist das Museum der Zukunft! Hat hier aber leider nur am Rande Platz.
Und die 40 Jahre davor? Kann man anschauen, kann man nachlesen, muss man aber nicht!