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"400 Jahre China und Bayern"

"Saupreiß kinesischer!" – Das kennt man. Der Bayer mag am liebsten sich selbst. Das war nicht immer so. Schon im frühen 17. Jahrhundert bestanden zwischen Bayern und China intensive Kontakte. Wegen ihrer Leistungen auf den Gebieten der Mathematik und Naturwissenschaften stiegen bayerische Gelehrte am chinesischen Kaiserhof in höchste Ämter auf und trugen maßgeblich zum Austausch zwischen Europa und Asien bei. Mit einer Sonderaustellung möchte das Bayerische Nationalmuseum in München diesen Austausch zeigen.

Renate Eikelmann im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Saupreiß, chinesischer – das kennt man. Der Bayer mag am liebsten sich selbst. Das war nicht immer so. Schon im frühen 17. Jahrhundert bestanden zwischen Bayern und China, als die Preußen noch weit weg waren, intensive Kontakte. Während andere europäische Länder sich eher unter Handelsgesichtspunkten für das Reich der Mitte interessierten, waren die Verbindungen Bayerns durch einen Wissenschafts- und Techniktransfer bestimmt. Der wurde entscheidend durch die vom Staat geförderte Jesuitenmission geprägt. Wegen ihrer Leistungen auf den Gebieten der Mathematik und Naturwissenschaften stiegen bayrische Gelehrte am chinesischen Kaiserhof in höchste Ämter auf und trugen maßgeblich zum Austausch zwischen Europa und Asien bei. Mit einer Sonderausstellung möchte das Bayrische Nationalmuseum in München diesen Austausch zeigen. "Die Wittelsbacher und das Reich der Mitte – 400 Jahre China und Bayern", so heißt die Schau. Rund 300 Exponate hat das Haus zusammengetragen. Welche würden Sie an erster Stelle nennen? Das habe ich Renate Eikelmann gefragt, die Generaldirektorin des Museums.

    Renate Eikelmann: Ich glaube, die Glanzstücke unserer Ausstellung sind die Werke aus dem Palastmuseum in China – sechs Globen und Uhren insgesamt haben wir bekommen –, weil man die sonst nicht sehen kann. Qualitativ die Werke einzuschätzen ist natürlich schwierig. Jedes Werk hat für sich eine große Bedeutung für die Ausstellung.

    Schmitz: Welchen kulturhistorischen Transfer können Sie an diesen Objekten, die Sie gerade genannt haben – also die astronomischen Objekte –, deutlich machen?

    Eikelmann: Die Jesuiten, die an den Hof geholt wurden, wurden, glaube ich, nicht aufgrund des Glaubens, sondern aufgrund ihres großen Wissens in der Mathematik und in der Astronomie an den Hof geholt. So wurden gemeinsam Sternenkarten entwickelt und Globen, später basierten noch zahlreiche Objekte und Sternenkarten auf das Wissen der Jesuiten, die ja bis zum 18. Jahrhundert im Land waren.

    Schmitz: Haben diese Gegenstände auch eine, wie soll ich sagen, deutsche kunsthandwerkliche Aura, oder sind die eingegossen in die chinesische Art, die Dinge darzustellen, optisch?

    Eikelmann: Zum Beispiel gibt es einen Globus, der mit chinesischen Schriftzeichen versehen ist, wo man weiß, dass ein Jesuit und ein Chinese zusammen diesen Globus entwickelt haben. Er sieht also aus wie jeder westliche Globus, nur die Schriftzeichen sind in Chinesisch, wenn Sie das meinen.

    Schmitz: Ja. Was haben denn die Wittelsbacher gelernt von den Chinesen, wissenschaftlich beispielsweise?

    Eikelmann: Wissenschaftlich gesehen ging es den Wittelsbachern sicher nicht um Entwicklung der Instrumente, weil das ja einseitig war, sondern die waren am Kunstgeschehen dort interessiert, die haben die chinesische Kunst geschätzt und gesammelt beziehungsweise chinesische Motive hier aufgenommen und kopiert.

    Schmitz: Und welche Dinge haben die Jesuiten oder die Abgeordneten der Wittelsbacher mit nach Bayern gebracht?

    Eikelmann: Zum Beispiel Porzellane, die sie dort auch bestellt haben, mit ihren Wappen.

    Schmitz: Was darüber hinaus? Seiden vermutlich auch?

    Eikelmann: Dann haben die im 18. Jahrhundert wunderbare Seiden ... Und sehr interessant ist, dass wir in der Hoftapeziererei der Residenz Seidenbespannungen aufgefunden haben, die noch aufgerollt waren und nie eine Verwendung gefunden haben.

    Schmitz: Der Austausch wurde getragen, Sie haben es erwähnt, von der Jesuitenmission in China. Hat die Mission Früchte getragen oder war es eher der Wissensaustausch und der Kulturaustausch?

    Eikelmann: Ich glaube, die Mission in China hat beschränkt, eine kurze Zeit, Früchte getragen. Es sind Chinesen getauft worden, es wurden ja auch die sogenannten chinesischen Waisenkinder, meistens Mädchen, unterstützt von den Fuggern, von den Wittelsbacher Damen, so dass Waisenhäuser entstanden und die Kinder getauft wurden. Aber auf Dauer hat die Mission wohl keine Früchte getragen.

    Schmitz: Warum heute eine Ausstellung in Bayern über China vor 400 Jahren oder über 400 Jahre? Was interessiert Sie, was interessiert die Ausstellung an dieser Geschichte?

    Eikelmann: Was eigentlich spannend ist, ist, dass man hier in Bayern 400 Jahre Beziehungen nach China beziehungsweise China nach Bayern feststellen kann. Natürlich war im 18. Jahrhundert an allen europäischen Höfen die Chinamode en vogue, das war nichts Besonderes. Aber die Wittelsbacher haben nachweislich seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts diese Beziehungen aufrecht erhalten. Auch im 20. Jahrhundert hat Ruprecht ... Der reiste Anfang des 20. Jahrhunderts noch einmal nach China, hat Sachen dort gekauft und konnte selbst damals dort noch die schlechte Exportware vom Guten unterscheiden. An anderen Höfen war es nur eine ganz kurze Zeit im 18. Jahrhundert. Und die Jesuiten hatten auch, glaube ich, nicht die Auswirkung, die sie auf Bayern hatten.

    Schmitz: Das heißt, Sie wollen nicht nur an der Oberfläche der aktuellen Beziehungen zu China laborieren, sondern wollen die Tiefe dieser Beziehungen deutlich machen?

    Eikelmann: Wir möchten mit dieser Ausstellung zeigen, dass 400 Jahre Kulturgeschichte uns mit China verbindet, dass die Bayern vom Ende des 16. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts, als China nicht mehr modern war, zu sammeln, hier noch gesammelt haben, ein kontinuierlicher, roter Bogen sozusagen vom 16. bis ins 20. Jahrhundert. Wir wollen nicht auf den Zug "Jetzt ist China modern!" aufspringen, sondern die Kulturgeschichte zeigen.

    Schmitz: Renate Eikelmann, Generaldirektorin des Bayrischen Nationalmuseums über blau-weiß-rote Farbenlehre und die Ausstellung "Die Wittelsbacher und das Reich der Mitte" in München.