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5.000 Jahre Geschichte
Irlands historischer Osten

"Ireland's Ancient East", Irlands historischer Osten bezeichnet eine ganze Reihe von prähistorischen und historischen Sehenswürdigkeiten, die Dublin wie eine Perlenkette in einem weiten Halbkreis umgeben. Zwei der bedeutendsten Zeugnisse sind die Klosteranlage Glendalough und die prähistorische Megalith-Anlage Bru na Boinne. Seit 1993 steht sie auf der UNESCO-Welterbe-Liste.

Von Katrin Kühne |
    Die dünnen Bäume sind von grünen Flechten überzogen, auch der Boden ist moosgrün.
    Ein Wäldchen in der Nähe von Glendalough. (CTK / Jiri Castka / dpa )
    "Das irisch-gälische Bru na Boinne wird oft übersetzt als Biegung des Flusses Boyne, denn er fließt hinter uns herum und später in die Irische See nördlich von Dublin. Die Gegend wurde schon vor über 5.000 Jahren von Menschen besiedelt."
    Der Begriff Bru na Boinne läßt mehrere Deutungen zu. Die geläufigste ist: Der ‚Palast der Göttin Boyne‘. Die prähistorische Grab-Anlage zählt zu den wichtigsten weltweit. Und ist älter als die ägyptischen Pyramiden ergänzt Spezialistin Siobhan McDonald. Seit 1993 gehört der rätselhaft Komplex zum Weltkulturerbe der UNESCO. Herz des geschützten Gebietes ist Newgrange. Das Megalith-Grab sitzt mit einem Durchmesser von rund 90 Metern wie ein riesiger grasbewachsener Fladen in der offenen Landschaft -auf einem Hügel. Umgeben ist es von einigen "Hinkelsteinen", an denen Obelix seine Freude haben würde. Vielleicht Teile eines einst geschlossenen Rings.
    Die rekonstruierte Vorderfront aus weißem Quarzit und monumentalen Blöcken grinst den von unten heraufkommenden Besucher wie das Gebiss eines Riesen an.
    "Newgrange bedeutet in etwa Neues Gehöft und ist von über vierzig Satelliten-Gräbern umgeben. Einzigartig an Newgrange ist vor allem sein Kastenfenster über dem Eingang, ungefähr so groß wie ein Fernsehschirm, rund 2 1/2 bis 3 Meter über dem Boden. Selbst nach über 5.000 Jahren scheint zur Wintersonnenwende das Licht bis in das Innere des Grabes hinein."
    Siobhan McDonald und ich stehen im windgeschützten Eingangsbereich der nach der Sonne ausgerichteten Anlage. Grob behauene Fels-Pfosten bilden das Portal. Davor ein heller Gesteinsbrocken mit Spiralgravuren.
    "Diese Steinblöcke lassen auf die außerordentliche Bedeutung schließen. Das Ganggrab wurde wahrscheinlich über Generationen erbaut. Obwohl es riesig ist, enthielt die kreuzförmige Grabkammer nur wenige menschliche Überreste von vielleicht sieben, acht, neun Leuten."
    Diente Newgrange wirklich nur als Bestattungsort oder als Tempel einer Gottheit, gar als unterirdischer Wohnort der Fairies, den Elfen? Diesem, in Irland allgegenwärtigen, doch von der Erdoberfläche vertriebenen Göttergeschlecht?
    Aus dem Reich der Mythen und Legenden von Bru na Boinne fliegen wir nun auf 'Götterflügeln', um im Bild zu bleiben, in die südlich von Dublin gelegenen Wicklow-Mountains. Wir landen im Tal von Glendalough. Das "Tal der zwei Seen" liegt eingebettet in bewaldete Berge. Die milde Sonne eines Spätnachmittags scheint auf einen weiten Abhang, auf dem die Relikte der frühchristlichen Klostersiedlung Glendalough verstreut liegen, die vielleicht schönste von ganz Irland. Albert Smith, graues Haar, grauer Bart, ist ehemaliger Journalist und begeisterter Hobby-Forscher von der Mönchssiedlung.
    "Faszinierend an Glendalough ist, das es Jahrhunderte lang bereits ein spiritueller Ort der heidnischen Bevölkerung war, ehe die frühen Christen kamen. Die Klosteranlage geht auf die Mitte des 6.Jahrhunderts zurück, als ein Mann namens Kevin den Konvent hier gründete."
    Der Hl. Kevin soll um 500 in der Nähe von Dublin geboren worden sein, dessen Schutzpatron er auch ist. Im ganzen Land hoch verehrt, verstarb er 618 in Glendalough, angeblich im biblischen Alter von einhundertzwanzig Jahren. Sieben steinerne Kirchen beziehungsweise deren Ruinen ziehen sich hinunter zum Wasser des kleinen Flusses, der den Unteren und den Oberen See miteinander verbindet, wo der Heilige in Askese lebte. Albert Smith spaziert in Richtung eines alles überragenden Turms.
    " Das alles hier ist nur noch ein Gerippe dessen, was einst eines der größten und blühendsten Klostersiedlungen von Irland war. Je wohlhabender das Kloster, desto größer war der Round Tower."
    Im Golden Age, dem Goldenen Zeitalter Irlands zwischen dem 6. und 12. Jahrhundert, galt Glendalough als der bedeutendste Pilgerort Irlands, als "Rom des Westens". Die Mönchssiedlung mit bis zu 3.000 Klosterbrüdern besaß Manuskript-Schreibstuben, Werkstätten, ein Krankenhaus, Wohngebäude für Bruderschaft und Laien. Aus Holz erbaut, haben sie nicht überlebt. Nur die steinernen Zeugen, wie der über dreißig Meter hohe Round Tower, mit einer rekonstruierten Kegelmütze obenauf.
    "Unter den schmutzigen Lügen, die sich vorwiegend im 20.Jahrhundert verbreiteten, ist die schlimmste wohl die, der Turm sei Zufluchtsort gewesen. Stell' Dir vor, Du bist Mönch und die fiesen Wikinger oder miesen Normannen würden Dich attackieren, Du würdest Deine Wertsachen greifen und in den Turm fliehen. Die fiesen Wikinger und miesen Normannen würden sofort ein Feuerchen am Fuß des Turmes legen und in kürzester Zeit wärst du dann leider tot. Also die Idee ist völlig absurd!"
    Die Eingangstür des Turmes befindet sich in ungefähr dreieinhalb Meter Höhe. Die vier kleinen Fenster beleuchteten im Innern einst vier Etagen aus Holz, die mit Leitern verbunden waren. Die Fenster unter dem Dach blicken in die vier Himmelsrichtungen.
    "Die Geschichte der berühmten irischen Rundtürme erklärt sich am besten durch die Übersetzung ihres irisch-gälischen Namens Cloighteach, Haus der Glocken. Sie waren in erster Linie Glockentürme. Der vor uns stammt aus dem neunten, zehnten Jahrhundert."
    Die große Glocke unter der Turmmütze war im ganzen Tal zu hören und rief die Mönche zum Gebet. Außerdem diente der Turm als Schutzraum für Reliquien, etwa die Gebeine von St. Kevin.
    "Nun, die kleine Kirche hinter mir wird St. Kevin's genannt. Sie ist das wohl wichtigste Symbol irischen Christentums.
    Wie der kleine Round Tower aus dem Gebäude zu wachsen scheint.
    Und dann das Spitzdach aus Steinplatten. Die meisten dieser Dächer haben nicht überlebt, da sie allein auf Grund ihrer Schwere einstürzten. Aber das hier hält sich erstaunlicherweise seit über 1.000 Jahren. Wegen der Innendecke, die ich Ihnen zeige, wenn wir jetzt hineingehen."
    In Innern des Kirchleins umfängt uns sogleich ein besonderer Raumklang.
    "Die Decke hat ein durchgehendes Bogengewölbe und dieses leitet die Kräfte nach unten ab. Die Kirche, manchmal Kevins Küche genannt, diente Mönchen auch als Wohnraum.
    Hier die Löcher für die Balken, die den ersten Stock trugen, wo die Gottesdiener lebten. Da hinten in der Ecke des Gemäuers das Loch für die Leiter, die in den kleinen Round Tower-artigen Glockenturm führte."
    Eine paar Schritte und Stufen höher liegt die selbst als Ruine elegante, kleine Kathedrale. 1398 wurde sie von englischen Truppen bis auf die Außenmauern niedergebrannt. Glendalough bleibt dennoch Pilgerstätte, von deren einstigen Festen zu Ehren des St. Kevin-Tages am 3.Juni Whiskey-fröhliche Geschichten bis in heutige Tage hinüber hallen.