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50+1-Regel und Hannover 96
"Ich glaube, dass die Rechnung von Herrn Kind nicht aufgeht"

Der frühere Finanz- und Lizenzverantwortliche der Deutschen Fußball-Liga, Christian Müller, geht davon aus, dass der Präsident von Hannover 96, Martin Kind, vom Ligaverband DFL keine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel erhält und demnach keine Mehrheit am Verein erhält. Müller sagte im Dlf, die Förderung des Vereins durch Kind halte sich in sehr engen Grenzen.

Christian Müller im Gespräch mit Marina Schweizer | 04.02.2018
    Martin Kind, Präsident von Hannover 96.
    Martin Kind, Präsident von Hannover 96. (imago sportfotodienst)
    Christian Müller sagte, er hoffe nicht, dass die Entscheidung der DFL die 50+1-Regel zu einem Fall für die Mottenkiste mache. Er sehe auch keinen Sinn darin, Beteiligungen zu verkaufen. Wenn das Geld in Infrastruktur ginge, könne er das nachvollziehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die wenigsten deutschen Klubs hätten in dieser Beziehung aber ein Defizit.
    Was die Stärkung des Spielerkaders betrifft, wie Hannover-96-Chef Martin Kind das vorhabe, zeigte Müller sich jedoch skeptisch. Diese Maßnahme könne von anderen Klubs pariert werden, die sich nicht überholen lassen wollen. "Insofern glaube ich, dass die Rechnung von Herrn Kind gar nicht aufgeht, mit mehr Investorengeld seine Position innerhalb der Liga zu verbessern."
    Christian Müller, Studiengangsleiter Sportmanagement, Hochschule Fresenius
    Christian Müller (früher Finanz-Stratege der DFL) ist der Auffassung, dass Martin Kind mit seinen Bestrebungen keinen Erfolg haben wird. (obs/Hochschule Fresenius für Wirtschaft und Medien GmbH/Nils Pilger)
    Im Fall Hannover habe er den Eindruck, dass die Mehrheit der Mitglieder des Vereins gar nicht der Meinung, "dass Martin Kind den letzten Zipfel abschneiden soll, der den Stammverein noch mit Kapitalgesellschaft verbindet." Die Mehrheit der Mitglieder wolle das nicht. Müller sagte, er halte die "Grundidee von Demokratie im Verein für ganz gut". Wenn man wie Kind auf mehreren Stühlen sitze, wäre es gut, dem Willen der Mitglieder ein wenig mehr Beachtung zu schenken.
    Kind habe Hannover nicht gefördert, nur investiert
    Laut DFL-Statuten kann nur eine Mehrheit übernommen werden, wenn der Investor den Verein 20 Jahre lang ununterbrochen und erheblich gefördert hat. Müllers Einschätzung zu Kind ist in dieser Hinsicht eindeutig: Von außen könne "nicht mal von einer Förderung gesprochen werden". Er habe habe bloß Kapitalanteile gekauft - "wenn ich Aktien kaufe, bin ich auch kein Förderer der Deutschen Bank." Der ehemalige DFL-Finanzstratege sagte: "Die Förderung von Herrn Kind hält sich nach meiner Einschätzung und meinem Wissen in sehr, sehr geringen Grenzen."
    Beim 1. FC Köln zum Beispiel gebe es mehr Förderer, die bereit seien, Infrastrukturmaßnahmen vorzufinanzieren, oder "Geld in den Nachwuchsbereich hineinzupumpen".
    Kind wisse, dass er mit seinem Antrag nicht durchkomme
    Kind sei nur günstig an Kommanditaktien des Vereins gekommen. Was seine Erfolgsaussichten betrifft, sagte Müller, dass laut Rundschreiben der DFL am 12.12.2014 an alle Klubs, in denen die Leitplanken der DFL festgehalten wurden, man nicht davon ausgehen könne, dass Kinds Ausnahmeantrag durchkomme. Und: "Herr Kind weiß das schon seit Langem."
    Seiner Ansicht nach sei die 50+1-Regel gerichtsfester, als es von der DFL gesagt wird. Es gebe gute Argumente für diese Regel. Kinds Hannovermodell sei demnach "für die Mottenkiste".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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