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50 Gramm pro Kopf und Jahr

Seit 1897 führt Familie Niebes im saarländischen Völklingen eine Metzgerei, die ausschließlich Pferdefleisch verarbeitet. Sie ist damit eine von knapp hundert, die es in Deutschland noch gibt. Pferdefleisch ist etwas für Liebhaber und zunehmend etwas für Gesundheitsbewusste.

Von Tonia Koch | 16.12.2010
    Pferdemetzger Niebes lebt von der Stammkundschaft. Meike Niebes:

    " Ach Sabines Mann, jetzt weiß ich es."

    Vielfach geht vorbestellte Ware über den Ladentisch. Roland Niebes:
    "Überwiegend Steaks, Rouladen und Sauerbraten, das sind vom Fleisch her, die stärksten Produkte die man hat."

    Die Preise, sagt Roland Niebes seien nur etwa halb so hoch wie bei Rind. Sie spielten aber bei der Entscheidung für oder gegen den Verzehr von Pferdefleisch keine Rolle. In seine Metzgerei kämen diejenigen, die sich gesund ernähren wollten. Die Kunden bestätigen diesen Eindruck:

    "Ich habe längere Zeit kein Fleisch mehr gegessen, weil ich kein Fleisch aus der Massentierhaltung mehr essen wollte, deshalb bin ich auf Pferdefleisch umgestiegen. Das ist das gesündeste Fleisch, das es gibt. 1990, als das mit den Schweinen passierte, da hab’ ich mich bewusst dafür entschieden, weil es gesünder ist."

    Selbst die Ärzte schickten ihnen inzwischen neue Kundschaft, ergänzt Meike Niebes. Sie ist im Familienbetrieb für den Verkauf zuständig. Meike Niebes:

    " Viele Menschen kaufen Steak-Fleisch weil sie Eisenmangel haben. Sie essen es einmal die Woche und dann stimmt der Eisengehalt und sie brauchen keine Medikamente."

    Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung weist darauf hin, dass Pferdefleisch nicht nur einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Mineralstoffen wie Eisen oder Kalzium aufweist sondern auch darauf, dass der Fettgehalt nur halb so hoch ist wie etwa beim Rind. Die psychologische Hürde, die emotionale Hemmschwelle aber sei nach wie vor bei den Menschen äußerst hoch, Pferdefleisch auch genießen zu können, sagt Metzgermeister Niebes.

    "Für manche Leute ist ein Pferd etwas ganz besonderes, weil es ein Streicheltier ist und deswegen geht man hin, stellt es auf ein Podest und sagt, was man streicheln kann, kann man doch nicht essen."

    Der geringe Konsum in Deutschland, etwa 50 Gramm pro Kopf und Jahr, habe aber auch sein Gutes. Denn er verhindere, dass Pferde speziell für die Schlachtung aufgezogen würden, wie dies heute zum Beispiel in Südamerika der Fall sei. In Deutschland würden Tiere geschlachtet, die sich in Reitbetrieben befänden. Sie ernährten sich natürlich, zugefüttert würde allenfalls Heu, Hafer und Karotten und keine wachstumsfördernden Mittel. Ob ein Tier später einmal geschlachtet werden darf, muss von Anfang an festgelegt werden, erläutert Roland Niebes:

    "Bei der Geburt des Pferdes muss ein Equidenpass beantragt werden."

    Der sogenannte Status "Zur Schlachtung" ist in der EU einheitlich geregelt und dient dem Verbraucherschutz, weil das Pferd als lebensmittellieferndes Tier angesehen wird. Die Verabreichung von Medikamenten wird bei diesem Status streng kontrolliert. Notschlachtungen bei Pferden in Folge von Verletzungen zum Beispiel gibt es keine mehr. Auch das ist EU-weit geregelt. Die Tiere müssen in den Schlachthöfen geschlachtet werden, und dorthin müssen sie unversehrt gelangen, wenn ihr Fleisch für den Verzehr freigegeben werden soll. Aber all dies hilft wenig gegen Mythen, die noch immer um das Pferd herum gesponnen werden. Noch heute glaubten viele Menschen Pferdefleisch mache krank, sagt Metzgermeister Niebes.

    "Noch heute rufen Leute bei mir an und fragen, hat ein Pferd Nieren. Natürlich hat es Nieren, wie jedes andere Säugetier auch…. Aber dieser Gedanke, deswegen schmeckt Pferdefleisch süßlich, das ist alles Blödsinn."