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50 Jahre Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde

Der Einfluss des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde BLL ist nicht zu unterschätzen: Hinter dem sperrigen Namen steckt die Lebensmittelindustrie und deshalb gilt der BLL als schlagkräftige Lobbyorganisation. Heute feiert der Verband 50-jähriges Jubiläum.

Von Andreas Baum |
    Heute am Jahrestag ist dem Verband die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sicher, auch weil Bundeskanzler Gerhard Schröder heute Nachmittag sprechen wird, was ja durchaus für den gesellschaftlichen und politischen Rang dieses Interessenverbandes, der Lebensmittellobby, spricht, auch für ihren Einfluss. Man nutzt also die Öffentlichkeit um einerseits auf die Leistungen der Vergangenheit hinzuweisen: Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde sieht sich gern als Verantwortungsgemeinschaft und hält sich zugute, Standards in Sachen Qualität gesetzt zu haben. Ein bisschen Eigenlob soll den Lebensmittelproduzenten an ihrem Jahrestag gegönnt sein. Aber sie haben auch Forderungen an die Politik: Man wehrt sich gegen Pläne der Europäischen Union, ungesunde Lebensmittel auch in der Werbung als solche zu kennzeichnen. Staatlicher Dirigismus sei das, sagt Theo Spettmann, der Präsident des Verbandes.

    " Werbung macht nicht dick, um das schlichtweg zu sagen, auch das muss man sich immer wieder vor Augen halten, Werbeverbote sind sicherlich nicht das geeignete Mittel, um das Problem Übergewicht entsprechend zu fördern. "

    Die Lebensmittellobby will also weiter ungehindert von die Verbraucher schützenden Vorschriften weiter für ihre Produkte werben, völlig ungeachtet der Tatsache, dass die eventuell dick oder krank machen könnten, all dies im Namen der Freiheit. Im gleichen Zusammenhang fordert Spettmann die Politik auf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die grüne Gentechnik nahezu von Regeln unbehindert Einzug halten kann in die Lebensmittelproduktion.

    " Wer in der Wirtschaft steht, mit beiden Beinen wird wissen, dass der Zug an einem vorbei fährt, wenn wir uns dieser Thematik verschließen. Es ist etwas anderes, was man an Aufklärung und Sachdiskussion führen muss, aber Innovationen, dazu gehört auch die grüne Gentechnik, sie wird nicht mehr aus dem Alltag der Lebensmittelwirtschaft hinweg zu denken sein, sie wird zunehmend Realität werden in uns, sollte sich Deutschland die Anwendung und Umsetzung der beiden EU-Verordnungen weiterhin selbst schwer tun, dann würde es faktisch die grüne Gentechnik in Deutschland nicht zur Anwendung kommen, obwohl ein formeller Brüsseler Rahmen hier gegeben ist. "

    Und dann würde sich die deutsche Lebensmittelindustrie im Wettbewerbsnachteil fühlen anderen Ländern gegenüber, in denen Organismen, deren Erbgut künstlich verändert wurde, ohne weiteres im Essen sein dürfen. Nun muss man sich auch vergegenwärtigen, warum eigentlich in Deutschland und Europa, wer Lebensmittel verkaufen will, so viele Vorschriften beachten muss. Ein Grund ist die Transparenz. Die aber gebe es sowieso nicht, so argumentiert Hans-Jürgen Rabe, der Jurist im Bund für Lebensmittelrecht, ein Experte auch für Europarecht.

    " Das ist ein einziger Witz. Transparenz wird man in diesem Gebiet jedenfalls für die Verbraucher niemals herstellen können, selbst nur für spezialisierte Juristen ist annäherungsweise von Transparenz die Rede, und was die Entwicklung in den letzten Jahren und Jahrzehnten, muss ich schon sagen, gebracht hat, ist eine Regelungsdichte, die schlicht beängstigend ist. "

    Man will sich also künftig nicht so gern vom Staat in die Rezepte schauen lassen, dies mit dem Argument, dass eine redliche Aufklärung des Verbrauchers sowieso nicht möglich sei. Ein Paragraphendschungel wird hier gern behauptet und beklagt. Außerdem wehrt sich der Verband gegen die aus seiner Sicht restriktive deutsche Umsetzung der EU-Richtlinien zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Die rot-grüne Regierung steht unter Verdacht, den Anweisungen aus Brüssel noch eins draufzusetzen.

    " Wenn man ein Produkt herstellt mit einem Fruchtsaft, dann muss man 59 verschiedene Gesetze, Verordnungen, Leitlinien, Standards, natürlich unterschiedlicher Provenienz, beachten, und es ist also inzwischen schwieriger, eine Torte richtig zu deklarieren, als sie herzustellen. "

    Der Verband hat noch ein weiteres Anliegen, er wehrt sich auch gegen Billigpreise, die zu massivem Qualitätsverlust führen. Qualität kostet einen bestimmten Preis, sagt man hier, und das will man auch dem Verbraucher vermitteln.