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50 Jahre Europäische Menschenrechtskonvention - eine Bilanz

7. Januar 1993. Der 32-jährige Türke Hüseyin Köksal baut um 3 Uhr morgens einen Unfall in der niederländischen Stadt Venlo. Ein örtlicher Polizist kommt am Unfallort an. Köksal ist nicht ansprechbar. Der niederländische Beamte hält den Türken für betrunken, er legt ihm Handschellen an und schleift ihn über die Erde zum Streifenwagen. Im Kommissariat wird der völlig benommene junge Mann in eine Zelle gesteckt, ohne Alkoholtest, Blutprobe oder medizinische Untersuchung. Elf Stunden vergehen und Köksals Zustand wird nicht besser. Erst jetzt rufen die Polizisten einen Arzt. Der weist den Türken sofort ins Krankenhaus ein - mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung. 21 Stunden später stirbt Hüseyin Köksal.

Cai Rienäcker |
    Die Gerichtsmediziner stellen eine Hirnblutung als Todesursache und als Unfallursache fest. Der junge Türke verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug, weil er einen Schlaganfall hatte. Als der niederländische Polizist ihn fand, war er nicht betrunken, sondern hätte dringend ärztliche Hilfe benötigt. Der Beamte wurde in den Niederlanden wegen Körperverletzung angezeigt, zwei Jahre später aber mangels Beweisen freigesprochen. Nachdem der nationale Rechtsweg ausgeschöpft war, wandte sich die Familie des verunglückten Türken an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Die Angehörigen führen den Tod des 32-Jährigen auf die Misshandlung durch die niederländische Polizei zurück. Sie berufen sich auf drei verschiedene Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention:

    Artikel 2: Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Artikel 3: Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Artikel 6, Absatz 2: Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.

    Der Europäische Gerichtshof nahm die Klage an und mehr als sieben Jahre nach dem Tod des Mannes fand im September die Anhörung in Straßburg statt. Die niederländische Regierung weist die Vorwürfe zurück. Der Tod sei die Folge einer Kette bedauerlicher Umstände gewesen. Das Urteil der Straßburger Richter wird erst in einigen Monaten erwartet. Aber allein die Annahme des Falls ist für die Niederlande nicht gerade schmeichelhaft. Die Einklagbarkeit beim Straßburger Gerichtshof ist Teil der Europäischen Menschenrechtskonvention. Vor 50 Jahren wurde sie entworfen. Georg Ress ist der einzige Deutsche unter den insgesamt 41 Richtern am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte:

    Georg Ress: Jeder einzelne Bürger kann, nachdem er den innerstaatlichen Rechtsweg durchlaufen hat, das ist natürlich eine gewisse Hürde, hier sich an den Gerichtshof mit einer Beschwerde wenden, um geltend zu machen, dass eines der Rechte aus der Konvention durch den Staat verletzt worden sind, ihm gegenüber. Das heißt zum Beispiel, Recht auf Leben, keine Folter, keine unmenschliche Behandlung, keine erniedrigende Behandlung, dass die Garantien in den Strafverfahren oder zivilrechtlichen Verfahren eingehalten wurden, Schutz der Meinungsfreiheit, des persönlichen Lebensbereichs, dazu gehört durch die Zusatzprotokolle auch der Eigentumsschutz, also ein relativ weiter Kreis von fundamentalen Garantien, die dem entsprechen, was wir etwa in Deutschland im Grundgesetz an Grundrechten verankert haben. Und das kann jeder einzelne hier bei uns, wenn er den nationalen Rechtsweg erschöpft hat, geltend machen.

    Alle 41 Staaten des Europarates haben die Europäische Menschenrechtskonvention von 1950 unterschrieben und ratifiziert. Die Konvention ist rechtlich verbindlich: Für Island genauso wie für die Schweiz, Russland, Türkei oder für Mazedonien und Georgien. Bei den Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof geht es in vielen Fällen um Folter und Misshandlungen, aber auch um die Meinungsfreiheit:

    In einem Leitartikel im Juni 1993 beschäftigte sich die auflagenstarke portugiesische Zeitung Público mit einem Kandidaten der Kommunalwahl in Lissabon. Der Kommentator warf dem Politiker "faschistische Tendenzen" und "vulgären Antisemitismus" vor. Die Zeitung veröffentlichte Auszüge aus Beiträgen des Kommunalpolitikers, in denen dieser die rechtsextreme französische Partei Front National lobt und den früheren französischen Regierungschef und jetzigen Wirtschafts- und Finanzminister Frankreichs, Laurent Fabius, als "kahlköpfigen Juden" bezeichnet. Der rechte Kommunalpolitiker klagte in Portugal gegen die Zeitung Público und hatte Erfolg. Der Herausgeber wurde wegen Beleidigung zu einer Geldbuße verurteilt.

    Dieses Jahr nun kam der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte zu dem Schluss, dass die Verurteilung des Herausgeber der Zeitung Público nicht rechtens war. Die Vorwürfe des Leitartikels gegen den Sympathisanten des rechten Lagers seien durch die Veröffentlichung seiner rechtsextremen und antisemitischen Äußerungen ausreichend belegt gewesen. Die Zeitung habe die Regeln des Journalismus eingehalten. Die in Portugal verhängte Geldbuße gegen den Verleger verstoße gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Grundrecht auf Meinungsfreiheit:

    Artikel 10: Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein.

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wies die portugiesische Regierung an, dem Herausgeber der Zeitung Público siebzehntausend Mark Schadenersatz zu zahlen.

    Großbritannien musste im vergangenen Juli eine Million Mark an vier britische Homosexuelle zahlen, weil sie wegen ihrer sexuellen Orientierung aus den Streitkräften ausgeschlossen worden waren. Die Entlassungen wurden von den Richtern als besonders schwerer Verstoß gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Recht auf Privatleben eingestuft. Großbritannien reagierte schnell. Schon vor Verkündung des Strafmaßes setzte das britische Verteidigungsministerium alle noch laufenden Armee-Ausschluss-Verfahren gegen Homosexuelle aus.

    Jetzt im November stehen zwei internationale Prominente auf der Anhörungsliste des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. PKK-Führer Öcalan und der frühere DDR-Staatschef Egon Krenz haben in Straßburg ihr letztes mögliches Rechtsmittel eingelegt. Öcalan droht in der Türkei die Todesstrafe, Krenz stehen in Deutschland sechseinhalb Jahre Haft wegen der Todesschüsse gegen DDR-Flüchtlinge bevor. Sowohl Bundesgerichtshof als auch Bundesverfassungsgericht hatten den Schuldspruch bestätigt. Seit Januar sitzt Krenz in Haft. In Straßburg will der frührer DDR-Staatschef das von der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Rückwirkungsverbot gelten machen:

    Artikel 7, Absatz 1: Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war.

    Dieser Absatz 1 könnte für Krenz sprechen. In Absatz 2 dieses Artikels der Menschenrechtskonvention heißt es aber auch:

    Durch diesen Artikel darf die Verurteilung oder Bestrafung einer Person nicht ausgeschlossen werden, die sich einer Handlung oder Unterlassung schuldig gemacht hat, welche im Zeitpunkt ihrer Begehung nach den von den zivilisierten Völkern allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen strafbar war.

    Egon Krenz darf im Rahmen eines Hafturlaubs nächste Woche sogar persönlich nach Straßburg kommen. In der großen Kammer, die seinen Fall behandeln wird, sitzt auch der deutsche Richter Georg Ress. Er lässt sich von den Namen der Kläger kaum beeindrucken:

    Georg Ress: Natürlich, der Fall Krenz, und überhaupt der Mauerschützen fordert von dem Gericht die Lösung einiger schwieriger Rechtsprobleme. Aber auch andere Fälle, die wir jetzt in der letzten Zeit entschieden haben, Fragen der elterlichen Sorge, Zugang des nicht-ehelichen Vaters zu seinem Kind... Auch das wirft grundlegende Fragen auf, Probleme, die eben die einzelnen Menschen, die sich hier hilfesuchend an uns wenden, oft vor existentielle Probleme stellen. Das hat man immer im Hinterkopf.

    Nicht nur jeder Einzelne, auch Staaten können eine Klage in Straßburg einreichen. So begann vor wenigen Wochen der Prozess um eine Klage der Regierung Zyperns gegen die Türkei. Insgesamt über zweihunderttausend meist griechische Zyprioten seien seit dem Einmarsch der türkischen Truppen 1974 aus dem Norden Zyperns vertrieben worden. Folter sei an der Tagesordnung, 1500 Menschen sollen verschwunden sein.

    Der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte hat schon in früheren Entscheidungen die Türkei für die Vorgänge in Nordzypern verantwortlich gemacht. Vor zwei Jahren verurteilten die Richter die türkische Regierung zu rund 1,3 Millionen Mark Schadenersatz zugunsten einer aus dem Norden Zyperns vertriebenen griechischen Zypriotin. Obwohl die Türkei die den Straßburger Entscheidungen zugrunde liegende Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet hat, zahlte Ankara bislang nicht.

    Christian Krüger ist der stellvertretende Generalsekretär des Europarates, an den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angelehnt ist.

    Christian Krüger: Die Türkei ist verpflichtet, diese Urteile zu vollstrecken. Sie kann etwas zögern damit, sie tut es, wie wir wissen, aber sie ist letztendlich vertraglich dazu verpflichtet, das zu tun. Jetzt werden Sie mich fragen: Wenn sie es aber doch nicht tut, was machen Sie dann, nicht wahr? Und die Antwort kann ich Ihnen heute nicht geben, was tun wir. Sanktionen zu ergreifen, kann man immer. Damit ist vielleicht einem nicht geholfen. Da muss man auf diplomatischem und politischem Wege weiterhin den Druck ausüben auf ein Land, was ja menschenrechtlich anerkannt werden möchte, was ja bekanntlich Kandidat zur Europäischen Union ist, und klar machen, ständig, in ständigem Tropfen auf den Stein der Türkei, sagen, Ihr habt diese Verpflichtung auf Euch und Ihr müsst sie auch jetzt vollstrecken.

    Die Türkei ist eines der Sorgenkinder des Europarates und besonders des ihm angeschlossenen Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Schon 1954 unterschrieb die Türkei die vier Jahre vorher in Rom feierlich unterzeichnete Europäische Menschenrechtskonvention. Doch bei den folgenden wichtigen Protokollen, den Aktualisierungen der Konvention, machte die Türkei nicht mehr so fleißig mit.

    Das gilt auch für das Protokoll Nummer 6 von 1983 über die Abschaffung der Todesstrafe, das die Türkei auch nach 17 Jahren noch nicht unterschrieben hat. Russland hat zwar unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert. In allen anderen 39 Europaratsstaaten ist die Todesstrafe inzwischen offiziell abgeschafft.

    Auch wenn sich manche Staaten behäbig zeigen, für Christian Krüger hat die Europäische Menschenrechtskonvention in den vergangenen 50 Jahren nichts an Wert verloren:

    Christian Krüger: Die Menschenrechtskonvention ist das Juwel in der Krone des Europarates. Es ist die erste Konvention, die der Europarat seinerzeit geschaffen hat, und zwar in der kurzen Frist von anderthalb Jahren. Das ist heute gar nicht mehr denkbar, dass man eine Konvention in so kurzer Frist erstellen konnte. Aber man hatte seinerzeit eben den Willen zu einem solchen Instrument. Es ist wie gesagt ein Instrument des Europarates, dem nachher andere gefolgt sind.

    Und das sind bis heute 174 Konventionen oder europäische Verträge mit Gesetzeskraft: Von der Europäischen Kulturkonvention über die Sozialcharta, die Rahmenkonvention für den Schutz nationaler Minderheiten bis zur Europäischen Sportcharta.

    Das Besondere an der Menschenrechtskonvention ist - im Unterschied zu den späteren Konventionen - die Durchsetzbarkeit über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Grundrechte der ersten 18 Artikel und der späteren Protokolle der Europäischen Menschenrechtskonvention können von jedem der rund 800 Millionen Bürger der Europaratsländer von Reykjavik bis Wladiwostok als letzte Rechtsinstanz in Menschenrechtsfragen in Anspruch genommen werden – eine historische Errungenschaft, die die Richter des Straßburger Gerichtshofs für Menschenrechte seit Einrichtung des ständigen Gerichtshofs in Straßburg Ende 1998 an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringt.

    Der Schweizer Luzius Wildhaber ist der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte:

    Luzius Wildhaber: Wir haben im ersten Jahr 308 Beschwerden pro Monat erledigen können. Und in diesem Jahr erledigen wir 545 pro Monat. Man sieht wie sehr wir uns bemüht haben. Wir bemühen uns weiterhin. Wir versuchen unsere Verfahren zu vereinfachen. Es ist absolut klar, dass wir ein Riesenproblem haben mit den hereinkommenden Beschwerden. Es kommen im Moment 850 Beschwerden pro Monat herein. Und es kommen mehr herein, als wir erledigen können.

    Dieses Jahr erwartet Wildhaber über zehntausend Eingaben- Tendenz steigend. Auf den Tischen der Richter und ihrer juristischen Helfer wachsen die Aktenberge. Und trotzdem gibt es nicht mehr Geld für den Gerichtshof. Die Existenz der seit 1998 neu-organisierten Menschenrechts-Institution in Straßburg wird mit warmen Worten gelobt, zuletzt von Bundeskanzler Schröder bei seinem Besuch im Europarat im vergangenen Monat. Doch spätestens beim Geld hört die Großzügigkeit auf:

    Luzius Wildhaber: So hat sich beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich für dieses neue System eingesetzt, ohne das deutsche Mittragen und die deutsche Mitverantwortung wäre das neue System nicht zustande gekommen. Es ist daher für uns enttäuschend und bis zu einem gewissen Grade nicht verständlich, dass die Bundesrepublik die Konsequenzen nicht ziehen will für ein System, das sie je selbst vorgeschlagen hat. Ich glaube, man muss es sehr deutlich sagen: Wenn dieses System weiterhin ein Erfolg bleiben soll, dann brauchen wir auch finanzielle Hilfe und mehr Mittel.

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bislang kein eigenes Budget. Er ist ein Posten im Haushalt des Europarates, der sich dieses Jahr auf gut 300 Millionen Mark beläuft. Deutschland steuert als eines der 41 Mitgliedsländer mit knapp 40 Millionen Mark rund ein Achtel dazu bei.

    Doch in manchen Mitgliedsstaaten des Europarates steht das Problem der mangelnden Finanzierung noch nicht einmal auf der Tagesordnung. So forciert beispielsweise Außenminster Joschka Fischer (Bündnis90/Die Grünen) im Moment eher die geplante europäische Grundrechte-Charta der Europäischen Union, Diese Charta soll ein erster Baustein einer künftigen europäischen Verfassung werden.

    Die Arbeiten an der EU-Grundrechte-Charta werden beim Europarat mit wachsamen Augen verfolgt. Europäisches Parlament, Kommission und auch der deutsche Außenminister wollen die Charta in die EU-Verträge aufnehmen, sie also beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg einklagbar machen. Damit entstünde neben Straßburg ein zweiter Ort in Europa, an den sich die EU-Bürger in Menschenrechtsfragen wenden könnten. Experten befürchten, dass dies ein Konkurrenzverhältnis zwischen Luxemburg und Straßburg zur Folge hat. Der Generalsekretär des Europarates, der Österreicher Walter Schwimmer:

    Walter Schwimmer: Dieses Konkurrenzverhältnis ist unbedingt zu vermeiden. Und mein Vorschlag ist, dass in Menschenrechtsfragen der Luxemburger Gerichtshof den Straßburger Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht und dann die Entscheidung des Straßburger Gerichtshofs in der Menschenrechtsfrage in seine Entscheidung zum EU-Recht mit einfließen lässt.

    Was im Rahmen der Europäischen Union im Moment möglich scheint, ist in der Runde der 41 Europaratsstaaten mit Russland, Albanien oder Georgien wesentlich schwieriger zu verwirklichen. Die Europäische Menschenrechtskonvention wird der EU-Grundrechte-Charta auch in Zukunft hinterherhinken. Ihre Aufgabe ist es nicht, möglichst aktuell zu sein, sondern möglichst viele Staaten des geographischen Europas auf ein gemeinsames Rechtsverständnis in Menschenrechtsfragen zu verpflichten und sie damit auch an die Europäische Union heranzuführen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bauten die jungen Demokratien Osteuropas ihre neuen Verfassungen auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention auf.

    Die Konvention hat damit einen nicht zu unterschätzenden Vorbildcharakter auch außerhalb Europas. Der deutsche Richter am Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte

    Georg Ress: Es ist durchaus ein Trend vorhanden, der parallel zu der europäischen Entwicklung hier gleichartige Entwicklungen in anderen Regionen der Welt fördert und unterstützt. Die Staaten beginnen selbst in Regionen, in denen es noch kein internationales Schutzsystem gibt wie zum Beispiel in Asien, die Europäische Menschenrechtskonvention zum Teil, unsere europäische, innerstaatlich als Gesetz einzuführen. Das ist auch ein sinnvoller Schritt.

    Gemessen an den Erwartungen der Politiker, die 1950 die Europäische Menschenrechtskonvention in Rom unterzeichneten hat die Konvention – das ist heute unbestritten – die in sie gesetzten Hoffnungen mehr als erfüllt. Sie war und bleibt die moralische Grundlage der europäischen Integration, die in der jetzigen Europäischen Union ihre bislang stärkste Ausprägung gefunden hat. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist zusammen mit dem ein Jahr älteren Europarat so etwas wie das Gewissen Europas, oder, um mit den Worten von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zu sprechen: das geistige Rückrat, das angestrebte Ideal Europas. Sie ist ein Rechtekatalog der mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einklagbar geworden ist.

    Trotz der manchmal schwierigen und langwierigen Durchsetzung der Gerichtsbeschlüsse, trotz der vielen unbefriedigenden Auseinandersetzungen mit den Problemstaaten, trotz der finanziellen Engpässe des Straßburger Gerichtshofs ist die Beachtung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte auch nach einem halben Jahrhundert immer noch ein wichtiges demokratisches Gütesiegel.