Dämme wollte er bauen gegen die "moralische Zerstörung der Jugend”, so wörtlich der damalige Bundesinnenminister Robert Lehr. Und deshalb verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, das am 9. Juni 1953 in Kraft trat:
Es ist nicht übertrieben, wenn ich auf Grund der amtlichen Vorstellungen und Unterlagen, die ich in meinem Hause habe prüfen lassen, sage, dass zur Zeit in unserer Jugend eine wirkliche Seuche grassiert. Wer hier die Augen verschließt, sieht nicht die ganze furchtbare Wirklichkeit.
Und die sah in den Augen der CDU-Abgeordneten Heiler so gefährlich aus, dass es galt.....
....der Überhitzung der Phantasie und der Überreizung der Sinne entgegen zu treten, darum wollen wir auch die Zeitschriften der Freikörperkultur in die Liste aufgenommen haben. Die Schamhaftigkeit wie auch die sexuelle Spannung zwischen den Geschlechtern gehören zu den gottgewollten Geheimnissen der Schöpfung und ihre künstliche Verminderung ist unnatürlich.
Unnatürlich waren für den Stuttgarter SPD-Abgeordneten Erwin Schoettle allerdings weniger die FKK- Broschüren als die Verhältnisse, unter denen junge Menschen damals nach dem Krieg aufwachsen mußten:
Dann werden wir Sie einmal nachdrücklich darauf hinweisen, dass nicht die Kioske und die Winkelverleger allein, sondern die Tatsache zur sittlichen Verwahrlosung weiter Kreise der Jugend beigetragen hat, dass heute in Deutschland Dutzende und aber Dutzende von Menschen in schlechten Wohnungen zusammengepfercht sind, in denen sich vor den Augen der Kinder all das abspielt, was man ihnen eigentlich vorenthalten sollte.
"Schmutz- und Schund-Gesetz” spottete der Volksmund. Und so mancher Bürger teilte wohl die Sorgen des FDP-Abgeordneten Hammer, der im Bundestag warnte:
Sie werden die Ilias auf ihren militaristischen Inhalt hin zu überprüfen haben und sie werden zu überprüfen haben, ob die Heilige Hochzeit des Zeus auf dem Berge Ida unsittlich wirkt. Unsere Sorgen um die deutsche Jugend nach dieser entsetzlichen Katastrophe des Krieges in Zeiten des schweren Verfalls sind außerordentlich groß. Trotzdem möchten wir nicht, dass durch dieses Gesetz irgend einem Gremium in Deutschland die Möglichkeit gegeben wird , Geschmuddel mit der klassischen Literatur zu betreiben und der Welt Anlaß zum Gelächter über uns zu geben.
Dafür sorgte prompt schon die erste Indizierung: ein Tarzan-Comic wurde für Jugendliche verboten. Auf dem Index der damals eingerichteten Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften landeten Romane des amerikanischen Schriftstellers Henry Miller, manche Ausgaben der Märchen aus 1001 Nacht, Romänchen wie Fanny Hill und natürlich jedes Heftchen, das einen nackten Busen zeigte. Die heutige Chefin der Behörde, die Juristin Elke Monnsen-Engberding, seit 1979 bei der Bundesprüfstelle, kann darüber lachen – und wünscht sich vermutlich, sie hätte keine größeren Probleme als ihre Vorgänger von damals:
Was seinerzeit im sexuell-erotischen Bereich indiziert wurde, das ist heute natürlich, wenn man das so salopp sagen darf, eine Lachnummer. Was jedoch im Bereich Kriegsverharmlosung und –verherrlichung indiziert wurde, das würde man heute noch genauso indizieren wie seinerzeit.
Die in den fünfziger und frühen sechziger Jahren prüde sexualfeindliche Gesellschaft veränderte sich und mit ihr auch die Spruchpraxis der Bundesprüfstelle.
Der nackte Mensch ist natürlich kein bisschen jugendgefährdend. Da müssen andere Merkmale dazukommen, so zum Beispiel sexuelle Handlungen, die in Verbindung mit Gewalttätigkeiten gezeigt werden, Frauendiskriminierung, das Befürworten von inzestiösen Beziehungen und ähnliche Dinge.
Indizierungen sind schmerzhaft für alle, die mit Anrüchigem ihr Geld verdienen, denn wenn ein Video-Film, ein Buch , ein Magazin oder ein Computerspiel auf dem Index landet, dann ist das Werk fast unverkäuflich, denn:
Also, die Vertreiber dürfen diese Medien nur noch an Erwachsene abgeben und nicht mehr an Kinder oder Jugendliche. Das heißt also, sie dürfen nur in solchen Läden ausgestellt werden, zu denen nur Erwachsene Zutritt haben, ansonsten müssen sie unter der Ladentheke an Erwachsene abgegeben werden. Sie dürfen nicht mehr in der Öffentlichkeit beworben werden und sie dürfen nicht mehr im Wege des Versandhandels vertrieben werden, wobei der elektronische Versandhandel, der entsprechende Alterssicherungen anerkennt, nicht unter den Begriff des Versandhandels fällt.
Bis etwa Mitte der 80er Jahre galt es unter liberal denkenden Menschen als chic, sich über die Arbeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, wie sie heute heißt, lustig zu machen. Doch diejenigen, die meinten, ein bisschen Pornographie habe noch keinem Jugendlichen geschadet, wußten in der Regel nicht, wovon sie redeten. Das änderte sich schlagartig, als der damalige Amtschef, Rudolf Stefen, während einer öffentlichen Anhörung der SPD-Bundestagsfraktion eine Demo-Cassette vorführte mit Ausschnitten aus Zombie- und Kannibalismusfilmen. Da wird vergewaltigt und gefoltert und getötet. Es werden schreiende Menschen in Großaufnahme ausgeweidet und von Monstern aufgefressen. Auch abgebrühte Zyniker verließen damals grün im Gesicht den Saal und plädierten von Stund´an dafür, die Jugendschutzgesetze zu verschärfen :
Die Hauptfigur des Films ist eine Mutter, die mit ihren zwei 18jährigen Söhnen im Wald lebt. Und die Aufgabe dieser Söhne ist es immer, der Mutter frische Mädchen heran zu bringen, die Mutter dann umbringen kann auf ganz bestialische Art und Weise. Und damit machen sie ihre Mutter glücklich. Und deswegen heißt der Film auch "Muttertag”. Es passiert dort gar nichts außer Brutalität wird an Brutalität gereiht. Das ist der Inhalt dieser Filme. Es gibt eine ganze Reihe von Filmen, die auch so heißen: Beispielsweise "Der Bohrmaschinenkiller”, "Der Rasiemesserkiller” und da ist der Inhalt der Filme immer der selbe , und zwar ist ein bestimmtes technisches Instrument die Hauptfigur und wird zum Töten von Menschen vorgeführt.
Seit 1985 dürfen unter 18jährige Videotheken, die solche Filme verleihen oder verkaufen, nicht mehr betreten, wenn nicht ein besonderer für Jugendliche und Kinder nicht zugänglicher Raum nachgewiesen werden kann. Doch das beste Gesetz nutzt nichts, wenn Erwachsene es umgehen nach dem Motto: Für den Papa den Porno , für die Kleinen den Zombie als Wochenendvergnügen. Rudolf Stefen, der damals landauf, landab in Vorträgen und Diskussionsrunden versuchte, Eltern aufzurütteln, musste die Erfahrung machen:
Ein Großteil will es gar nicht wissen, nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, da habe ich keine Verantwortung. Einem anderen Teil ist es schnurzpiepegal, was die sich angucken, Hauptsache, sie sind ruhig und stören die eigenen Kreise nicht. Und ein anderer Teil, die gucken sich das sogar zusammen mit den Kleinen an nach dem Motto: So können wir sie am besten abhärten.
Warum, so fragten damals viele Bürger, wird dieser Dreck , in dem beispielsweise Frauen erst zerstückelt und dann vergewaltigt werden, nicht grundsätzlich verboten, auch für Erwachsene? Rudolf Stefen:
Das hat vor allem den rechtlichen Grund, dass wir in der Bundesrepublik das Verbot der Vorzensur haben. Es muss also keiner, der etwas produziert auf dem Mediensektor das, bevor er es auf den Markt bingt, einer staatlichen Stelle zur Kontrolle vorlegen. Das gab es bei den Massenmördern Hitler und Stalin und anderen, aber bei uns Gott sei Dank nicht. Ergo kann er alles auf den Markt bringen, womit er Geld zu verdienen hofft. Nur zwei wichtige Einschränkungen auf diesem Sektor. Nämlich eine Bestimmung, die 1973 erstmals und soweit ich sehe einmalig in der Welt ins deutsche Strafrecht hineingekommen ist, nämlich dass bestimmte Gewaltdarstellungen nicht hergestellt, nicht verbreitet, nicht eingeführt und nicht beworben werden sollen. Die zweite Bestimmung ist die, die es verbietet, pornographische Medien mit Kindern, mit Tieren oder mit Gewalt herzustellen, einzuführen, zu verbreiten oder zu bewerben.
Und doch finden sich auf den regelmäßig erscheinenden Index-Listen der Bundesprüfstelle Videofilme mit Titeln wie "Alice- ein verdorbenes kleines Biest”, "Panik im Analbreich”, "Alte Ficker und Pisser”, bis zu "Zombies – geschändete Frauen” oder "Zombies unter Kannibalen”. Wohlgemerkt, Filme, die Erwachsenen zugänglich sind und deshalb auf Umwegen auch bei Kindern landen. Dazu kommt jede Menge Dreck aus dem rechtsextremistischen Bereich, Broschüren mit Titeln wie "Ist Rassebewußtsein verwerflich?”, "Adolf Hitler – ein Leben für Deutschland und Europa” und natürlich Publikationen mit Titeln wie "Auschwitz-Betrug”, Auschwitz-Lüge” und ähnliches. Unübersichtlich ist der Markt der Computer-Spiele und was verboten ist, kursiert als Raubkopie unter Heranwachsenden, kein Gesetz kann das verhindern.
Je grausamer und gemeiner dieser Markt wurde, desto hitziger verliefen auch die Diskussionen darüber, wie schädlich dieser Schmutz und Schund für Kinder und Jugendliche sein mag. Heerscharen von Psychologen, Pädagogen, Soziologen und Juristen beschäftigen sich mit Fragen wie: Besteht ein Zusammenhang zwischen Reizüberflutung durch brutale Videos und brutalem Verhalten? Sinken durch die ständige Beschäftigung mit Gewalt Tabuschwellen? Wächst die Mitleidslosigkeit, wenn in einem Computerspiel Minuspunkte erhält, wer die Katze erschießt und Pluspunkte, wer den Menschen tödlich trifft? Entstehen schwer behandelbare Ängste, wenn Kinder solche Erfahrungen alleine verarbeiten müssen? Und wie ist das wirklich mit den Nachahmungstaten? Seit inzwischen Jahrzehnten streitet sich die Wissenschaft über die Folgen. Die Professorin Caja Thimm vom Bonner Institut für Medienwissenschaften formuliert vorsichtig:
Es gibt eine Vielzahl von Theorien, die versuchen, so etwas zu erklären. Man sprach früher vom Katharsiseffekt, also sozusagen das erleichternde. Man hat überlegt, ob Videos stimulieren könnten zur Nachahmung. Man geht heute sehr stark von einer Nachahmungsthese aus und es gibt einige Dinge, die ich für bedenklich halte. Unter anderem die Tatsache, dass etwas entsteht wie ein ganz eigener innerer Raum . Es gibt auch dazu eine These der Medienwissenschaft: die Kultivierungshypothese. Also, wenn sie so etwas wie eine konstante Beschäftigung mit bestimmten Computerspielen haben, entsteht so etwas wie eine eigene Realität. Und das ist manchmal fraglich, ob ich noch erkennen kann, was real ist und was sozusagen meine eigene fiktive Welt ist.
Verbote, seien es gesetzliche, seien es die von Eltern laufen heute oft ins Leere. Denn immer mehr Kinder haben Zugang zum Internet und damit auch zu Gewalt und hartem Sex jeder Spielart. Sie können konsumieren, was von rechtsextremistischen Gruppen verbreitet wird und Bilder von realen Leichen und Unfallopfern betrachten. Wer sich auskennt mit dem weltweiten Netz - und da sind die Kinder in der Regel besser als ihre Erzeuger – kann sich von Mord und Folter bis zum Kinderporno auf den Schirm holen, was kranke menschliche Phantasie sich auszudenken vermag. Man kann auf den Computern in den Kinderzimmern zwar Schutzprogramme installieren, doch die Wirksamkeit ist bisher umstritten. Die Professorin Caja Thimm:
Sie können nicht kontrollieren, was Ihre Kinder machen. Es gibt websites, also ich muss sagen, da wird auch der Wissenschaftlerin schlecht. Das können Sie versuchen, zu unterdrücken. Aber kluge Kinder, und das sind die heute, können sich jederzeit von einem anderen Server die Sachen holen. Sie haben kein Mittel dagegen, anders als beim Fernsehen. Sie können den Rechner verbieten, dem Kind damit aber auch die Möglichkeit nehmen, ganz normale Textverarbeitung zu lernen. Rechner ist ja nicht nur Internet. Sie können ihm den Internet-Anschluß sperren. Sie können gucken, wie viele Stunden Ihr Kind surft und können mit ihm reden. Wirklich kontrollieren können Sie es nicht und deswegen sage ich aus der Sicht der Medienpädagogik, letztendlich ist es wichtig, dass das Kind selbst lernt, zu sagen, nein das ist nichts für mich und darauf habe ich auch gar keine Lust.
Nach dem am 1. April diesen Jahres in Kraft getretenen neuen Jugendschutzgesetz gelten auch für Computerspiele verbindliche Altersfreigaben und sie können genauso indiziert werden wie Bücher, Videofilme oder Musik. Dass sich das so genannte 12er-Gremium der Bundesprüfstelle, also die ehrenamtlichen Beisitzer aus den Bereichen Kunst, Literatur, Pädagogik, Kirchen, Jugendhilfe die Arbeit nicht leicht macht, zeigen die Diskussionen um das Spiel "Counter-Strike”, in dem GSG-9-Leute auf Terroristenjagd gehen. . Es gab Anträge, dieses Spiel zu verbieten, weil der Erfurter Täter Robert Steinhäuser mit ihm das Zielen trainiert haben soll. Nach mehrstündigen Diskussionen mit jungen Leuten aus der Fan-Gemeinde wurde von der Indizierung abgesehen, denn, so die oberste Jugend-Schützerin der Republik, Elke Monnsen-Engberding:
Sie müssen mit anderen Mitspielern kommunizieren. Sie müssen sich verabreden und sie haben ja auch die Aufgabe, gute Taten zu bewirken. Alleine durch dieses Verabreden mit Menschen steht es nicht mehr im Vordergund, Menschen zu töten, sondern es steht im Vordergrund Geschicklichkeit.
Sorgen macht den Jugendschützern eher rassistischer, rechtsextremistischer, kriegsverherrlichender Schmutz aus dem Internet. Etwa 90 Prozent der deutschsprachigen Naziseiten kommen aus dem Ausland, vor allem aus den USA, aber auch aus Kanada und von Servern aus Rußland. Einschlägige Spiele werden heruntergeladen und über Kopien verbreitet. Seitenweise finden sich auf der Indexliste Titel, die für sich sprechen:
Anti-Neger-Test” - "Anti-Türken-Test” - "Nazi-Demo” - "Hitler-Show” - "Clean Germany” - "Türken-Hass” - "Hitler-Diktator
Fast immer sind die Hersteller solcher Spiele unbekannt. Es gibt keine Copyrights oder als Urheber firmieren "Hitler und Hess”. Wie Jugendschützer, Polizei und Staatsanwälte angesichts von geschätzten 300 Millionen Seiten im World Wide Web ihre Aufgabe noch erfüllen sollen, kann in Wahrheit niemand beantworten. Doch kapitulieren vor der Flut mag niemand, der täglich mit diesen finsteren Seiten des globalen Netzes zu tun hat.
Vor fünfzig Jahren , als das Gesetz zum Schutz der Jugend vor jugendgefährdenden Schriften in Kraft trat, ging es ausschließlich um Printmedien. Das ist heute kaum noch ein Thema für die kleine Behörde mit ihren zehn Mitarbeitern. Die Chefin:
Wir schauen in der Tat nicht mehr auf Bücher. Das liegt zum einen daran, dass wir entsprechende Anträge nicht mehr bekommen außer im rechtsextremistischen Bereich, da gibt es nach wie vor Bücher, die wir indizieren. Aber ich denke mal, es liegt auch viel daran, dass die Jugendämter und die anderen zuständigen Stellen ihre Antragspraxis der Jugendkultur angepaßt haben. Bücher spielen, so bedauerlich das auch sein mag, in der Jugendkultur eine untergeordnete Rolle, andere Medien spielen eine viel größere Rolle.
Die Medienwissenschaftlerin Caja Thimm bestätigt das :
Nachahmung aus einem Buch gilt als extrem unwahrscheinlich. Weil die bildhafte Darstellung wie im Film nicht gegeben ist. Und ich glaube, das ist richtig. Alle Formen von Nachahmungstätern, die wir hatten, sind alles Darstellungen aus dem filmischen , aus dem visuellen Bereich.
Das Fernsehen hat im öffentlichen Bewußtsein bisher eine Randrolle gespielt. Seit 1. April hat die Bundesprüfstelle auch hier eine Wächterfunktion. Elke Monnsen-Engberding nennt die unsäglichen "Schulmädchen-Reports”, die derzeit zur Begutachtung vorliegen und wohl ohne massive Schnitte wegen der Vergewaltigungsszenen nicht in die Wohnzimmer kommen:
Wobei immer latent und zum Teil expressis verbis zum Ausdruck kommt, naja, die mit ihrem kurzen Rock ist ja selber schuld, dass sie vergewaltigt wurde. Es kommt hinzu, dass einige dieser Schulmädchenreports deutlich inzestuöse Beziehungen befürworten. Es gibt zum Beispiel einen, in dem ein Mädchen sagt: Meine sexuellen Erfahrungen mit meinem Großvater begannen, da war ich neun Jahre alt und das war alles hervorragend. Und ich denke mal, da ist man heute sensibilisierter als in den achtziger Jahren, denn wir sind ja seit Jahren dabei, gerade Kinder in ihrem sexuellen Selbstbestimmungsrecht zu stärken und es ihnen zu ermöglichen, Übergriffe von Erwachsenen in jedem Fall abzuwehren.
Manchmal sehnt man sich angesichts der abstoßenden Gewaltflut zurück nach den guten alten spießigen Fernsehzeiten. Vor 26 Jahren landete ein WDR-Tatort mit dem beliebten Kommissar Haferkampf wegen unnötiger Brutalität im Giftschrank, weil eine Minute lang eine erhängte Leiche zu sehen ist. Heute ist dieser Film kein Problem mehr für den Jugendschutz, er wurde im Mai anstandslos zur Ausstrahlung freigegeben.
Was im Fernsehen läuft, ist kontrollierbar. Ratlos aber fragen sich Eltern und Fachleute, wie in den Zeiten von Internet und technologischer Hochrüstung in den Kinderzimmern Jugendschutz noch funktionieren soll? Kommt nicht Resignation auf, wenn man zwar einen "Schulmädchenreport” entschärfen kann, aber im Chat sich Pädophile an arglose Kinder heranmachen können? Die Leiterin der Bundesprüfstelle macht sich wohl selbst Mut, wenn sie tapfer sagt:
Also flächendeckend werden wir es nie schaffen. Es ist auch verboten zu stehlen, dennoch finden jeden Tag Diebstähle statt. Also, man kann es nicht daran aufhängen, dass Jugendschutzgesetze unter Umständen nicht wirksam werden. Sie sind sogar sehr wirksam. Viele Betreiber beschweren sich ja, dass die deutschen Jugendschutzgesetze viel zu streng seien.
Es ist nicht übertrieben, wenn ich auf Grund der amtlichen Vorstellungen und Unterlagen, die ich in meinem Hause habe prüfen lassen, sage, dass zur Zeit in unserer Jugend eine wirkliche Seuche grassiert. Wer hier die Augen verschließt, sieht nicht die ganze furchtbare Wirklichkeit.
Und die sah in den Augen der CDU-Abgeordneten Heiler so gefährlich aus, dass es galt.....
....der Überhitzung der Phantasie und der Überreizung der Sinne entgegen zu treten, darum wollen wir auch die Zeitschriften der Freikörperkultur in die Liste aufgenommen haben. Die Schamhaftigkeit wie auch die sexuelle Spannung zwischen den Geschlechtern gehören zu den gottgewollten Geheimnissen der Schöpfung und ihre künstliche Verminderung ist unnatürlich.
Unnatürlich waren für den Stuttgarter SPD-Abgeordneten Erwin Schoettle allerdings weniger die FKK- Broschüren als die Verhältnisse, unter denen junge Menschen damals nach dem Krieg aufwachsen mußten:
Dann werden wir Sie einmal nachdrücklich darauf hinweisen, dass nicht die Kioske und die Winkelverleger allein, sondern die Tatsache zur sittlichen Verwahrlosung weiter Kreise der Jugend beigetragen hat, dass heute in Deutschland Dutzende und aber Dutzende von Menschen in schlechten Wohnungen zusammengepfercht sind, in denen sich vor den Augen der Kinder all das abspielt, was man ihnen eigentlich vorenthalten sollte.
"Schmutz- und Schund-Gesetz” spottete der Volksmund. Und so mancher Bürger teilte wohl die Sorgen des FDP-Abgeordneten Hammer, der im Bundestag warnte:
Sie werden die Ilias auf ihren militaristischen Inhalt hin zu überprüfen haben und sie werden zu überprüfen haben, ob die Heilige Hochzeit des Zeus auf dem Berge Ida unsittlich wirkt. Unsere Sorgen um die deutsche Jugend nach dieser entsetzlichen Katastrophe des Krieges in Zeiten des schweren Verfalls sind außerordentlich groß. Trotzdem möchten wir nicht, dass durch dieses Gesetz irgend einem Gremium in Deutschland die Möglichkeit gegeben wird , Geschmuddel mit der klassischen Literatur zu betreiben und der Welt Anlaß zum Gelächter über uns zu geben.
Dafür sorgte prompt schon die erste Indizierung: ein Tarzan-Comic wurde für Jugendliche verboten. Auf dem Index der damals eingerichteten Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften landeten Romane des amerikanischen Schriftstellers Henry Miller, manche Ausgaben der Märchen aus 1001 Nacht, Romänchen wie Fanny Hill und natürlich jedes Heftchen, das einen nackten Busen zeigte. Die heutige Chefin der Behörde, die Juristin Elke Monnsen-Engberding, seit 1979 bei der Bundesprüfstelle, kann darüber lachen – und wünscht sich vermutlich, sie hätte keine größeren Probleme als ihre Vorgänger von damals:
Was seinerzeit im sexuell-erotischen Bereich indiziert wurde, das ist heute natürlich, wenn man das so salopp sagen darf, eine Lachnummer. Was jedoch im Bereich Kriegsverharmlosung und –verherrlichung indiziert wurde, das würde man heute noch genauso indizieren wie seinerzeit.
Die in den fünfziger und frühen sechziger Jahren prüde sexualfeindliche Gesellschaft veränderte sich und mit ihr auch die Spruchpraxis der Bundesprüfstelle.
Der nackte Mensch ist natürlich kein bisschen jugendgefährdend. Da müssen andere Merkmale dazukommen, so zum Beispiel sexuelle Handlungen, die in Verbindung mit Gewalttätigkeiten gezeigt werden, Frauendiskriminierung, das Befürworten von inzestiösen Beziehungen und ähnliche Dinge.
Indizierungen sind schmerzhaft für alle, die mit Anrüchigem ihr Geld verdienen, denn wenn ein Video-Film, ein Buch , ein Magazin oder ein Computerspiel auf dem Index landet, dann ist das Werk fast unverkäuflich, denn:
Also, die Vertreiber dürfen diese Medien nur noch an Erwachsene abgeben und nicht mehr an Kinder oder Jugendliche. Das heißt also, sie dürfen nur in solchen Läden ausgestellt werden, zu denen nur Erwachsene Zutritt haben, ansonsten müssen sie unter der Ladentheke an Erwachsene abgegeben werden. Sie dürfen nicht mehr in der Öffentlichkeit beworben werden und sie dürfen nicht mehr im Wege des Versandhandels vertrieben werden, wobei der elektronische Versandhandel, der entsprechende Alterssicherungen anerkennt, nicht unter den Begriff des Versandhandels fällt.
Bis etwa Mitte der 80er Jahre galt es unter liberal denkenden Menschen als chic, sich über die Arbeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, wie sie heute heißt, lustig zu machen. Doch diejenigen, die meinten, ein bisschen Pornographie habe noch keinem Jugendlichen geschadet, wußten in der Regel nicht, wovon sie redeten. Das änderte sich schlagartig, als der damalige Amtschef, Rudolf Stefen, während einer öffentlichen Anhörung der SPD-Bundestagsfraktion eine Demo-Cassette vorführte mit Ausschnitten aus Zombie- und Kannibalismusfilmen. Da wird vergewaltigt und gefoltert und getötet. Es werden schreiende Menschen in Großaufnahme ausgeweidet und von Monstern aufgefressen. Auch abgebrühte Zyniker verließen damals grün im Gesicht den Saal und plädierten von Stund´an dafür, die Jugendschutzgesetze zu verschärfen :
Die Hauptfigur des Films ist eine Mutter, die mit ihren zwei 18jährigen Söhnen im Wald lebt. Und die Aufgabe dieser Söhne ist es immer, der Mutter frische Mädchen heran zu bringen, die Mutter dann umbringen kann auf ganz bestialische Art und Weise. Und damit machen sie ihre Mutter glücklich. Und deswegen heißt der Film auch "Muttertag”. Es passiert dort gar nichts außer Brutalität wird an Brutalität gereiht. Das ist der Inhalt dieser Filme. Es gibt eine ganze Reihe von Filmen, die auch so heißen: Beispielsweise "Der Bohrmaschinenkiller”, "Der Rasiemesserkiller” und da ist der Inhalt der Filme immer der selbe , und zwar ist ein bestimmtes technisches Instrument die Hauptfigur und wird zum Töten von Menschen vorgeführt.
Seit 1985 dürfen unter 18jährige Videotheken, die solche Filme verleihen oder verkaufen, nicht mehr betreten, wenn nicht ein besonderer für Jugendliche und Kinder nicht zugänglicher Raum nachgewiesen werden kann. Doch das beste Gesetz nutzt nichts, wenn Erwachsene es umgehen nach dem Motto: Für den Papa den Porno , für die Kleinen den Zombie als Wochenendvergnügen. Rudolf Stefen, der damals landauf, landab in Vorträgen und Diskussionsrunden versuchte, Eltern aufzurütteln, musste die Erfahrung machen:
Ein Großteil will es gar nicht wissen, nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, da habe ich keine Verantwortung. Einem anderen Teil ist es schnurzpiepegal, was die sich angucken, Hauptsache, sie sind ruhig und stören die eigenen Kreise nicht. Und ein anderer Teil, die gucken sich das sogar zusammen mit den Kleinen an nach dem Motto: So können wir sie am besten abhärten.
Warum, so fragten damals viele Bürger, wird dieser Dreck , in dem beispielsweise Frauen erst zerstückelt und dann vergewaltigt werden, nicht grundsätzlich verboten, auch für Erwachsene? Rudolf Stefen:
Das hat vor allem den rechtlichen Grund, dass wir in der Bundesrepublik das Verbot der Vorzensur haben. Es muss also keiner, der etwas produziert auf dem Mediensektor das, bevor er es auf den Markt bingt, einer staatlichen Stelle zur Kontrolle vorlegen. Das gab es bei den Massenmördern Hitler und Stalin und anderen, aber bei uns Gott sei Dank nicht. Ergo kann er alles auf den Markt bringen, womit er Geld zu verdienen hofft. Nur zwei wichtige Einschränkungen auf diesem Sektor. Nämlich eine Bestimmung, die 1973 erstmals und soweit ich sehe einmalig in der Welt ins deutsche Strafrecht hineingekommen ist, nämlich dass bestimmte Gewaltdarstellungen nicht hergestellt, nicht verbreitet, nicht eingeführt und nicht beworben werden sollen. Die zweite Bestimmung ist die, die es verbietet, pornographische Medien mit Kindern, mit Tieren oder mit Gewalt herzustellen, einzuführen, zu verbreiten oder zu bewerben.
Und doch finden sich auf den regelmäßig erscheinenden Index-Listen der Bundesprüfstelle Videofilme mit Titeln wie "Alice- ein verdorbenes kleines Biest”, "Panik im Analbreich”, "Alte Ficker und Pisser”, bis zu "Zombies – geschändete Frauen” oder "Zombies unter Kannibalen”. Wohlgemerkt, Filme, die Erwachsenen zugänglich sind und deshalb auf Umwegen auch bei Kindern landen. Dazu kommt jede Menge Dreck aus dem rechtsextremistischen Bereich, Broschüren mit Titeln wie "Ist Rassebewußtsein verwerflich?”, "Adolf Hitler – ein Leben für Deutschland und Europa” und natürlich Publikationen mit Titeln wie "Auschwitz-Betrug”, Auschwitz-Lüge” und ähnliches. Unübersichtlich ist der Markt der Computer-Spiele und was verboten ist, kursiert als Raubkopie unter Heranwachsenden, kein Gesetz kann das verhindern.
Je grausamer und gemeiner dieser Markt wurde, desto hitziger verliefen auch die Diskussionen darüber, wie schädlich dieser Schmutz und Schund für Kinder und Jugendliche sein mag. Heerscharen von Psychologen, Pädagogen, Soziologen und Juristen beschäftigen sich mit Fragen wie: Besteht ein Zusammenhang zwischen Reizüberflutung durch brutale Videos und brutalem Verhalten? Sinken durch die ständige Beschäftigung mit Gewalt Tabuschwellen? Wächst die Mitleidslosigkeit, wenn in einem Computerspiel Minuspunkte erhält, wer die Katze erschießt und Pluspunkte, wer den Menschen tödlich trifft? Entstehen schwer behandelbare Ängste, wenn Kinder solche Erfahrungen alleine verarbeiten müssen? Und wie ist das wirklich mit den Nachahmungstaten? Seit inzwischen Jahrzehnten streitet sich die Wissenschaft über die Folgen. Die Professorin Caja Thimm vom Bonner Institut für Medienwissenschaften formuliert vorsichtig:
Es gibt eine Vielzahl von Theorien, die versuchen, so etwas zu erklären. Man sprach früher vom Katharsiseffekt, also sozusagen das erleichternde. Man hat überlegt, ob Videos stimulieren könnten zur Nachahmung. Man geht heute sehr stark von einer Nachahmungsthese aus und es gibt einige Dinge, die ich für bedenklich halte. Unter anderem die Tatsache, dass etwas entsteht wie ein ganz eigener innerer Raum . Es gibt auch dazu eine These der Medienwissenschaft: die Kultivierungshypothese. Also, wenn sie so etwas wie eine konstante Beschäftigung mit bestimmten Computerspielen haben, entsteht so etwas wie eine eigene Realität. Und das ist manchmal fraglich, ob ich noch erkennen kann, was real ist und was sozusagen meine eigene fiktive Welt ist.
Verbote, seien es gesetzliche, seien es die von Eltern laufen heute oft ins Leere. Denn immer mehr Kinder haben Zugang zum Internet und damit auch zu Gewalt und hartem Sex jeder Spielart. Sie können konsumieren, was von rechtsextremistischen Gruppen verbreitet wird und Bilder von realen Leichen und Unfallopfern betrachten. Wer sich auskennt mit dem weltweiten Netz - und da sind die Kinder in der Regel besser als ihre Erzeuger – kann sich von Mord und Folter bis zum Kinderporno auf den Schirm holen, was kranke menschliche Phantasie sich auszudenken vermag. Man kann auf den Computern in den Kinderzimmern zwar Schutzprogramme installieren, doch die Wirksamkeit ist bisher umstritten. Die Professorin Caja Thimm:
Sie können nicht kontrollieren, was Ihre Kinder machen. Es gibt websites, also ich muss sagen, da wird auch der Wissenschaftlerin schlecht. Das können Sie versuchen, zu unterdrücken. Aber kluge Kinder, und das sind die heute, können sich jederzeit von einem anderen Server die Sachen holen. Sie haben kein Mittel dagegen, anders als beim Fernsehen. Sie können den Rechner verbieten, dem Kind damit aber auch die Möglichkeit nehmen, ganz normale Textverarbeitung zu lernen. Rechner ist ja nicht nur Internet. Sie können ihm den Internet-Anschluß sperren. Sie können gucken, wie viele Stunden Ihr Kind surft und können mit ihm reden. Wirklich kontrollieren können Sie es nicht und deswegen sage ich aus der Sicht der Medienpädagogik, letztendlich ist es wichtig, dass das Kind selbst lernt, zu sagen, nein das ist nichts für mich und darauf habe ich auch gar keine Lust.
Nach dem am 1. April diesen Jahres in Kraft getretenen neuen Jugendschutzgesetz gelten auch für Computerspiele verbindliche Altersfreigaben und sie können genauso indiziert werden wie Bücher, Videofilme oder Musik. Dass sich das so genannte 12er-Gremium der Bundesprüfstelle, also die ehrenamtlichen Beisitzer aus den Bereichen Kunst, Literatur, Pädagogik, Kirchen, Jugendhilfe die Arbeit nicht leicht macht, zeigen die Diskussionen um das Spiel "Counter-Strike”, in dem GSG-9-Leute auf Terroristenjagd gehen. . Es gab Anträge, dieses Spiel zu verbieten, weil der Erfurter Täter Robert Steinhäuser mit ihm das Zielen trainiert haben soll. Nach mehrstündigen Diskussionen mit jungen Leuten aus der Fan-Gemeinde wurde von der Indizierung abgesehen, denn, so die oberste Jugend-Schützerin der Republik, Elke Monnsen-Engberding:
Sie müssen mit anderen Mitspielern kommunizieren. Sie müssen sich verabreden und sie haben ja auch die Aufgabe, gute Taten zu bewirken. Alleine durch dieses Verabreden mit Menschen steht es nicht mehr im Vordergund, Menschen zu töten, sondern es steht im Vordergrund Geschicklichkeit.
Sorgen macht den Jugendschützern eher rassistischer, rechtsextremistischer, kriegsverherrlichender Schmutz aus dem Internet. Etwa 90 Prozent der deutschsprachigen Naziseiten kommen aus dem Ausland, vor allem aus den USA, aber auch aus Kanada und von Servern aus Rußland. Einschlägige Spiele werden heruntergeladen und über Kopien verbreitet. Seitenweise finden sich auf der Indexliste Titel, die für sich sprechen:
Anti-Neger-Test” - "Anti-Türken-Test” - "Nazi-Demo” - "Hitler-Show” - "Clean Germany” - "Türken-Hass” - "Hitler-Diktator
Fast immer sind die Hersteller solcher Spiele unbekannt. Es gibt keine Copyrights oder als Urheber firmieren "Hitler und Hess”. Wie Jugendschützer, Polizei und Staatsanwälte angesichts von geschätzten 300 Millionen Seiten im World Wide Web ihre Aufgabe noch erfüllen sollen, kann in Wahrheit niemand beantworten. Doch kapitulieren vor der Flut mag niemand, der täglich mit diesen finsteren Seiten des globalen Netzes zu tun hat.
Vor fünfzig Jahren , als das Gesetz zum Schutz der Jugend vor jugendgefährdenden Schriften in Kraft trat, ging es ausschließlich um Printmedien. Das ist heute kaum noch ein Thema für die kleine Behörde mit ihren zehn Mitarbeitern. Die Chefin:
Wir schauen in der Tat nicht mehr auf Bücher. Das liegt zum einen daran, dass wir entsprechende Anträge nicht mehr bekommen außer im rechtsextremistischen Bereich, da gibt es nach wie vor Bücher, die wir indizieren. Aber ich denke mal, es liegt auch viel daran, dass die Jugendämter und die anderen zuständigen Stellen ihre Antragspraxis der Jugendkultur angepaßt haben. Bücher spielen, so bedauerlich das auch sein mag, in der Jugendkultur eine untergeordnete Rolle, andere Medien spielen eine viel größere Rolle.
Die Medienwissenschaftlerin Caja Thimm bestätigt das :
Nachahmung aus einem Buch gilt als extrem unwahrscheinlich. Weil die bildhafte Darstellung wie im Film nicht gegeben ist. Und ich glaube, das ist richtig. Alle Formen von Nachahmungstätern, die wir hatten, sind alles Darstellungen aus dem filmischen , aus dem visuellen Bereich.
Das Fernsehen hat im öffentlichen Bewußtsein bisher eine Randrolle gespielt. Seit 1. April hat die Bundesprüfstelle auch hier eine Wächterfunktion. Elke Monnsen-Engberding nennt die unsäglichen "Schulmädchen-Reports”, die derzeit zur Begutachtung vorliegen und wohl ohne massive Schnitte wegen der Vergewaltigungsszenen nicht in die Wohnzimmer kommen:
Wobei immer latent und zum Teil expressis verbis zum Ausdruck kommt, naja, die mit ihrem kurzen Rock ist ja selber schuld, dass sie vergewaltigt wurde. Es kommt hinzu, dass einige dieser Schulmädchenreports deutlich inzestuöse Beziehungen befürworten. Es gibt zum Beispiel einen, in dem ein Mädchen sagt: Meine sexuellen Erfahrungen mit meinem Großvater begannen, da war ich neun Jahre alt und das war alles hervorragend. Und ich denke mal, da ist man heute sensibilisierter als in den achtziger Jahren, denn wir sind ja seit Jahren dabei, gerade Kinder in ihrem sexuellen Selbstbestimmungsrecht zu stärken und es ihnen zu ermöglichen, Übergriffe von Erwachsenen in jedem Fall abzuwehren.
Manchmal sehnt man sich angesichts der abstoßenden Gewaltflut zurück nach den guten alten spießigen Fernsehzeiten. Vor 26 Jahren landete ein WDR-Tatort mit dem beliebten Kommissar Haferkampf wegen unnötiger Brutalität im Giftschrank, weil eine Minute lang eine erhängte Leiche zu sehen ist. Heute ist dieser Film kein Problem mehr für den Jugendschutz, er wurde im Mai anstandslos zur Ausstrahlung freigegeben.
Was im Fernsehen läuft, ist kontrollierbar. Ratlos aber fragen sich Eltern und Fachleute, wie in den Zeiten von Internet und technologischer Hochrüstung in den Kinderzimmern Jugendschutz noch funktionieren soll? Kommt nicht Resignation auf, wenn man zwar einen "Schulmädchenreport” entschärfen kann, aber im Chat sich Pädophile an arglose Kinder heranmachen können? Die Leiterin der Bundesprüfstelle macht sich wohl selbst Mut, wenn sie tapfer sagt:
Also flächendeckend werden wir es nie schaffen. Es ist auch verboten zu stehlen, dennoch finden jeden Tag Diebstähle statt. Also, man kann es nicht daran aufhängen, dass Jugendschutzgesetze unter Umständen nicht wirksam werden. Sie sind sogar sehr wirksam. Viele Betreiber beschweren sich ja, dass die deutschen Jugendschutzgesetze viel zu streng seien.