Dienstag, 23. April 2024

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57. Internationale Meisterkurse Weimar
Intensivtraining für junge Talente

Meisterkurse gibt es an vielen Orten. Aber nur wenige sind so alt wie die in Weimar: Zum 57. Mal hat die Musikhochschule "Franz Liszt" in Weimar zu den Meisterkursen eingeladen. Und 130 Musiker aus der ganzen Welt wurden ausgewählt, um bei zehn Meistern ihres Fachs eine knappe Woche intensiv zu arbeiten und zu lernen.

Von Henry Bernhard | 19.07.2016
    Musikerinnen und Musiker des Orchesters der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar spielen in einem Konzert
    Mit dabei bei den Meisterkursen: das Orchester der Weimarer Musikhochschule "Franz Liszt" (Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar / Guido Werner)
    "So, wer will anfangen? Der erste traut sich meistens nie, aber ..."
    Peter Sadlo steht vor einem beeindruckenden Marimbaphon, vor Schlagzeugen, Pauken, einem Heer von Perkussionsinstrumenten in einem Probensaal der Musikhochschule Weimar. Vor ihm sitzen neun junge Männer, Schlagzeuger aus Deutschland, Japan, El Salvador ... Sadlo, der schon mit 20 Solopauker bei den Münchner Philharmonikern war, ist einer der bedeutendsten Solo-Schlagzeuger der Welt. 5 Tage hat er nun Zeit für die Studenten.
    Mit ihm könne man alles machen, mein Sadlo. Alle Instrumente, alles Stile, auch extrem moderne Kompositionen. Oder auch grundlegende Techniken. Dafür sei er hier.
    "Then, please, take the sticks and start! Who likes to start?
    Yeah, start! Why not?"
    Endlich erhebt sich einer, Jose Daniel Bezuela aus El Salvador. Er studiert in Mexiko City und ist mit einem Stipendium seiner Schule hier in Weimar. Schüchtern steht er hinter dem Marimbaphon und beginnt. Nach einer guten Minute geht Peter Sadlo dazwischen. Das ist ihm zu japanisch gewesen:
    "It was really too much syncopisation! Really you play the Japanese style. Like a Geisha …"
    Mit den kleinen Schritten einer Geisha tippelt Peter Sadlo durch den Übungsraum. Alle müssen lachen, auch der Kritisierte. Cooler soll er spielen, seine Triolen lägen zu eng beieinander. Also spielt Sadlo vor. Erst mal so, wie der junge Mann gespielt habe. Bezuela hört und sieht genau hin. Sadlo hat ihn gefangen. Daß acht andere Schlagzeuger zuhören, scheint keine Rolle mehr zu spielen. Strahlender soll er spielen und entspannter:
    "A little bit brighter! An a little bit cooler! Cooler means not faster, cooler means a little bit more laid back."
    Anstöße beim Meisterkurs
    Nach 40 Minuten klingt sein Spiel entspannter, locker, freier. Er swingt. So läuft es wohl im besten Fall beim Meisterkurs: Daß wenige Anstöße eines Meisters genügen, um etwas Grundlegendes zu ändern, zu verrücken, anzustoßen. Deshalb ist Sadlo, der Verpflichtungen rund um den Globus hat, in München und Salzburg lehrt, immer wieder in Weimar:
    "Ja, erstens ist es immer gut, von anderen Professoren, Lehrern, selbst wenn es nur dasselbe ist, aber es kriegt dann einen anderen Input. Und diese Analyse, einfach festzustellen: Was hat der für Defizite? Ich habe jetzt z.B. in München einen aufgenommen, den wir jetzt in den Salsa-Kurs schicken, damit er merkt, mit seinem Körper anders zu arbeiten, weil der steht da, als hätte man ihn angeschraubt. Und solche Kleinigkeiten, Tips, die einfach einen vielleicht wirklich einen großen Schlüssel öffnen; oder eben den Weg, den er eh schon gut gegangen ist, den einfach zu festigen."
    Jose Daniel Bezuela kommt erschöpft, aber glücklich aus dem ersten Kurstag. Der Jetlag, das viele Neue, das große Marimbaphon; noch nie habe er auf so einem Instrument gespielt:
    "It’s very important to me to know all the opportunities, the people and do some connections and get to know other professors and teachers. In Mexico it’s more relaxed and you can do stuff."
    Besser will er werden, neue Lehrer und die andere Kultur kennenlernen. In Mexiko sei der Unterricht lockerer, aber so einen Lehrer habe er dort nicht! Und um Bach wirklich zu verstehen, müsse man nach Europa kommen.
    Konzert als Abschluss
    Am Ende der Meisterklassen-Woche werden sie gemeinsam auf der Bühne stehen, Peter Sadlo und seine neun Schüler. Jeder wird ein Stück präsentieren, und sie wollen gemeinsam spielen.
    "58 bitte! 58. Guten Tag, ihr alle! Und Dankeschön für die schwere Arbeit!"
    Bei der Dirigierklasse ist es schon so weit: Einspielprobe vor dem Sinfoniekonzert. 15 Dirigenten haben den Kurs bei Nicolás Pasquet besucht, der auch sonst in Weimar unterrichtet. Die 7 Besten dürfen mit dem MDR Sinfonieorchester arbeiten. Orr Guy ist Israeli, hat bereits seinen Bachelor abgeschlossen und lebt seit zwei Jahren in Deutschland:
    "When I studied in Israel when I did my bachelor, we had only student’s orchestra."
    Zu Hause in Israel habe er als Student nur Studentenorchester dirigieren können. Hier mit einem solch großartigen Orchester spielen zu dürfen sei einfach unglaublich für ihn.
    "Trompeten – ein bißchen weiter! Noch ein bißchen und es perfekt klappt. Noch einmal bitte! Selbe Stelle, 58."
    Gewinn für beide Seiten
    Der Meister der Kurses, Nicolás Pasquet, sieht die Vorteile der Sommerkurse nicht nur bei den Studenten:
    "Ich betrachte solche Meisterkurse unter anderem auch als eine Art Teich, wo ich fischen gehe. Man ist ja als Lehrer immer auf der Suche nach jungen Talenten, jungen Menschen, mit denen man gerne arbeiten möchte, und man muß sich ja auch als Lehrer diesen jungen Leuten vorstellen. Es ist ja nicht nur so, daß die jungen Leute sich mir vorstellen, sondern umgekehrt auch. Und gerade so eine konzentrierte Arbeit über eine Woche hinweg, da lernt man sich wirklich sehr intensiv kennen, mit Stärken und Schwächen – und zwar gegenseitig. Und ich habe bei Meisterkursen, die ich mache, immer wieder junge Leute gefunden, die dann auch Teil meiner Klasse in Weimar geworden sind."
    Am Abend, beim Konzert, brillieren alle sieben Nachwuchs-Dirigenten, auch Orr Guy mit Béla Bartóks Konzert für Orchester. Den anderen Weimarer Meisterkurs-Schülern steht diese Erfahrung der Abschlußkonzerte in dieser Woche noch bevor.